„Ich liebe Volatilität“

- Roy G. Niederhoffer
- R. G. Niederhoffer Capital Management
FRANKFURT – Seit knapp 30 Jahren erzielt Roy G. Niederhoffer mit seiner Short Duration Quantitative-Strategie „Diversified“ beeindruckende Ergebnisse. Jetzt hat er zu seinem Downside-Protection-Produkt auf der Kepler Strategies UCITS Platform mit dem „R.G.Niederhoffer Smart Alpha Program“ einen Fonds aufgelegt und für europäische Investoren zugänglich gemacht. Der Meister der Volatilität im exklusiven Hedgework-Gespräch.
Hedgework: Roy, Sie lieben ganz offensichtlich Volatilität. Als ich Sie das erste Mal auf einer Kepler-Konferenz im Frühjahr 2019 in London gesehen hatte, haben Sie ein T-Shirt mit dem Aufdruck „I love volatility“ getragen. Was fasziniert Sie so an Volatilität?
Roy G. Niederhoffer: Von Beginn an ist unsere Short Duration Quantitative-Strategie darauf fokussiert, die Vorhersagbarkeit von Markbewegungen einzufangen, die weniger als zwei Tage dauern. Wir haben das Unternehmen mit der Idee gegründet, für Investoren sowohl starke positive Ergebnisse zu erzielen als auch Schutz vor Kursverlusten zu liefern – also eine Downside Protection. Und das für Investoren mit Aktien-, Anleihen- und Hedgefonds-Exposure. Indem wir also von den Beziehungen von Schwierigkeiten im Portfolio traditioneller Investments angesichts großer Marktbewegungen, also Volatilität, profitieren, waren wir in den vergangenen 30 Jahren in der Lage, diese Kombination aus starken Erträgen und Absicherung nach unten zu liefern.
Hedgework: Sie haben in Harvard studiert und 1987 abgeschlossen mit Magna cum Laude in „Computational Neuroscience“. 1993 haben Sie mit Ihrer Fondsboutique das erste Produkt – genannt „Diversified“ – aufgelegt. Wie kommt man mit solch einem wissenschaftlichen Hintergrund dazu, eine Fondsboutique zu gründen?
Niederhoffer: Die Beziehung zwischen unserer Strategie und den Neuro-Wissenschaften liegt darin, dass wir glauben, dass es bei Investoren entwickelte Verhaltens-Vorurteile gibt, die deren Verhalten auf kurze Sicht vorhersagbar beeinflussen. Diese Vorurteile sind das Resultat der Strukturen des menschlichen Gehirns – und deswegen dauern sie auch an, obwohl einige Leute über die Jahre auf sie aufmerksam geworden sind. Unsere Strategie liegt darin, Situationen zu finden, in denen diese Verhaltens-Vorurteile ausgelöst werden, und dass diese Situationen vorhersagbare Momente sind für das, was passiert.
Hedgework: Sie haben im Laufe Ihres unternehmerischen Wirkens über 60 Situationen identifiziert, in denen Märkte vorhersagbar sind, und Ihre Algorithmen nutzen diese Situationen auf kurze Sicht mit einer durchschnittlichen Handelsdauer von 1,5 Tagen. Haben Sie für uns ein Beispiel für solch eine typische Situation?
Niederhoffer: Ich habe Hunderte von Millionen von Dollar ausgegeben, um Daten auszuwerten, um unsere Handelsregeln zu finden. Ich kann hier keine exakte Regel geben, nach der wir folgen, aber ich kann es generell wie folgt beschreiben: Wir suchen nach Situationen, die sich über Jahrzehnte in der Intraday-Preis-Historie über viele verschiedene Märkte zehntausende Male ereignet haben. Und diese repräsentieren klar die Beispiele der unterschiedlichen Verhaltens-Vorurteile, die zur gleichen Zeit auftreten.
Hedgework: Können Sie das näher beschreiben?
Niederhoffer: Es gibt bestimmte Tage, an denen Investoren an bestimmten Preisextremen quasi verankert sind. Und sie werden ängstlich oder gierig, gemessen am aktuellen Preis relativ zum Preisextrem. Wenn der Markt so ein Extrem macht, sagen wir ein All-time-high am Aktienmarkt, und dann fällt der Markt gemessen am High, das verändert die Stimmung der Menschen. Wir glauben, dass wir die emotionale Verfassung des Marktes auf vielfältige Weise messen können, indem wir auf den Preispfad schauen. Und diese Situationen geben uns die Möglichkeit, Situationen zu finden, in denen der zukünftige Pfad vorhersagbar ist.
Hedgework: Müssen Sie Ihre Algorithmen öfter anpassen? Oder sind diese weitgehend stabil?
Niederhoffer: Im Großen und Ganzen sind die Verhaltens-Vorurteile, die wir gefunden haben, über die Zeit relativ stabil. Einige von ihnen sind heute auf stabilere Arten ausgedrückt, als sie es vor 20 oder 30 Jahren waren. Viele unserer Modelle passen sich über die Zeit mittels eines Rahmens maschinellen Lernens an. Andere wiederum sind eher statischer Natur, aber sie repräsentieren häufig vorkommende Situationen. Und wir können ihre kontinuierlichen Erträge messen und unsere Regeln anpassen, wenn dies nötig werden sollte.
Hedgework: Lassen Sie uns noch einen Blick auf das Marktumfeld werfen. 2019 hatten Sie ein schweres Jahr angesichts generell niedriger Volatilitäten. Was war der Grund für diese niedrige Volatilität?
Niederhoffer: Ich glaube, dass die durch die Notenbanken bereit gestellte Liquidität die Märkte verändert hat. So wurden die Volatilität und die Ängste der Investoren verringert. Die Zukunft wird aber eher aussehen wie dieses Jahr und nicht wie die außerordentlich ruhigen Jahre 2019 und auch 2017. Der Grund liegt darin, dass die Zentralbanken damit am Ende angekommen sind, wie niedrig Zinsen noch gehen können und wieviel Liquidität noch in die Märkte gepumpt werden kann, ohne dass Erwartungen verändert werden. Beispielsweise Erwartungen über die zukünftige Entwicklung von Zinsen und die Angst vor Inflation. Das Verhalten der Zentralbanken kann auch große Währungsströme auslösen oder generell Volkswirtschaften beeinflussen. Das alles kann zu höherer Volatilität führen.
Hedgework: Sie haben bereits 30 Jahre Erfahrung. Wie schlägt sich Ihr „Diversified“-Programm in diesen volatilen Zeiten?
Niederhoffer: In volatilen Jahren wie 2000 oder 2008 haben wir wirklich einen guten Job gemacht. Da hat unser Flaggschiff-Fonds mehr als 50 Prozent im Jahr erwirtschaftet, so wie bereits auch in diesem Jahr. Wir haben aber auch festgestellt, dass eine bestimmte Gruppe von Investoren eher einen „All-Wetter-Fonds“ haben möchten. Also einen Fonds, der auch dann gute Ergebnisse liefert, wenn die Märkte etwas ruhiger sind und Aktien stetig nach oben gehen. Deswegen haben wir zusammen mit unserem Partner Kepler ein zweites Produkt aufgelegt. Im Juli haben wir das „R.G. Niederhoffer Smart alpha program“ europäischen Investoren auf der Kepler Strategies UCITS Platform zugänglich gemacht. Dieser Fonds soll also eher ein ruhigeres Stand-alone-Produkt sein, als ein Produkt zum Schutz gegen Markteinbrüche, wie es unser Flaggschiff-Produkt die letzten 30 Jahre war.
Hedgework: Dann sprechen beide Produkte unterschiedliche Investoren-Typen an?
Niederhoffer: Beide Produkte beinhalten einen signifikanten Schutz gegen Einbrüche an den Märkten für Aktien- und Anleiheinvestoren. Das neue Produkt ist besser, wenn Aktien und Anleihen steigen. Das Flaggschiffprodukt ist besser, wenn Aktienmärkte stark fallen. Die Idee für das neue Produkt liegt darin, dass es an beiden Enden hilfreich ist. Es ist eher ein zweiseitiges „Tail-risk-product“ als nur eine Absicherung nach unten.
Hedgework: Herzlichen Dank für das Interview Roy. Wir werden uns das neue Produkt, dass Sie mit Ihrem Partner Kepler aufgelegt haben, in der November-Ausgabe der Hedgework-News genauer anschauen.
Das Gespräch führte Uwe Lill
Vita:
Roy Niederhoffer schloss 1987 sein Studium der Computational Neuroscience in Harvard Magna cum Laude ab. Nachdem er 5 Jahre lang für einen anderen Hedgefonds gearbeitet hatte, gründete er 1993 die R. G. Niederhoffer Capital Management, Inc.
Niederhoffer leitet das Management-Komitee und bringt fast 30 Jahre Erfahrung in der Hedgefonds-Industrie mit. Er wohnt in New York City ist auch als Vorstandsvorsitzender der New York City Opera und des Harmony-Programms tätig. Er ist ein versierter klassischer und Jazz-Pianist.