„ESG ist bei aktivem Management ein Muss“

  • Thomas Meyer
  • Degroof Petercam Asset Management

MÜNCHEN – An Aktien führt im Portfolio kein Weg vorbei, ebenso wenig an der Integration von ESG-Kriterien, erklärt Thomas Meyer, Country Head Germany bei Degroof Petercam Asset Management (DPAM). Konsequenterweise skizziert er einen praktikablen Weg, den ESG-Ansatz zu implementieren.

Herr Meyer, die meisten Aktienmärkte haben sich vom Corona-Schock im Frühjahr schnell wieder erholt. Kann ihnen die Krise nichts anhaben?
Thomas Meyer: Aktien sind im zinslosen Umfeld eine wichtige Renditequelle geworden. Vor allem solche von Qualitätsunternehmen mit Zugang zu weltweitem Wachstum und sehr guter Finanzlage. Europäische Aktien profitieren zudem stark vom Nachhaltigkeitstrend, der durch den Green Deal der EU noch weiter an Dynamik gewinnt. Denn Firmen aus Europa nehmen im internationalen Kontext eine Vorreiterrolle ein und bieten eine besondere Qualität in Bezug auf die Einhaltung ökologischer und sozialer Standards oder Praktiken der guten Unternehmensführung.

In Europa wird bereits fast jeder zweite Euro in nachhaltigen Investments angelegt. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Meyer: Ein nachhaltiger Investmentansatz ermöglicht es, einen Aktienfonds noch attraktiver zu machen – durch die deutliche Reduzierung wesentlicher Unternehmensrisiken und die Identifizierung von langfristigen Wachstumspotenzialen. In fünf Jahren werden die meisten Investmentprozesse ESG-Kriterien berücksichtigen. Diese Entwicklung wird zusätzlich angetrieben durch regulatorische Vorgaben, die Veränderungen in den Anlage- und Beratungsprozessen einfordern.

Wollen die Investoren auch selbst Positives bewirken?
Meyer: Vielen ist es ein wichtiges Anliegen geworden, die Welt Stück für Stück ein bisschen besser zu machen. Hinzu kommt, dass immer mehr Anleger den relativen Performancevorteil von ESG-Anlagestrategien gegenüber Nicht-ESG-Ansätzen erkennen und auch nutzen wollen.

Einige Analysen belegen dies bereits …
Meyer: Richtig. Anlagen in Unternehmen mit guten oder sich verbessernden ESG-Bewertungen optimieren die Robustheit eines Portfolios und steigern die risikobereinigten Renditen. Eine Schlüsselrolle spielt die Vermeidung von Verlusten, die zu kontroversem Verhalten von Unternehmen führen. ESG-bewusste Unternehmen zeichnen sich vielfach durch den klugen Einsatz von Ressourcen aus sowie die Vermeidung von Risiken und zeigen dementsprechend hervorragende operative Leistungen. Nachhaltig agierende Firmen sind somit besser für künftige ESG-Herausforderungen gerüstet, wie Wasserknappheit und Cyberattacken oder auch veränderte Regulierungen, etwa bei Pestiziden oder Kohlenstoffemissionen.

Wo lauern Ihrer Meinung nach im ESG-Trend auch Fallstricke?
Meyer: Die meisten Anlagemittel fließen mittlerweile in ESG-Produkte – eine Entwicklung, die vor allem bei Aktien mit den besten ESG-Ratings starke Bewertungsanstiege zur Folge hat. Wenn alle Manager den gleichen ESG-Ansatz fahren und im Wesentlichen die gleichen Indikatoren nutzen, um ESG-Risiken und -Chancen einzuschätzen, steigt automatisch das Interesse an denjenigen Aktien, die die beste ESG-Bewertung erhalten.

Eine Nachfragespirale, die sich immer weiter verstärkt?
Meyer: Genau. Als Konsequenz schneiden Aktien, die durch das allgemeine ESG-Raster fallen, automatisch schlecht ab. Das muss jedoch nicht bedeuten, dass solche Unternehmen vom Investmentradar zu streichen sind. Kleinere und aufstrebende Firmen sind aber oft überaus interessante Investments mit guten ESG-Werten.

Was heißt das für Sie als aktiver Manager?
Meyer: Da kleinere Titel meist nicht in den großen Datenbanken beziehungsweise Indizes abgebildet werden, erschließen sich aktiven Fondsmanagern, die nicht nur nach Ratings, sondern auch nach eigenen ESG- und fundamentalen Kriterien beurteilen, lukrative Alternativen.

Ihr Haus bietet die Fonds DPAM Invest Equities Europe Sustainable und DPAM Invest Equities World Sustainable. Wie wird bei diesen Fonds das Thema Nachhaltigkeit angegangen?
Meyer: Bei uns durchläuft jede in die Vorauswahl kommende Gesellschaft ein sogenanntes extrafinanzielles Screening, bei dem die Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung unter die Lupe genommen werden. Anhand dieser Analyse können wir ein Unternehmen zum Beispiel danach beurteilen, wie umweltfreundlich es produziert, wie es mit seinen Mitarbeitern umgeht oder wie transparent die Unternehmensführung ist. Dabei verfolgen wir einen Mix aus unterschiedlichen ESG-Analysemethoden und legen den Fokus auf ESG-kritische Aspekte eines Sektors.

Wie muss man sich das vorstellen?
Meyer: Zunächst prüfen wir jedes Unternehmen eingehend auf die Einhaltung bestimmter Normen, wie die zehn universellen Prinzipien der Vereinten Nationen im Rahmen des UN Global Compact, die einen Mindeststandard in Bezug auf Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umwelt und Klima sowie Korruptionsprävention vorsehen – ergänzt um spezifische Ausschlüsse für Sektoren und kontroverse Aktivitäten. Bei unserem ESG-Selektionsprozess gehen wir stets pragmatisch vor, im Sinne einer Auswahl derjenigen Unternehmen, die bereit sind, eine positive Zukunft mitzugestalten.

ESG dürfte aber nicht alles sein. Worauf schauen Sie noch?
Meyer: Darauf, welche mittel- bis langfristigen Themen und Trends attraktive Investmentmöglichkeiten bieten. Und auf die wesentlichen Treiber dieser Trends, um herauszufiltern, in welchen Teilsegmenten der zugehörigen Wertschöpfungskette die wirklich interessanten Investmentchancen liegen. Erst dann werden die relevanten Unternehmen anhand wichtiger Unternehmenskennzahlen analysiert – anhand quantitativer Größen, wie die Rendite auf das eingesetzte Kapital, sowie qualitativer Kennzahlen, wie Wettbewerbsvorteile und die Erfolgsbilanz des Managements.

Wie unterscheiden sich die genannten Fonds hinsichtlich Anlageuniversum und Strategie?
Meyer: Gegenüber seinem europäischen Pendant, der auf die europäischen Kernmärkte konzentriert ist, investiert der globale Fonds verstärkt in Unternehmen mit einer starken Geschäftstätigkeit in Schwellenländern. Die Überlegung dazu ist recht einfach: Das Wachstum in den Schwellenländern ist höher als in den Industrieländern. An diesem erhöhten Wachstum möchten wir partizipieren und gleichzeitig in Unternehmen mit ausgesprochen hoher Qualität investieren. Dabei schaffen es nur diejenigen Firmen in das Fondsportfolio, die sich bereits in ihren jeweiligen Märkten bewährt haben und ein solides und nachhaltiges Geschäftsmodell sowie eine stabile und konsistente Performance bei unterdurchschnittlicher Volatilität vorweisen können.

Thomas Meyer ist Leiter des institutionellen Deutschland-Geschäfts von DPAM und verfügt über 31 Jahre Erfahrung im Bankbereich und im Asset Management. Vor seinem Eintritt bei DPAM war er bei KBC Deutschland und zuvor bei der Dresdner Bank Portfoliomanager und Spezialist für Aktien und Derivate.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 04/2020
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