„Ein Investor muss sein Risiko im Griff haben und es muss richtig skaliert sein“

  • Mark Ritter
  • Lupus alpha

FRANKFURT – Um das Risiko in ihren Portfolios einzugrenzen sind viele Investoren bereit, eine Prämie zu bezahlen. Volatilitäts-Strategien sind darauf ausgerichtet, die gewünschte Risikobegrenzung zu liefern und kassieren dafür eine Volatilitätsrisikoprämie. Mark Ritter, Portfolio Manager bei Lupus alpha und Referent beim 214. Hedgework-Event, erklärt, wie diese Strategien funktionieren und wie sich damit Renditen erzielen lassen.

Hedgework: Herr Ritter, Ihr Spezialgebiet sind Volatilitäts-Strategien. Können Sie bitte kurz erklären, worum es sich dabei handelt?
Mark Ritter: Viele Investoren scheuen zu hohe Volatilität in ihren Portfolios. Häufig sind hier gerade den institutionellen Vermögen enge Grenzen gesetzt. Um sich davor zu schützen, etwa an den Aktienmärkten, suchen sie Absicherung vor Verlusten. Dafür sind sie bereit, eine Prämie zu bezahlen – die sogenannte Volatilitätsrisikoprämie. Volatilitäts-Strategien haben sich darauf spezialisiert, die Prämie zu vereinnahmen und so Rendite zu erzielen. Man kann das mit einer Versicherung gegen Elementarschäden vergleichen: finanzieller Schutz gegen Prämie. Wer in solche Volatilitäts-Strategien investiert, profitiert also davon, dass die realisierte Volatilität niedriger ausfällt als sie erwartet wurde. Ihr absolutes Niveau ist dabei zunächst einmal unerheblich.

Hedgework: Und wenn Sie noch ergänzen, wie das ganz praktisch funktioniert?
Ritter: Anders als im Beispiel der klassischen Versicherung wird der gesamte Prozess vollkommen standardisiert über Terminbörsen abgewickelt, wobei wir am Markt hochliquide Optionen verkaufen. Ein Investor, der diese Optionen kauft, erwirbt quasi eine Versicherung gegen Marktrückgänge bzw. steigende Volatilität. Solange die realisierte Volatilität niedriger bleibt als die erwartete, tragen die vereinnahmten Optionsprämien zur Rendite der Volatilitäts-Strategie bei. Steigt die Volatilität über das zuvor verkaufte Niveau hinaus an, verbuchen Volatilitäts-Strategien Verluste. Das entspricht der Versicherungszahlung nach einem Schadensfall.

Hedgework: Wie unterscheiden sich die einzelnen Strategien?
Ritter: Ein wichtiger Unterschied liegt im Basiswert: Die Differenz und damit die Prämie zwischen der erwarteten und der realisierten Volatilität existiert grundsätzlich auch bei Optionen auf Anlageklassen wie Anleihen oder Rohstoffe. Allerdings ist sie gemessen am Verhältnis von Rendite und Risiko bei Aktien mit Abstand am attraktivsten. Denn wie hoch die Prämie ist, hängt von Angebot und Nachfrage ab. Je größer die Nachfrage nach Absicherung und je kleiner im Vergleich dazu das Angebot, desto größer ist die Risikoprämie. Nach unserer Beobachtung ist der Unterschied zwischen Angebot und Nachfrage bei den Aktienderivaten am stärksten ausgeprägt. Denn am Aktienmarkt ist es üblich, mit Optionsstrategien das Risiko zu reduzieren. Das produziert die hohe Nachfrage nach Volatilität. Wir arbeiten deshalb mit Optionen auf globale Aktienindizes.

Hedgework: Was hat es mit Long- und Short-Vola auf sich?
Ritter: Was ich hier bisher beschrieben habe, nennt sich Short-Vola, weil der Verkäufer einer Option im Börsenjargon in der Short-Position ist. Manche Vola-Fonds integrieren zudem eine Long-Komponente in ihre Strategie, treten also auch als Käufer von Optionen auf. Long-Positionen steigen im Wert, wenn die Volatilität steigt. Das senkt bei Marktstress die Verluste im Fonds. Es gibt aber einen Nachteil: Man profitiert zwar in Krisenphasen, hat aber auf lange Sicht ein Kostenproblem, weil die Kosten über die Zeit höher sind als die zwischenzeitliche Wirkung der Absicherung. Wenn ich also langfristig Erträge generieren will, dann muss ich short in Volatilität sein. Wir sichern uns deshalb mit einem Tail-Hedge nur gegen extreme Risiken ab, das ist deutlich billiger.

Hedgework: Welche Möglichkeiten gibt es noch, eine Volatilitäts-Strategie mit weiteren Komponenten zu ergänzen?
Ritter: Man kann natürlich weitere Renditequellen integrieren. Ein Beispiel hierfür ist die Kombination mit Aktien. So profitiert man von steigenden Aktien, übernimmt aber auch Aktienmarktrisiken. Zudem lässt sich ein Durations- oder Bonitätsrisiko integrieren, denn der größte Teil des Portfolios jeder Volatilitäts-Strategie setzt sich aus Anleihen zusammen, weil diese an den Terminbörsen als Sicherheit für die Derivategeschäfte dienen. Eine solche Mischung der Risikoprämien soll die Rendite der Strategien aufbessern. Wir sehen das anders und sind überzeugt, dass die Volatilitätsrisikoprämie von anderen Risikoprämien sauber getrennt bleiben sollte. Eine Vermischung verwässert nur ihre diversifizierende Wirkung im Gesamtportfolio. Deshalb nehmen wir nur sehr sichere Anleihen wie zum Beispiel Pfandbriefe mit etwa einjähriger Restlaufzeit in unser Bondportfolio. In unserer Strategie neutralisieren wir zudem bewusst das Aktienmarktrisiko. Unterm Strich wird deutlich: Vor dem Investment sollte man sich genau mit den zur Auswahl stehenden Strategien beschäftigen.

Hedgework: Auf welche Risiken müssen Anleger bei Volatilitäts-Strategien insbesondere achten?
Ritter: Das Schöne an Optionen ist, dass sich das Risiko frei skalieren lässt. Zum Basisportfolio können viele oder wenige Optionen verkauft werden und damit das Gesamtrisiko erhöht oder gesenkt werden. Angenommen, ich kann mit zehn verkauften Optionen ein aktienähnliches Risiko skalieren. Dann kann ich auch 15 Optionen verkaufen und habe dann 50 Prozent mehr Risiko im Portfolio. Ich könnte aber auch nur zwei Optionen verkaufen, dann hätte ich nur 20 Prozent des Risikos. Wie der Corona-Einbruch 2020 gezeigt hat, muss man sein Risiko im Griff haben und es muss richtig skaliert sein. Damals gab es eine erhebliche Marktbereinigung unter den Anbietern von Volatilitäts-Strategien, die ein zu hohes Risiko eingegangen sind.

Hedgework: Wenn man Ihre Strategie im Zeitablauf verfolgt, zeigt dies ein recht auffälliges Muster von Auf und Ab – wie lässt sich dies erklären?
Ritter: Das stimmt, Volatilitäts-Strategien folgen im Zeitverlauf einem recht typischen Muster: In ruhigen Marktphasen sammeln sie stetig Prämien ein und liefern ihren Anlegern Rendite – der Wertanstieg verläuft sehr stetig. Kommt dann ein Markteinbruch, können sich Vola-Strategien dem auch nicht entziehen. In der anschließenden Erholungsphase finden Vola-Strategien aller Erfahrung nach deutlich schneller zu ihren alten Ständen zurück als der breite Markt, weil die Volatilitätsrisikoprämie kräftig steigt – ähnlich wie bei einer Elementarschadenversicherung. Das war 2008 und auch 2022 der Fall.

Hedgework: Trotzdem ist es unangenehm, wenn der Markteinbruch kommt – ein Teil der Rendite ist dann erst einmal weg. Wie Diversifizierung hört sich das nicht an.
Ritter: Auf den zweiten Blick schon. Zunächst einmal können wir Risiken deutlich besser abfedern als früher, hier kommt uns die Erfahrung aus vergangenen Marktkrisen zugute. Wir nutzen die schon erwähnte Absicherung gegen Tail-Risiken, um bei Extremereignissen die Verluste einzugrenzen. Außerdem ist es seit kurzem möglich, der Volatilitäts-Strategie mit kürzeren Optionslaufzeiten mehr Stabilität zu geben, weil wir so näher am aktuellen Marktgeschehen agieren können. Das sorgt für eine noch schnellere Wertaufholung. Darin liegt auch einer der Diversifikationseffekte: Bei Aktien weiß man nie, wie es nach einem Crash weitergeht, bei Vola-Strategien schon, die Erholungsphase verläuft typischerweise sehr schnell. Die Panik an den Märkten ist heftig, aber kurz. Sie ebbt schnell ab, und dann vereinnahmt man die hohe Volatilitätsprämie wieder. Neben dem stetig steigenden Kursverlauf in ruhigen Märkten ist das Verhalten gerade nach einem Drawdown ein wichtiger Diversifikationspunkt.

Hedgework: Gibt es ein Warnsignal, wenn Anleger dennoch besser aussteigen sollten?
Ritter: Starke Markteinbrüche lassen sich nicht timen und Volatilitäten schießen unerwartet in die Höhe. Insofern ist es müßig, nach Signalen zu forschen. Wenn der Einbruch kommt, muss das Risiko angemessen skaliert sein und das Risikomanagement funktionieren, dann ist der Rückschlag relativ schnell überstanden. Aussteigen sollte ein Investor vor allem dann, wenn sich der Verdacht aufdrängt, dass sein Anbieter das Risikomanagement nicht im Griff hat.

Hedgework: Wie erkenne ich andererseits, wann ich am besten einsteigen sollte?
Ritter: Die Volatilitätsrisikoprämie ist immer vorhanden, auch in seitwärts laufenden Märkten. Es handelt sich bei ihr um einen langfristigen, diversifizierenden und wegen seiner Eigenschaften stabilisierenden Portfoliobestandteil. Den idealen Einstiegszeitpunkt gibt es nicht, auch hier gilt, dass am ehesten verliert, wer den Markt timen will. Wenn wir aber gerade jetzt, bei Veröffentlichung dieses Interviews, einen starken Markteinbruch erleben sollten – was ich nicht hoffe –, dann gibt es keinen besseren Zeitpunkt als „jetzt“, weil dann die Risikoprämie wieder deutlich steigt. Erholungsphasen bieten das größte Renditepotenzial.

Hedgework: Gibt es unter dem Strich Marktphasen, in denen Volatilitäts-Strategien ihre Vorteile eher ausspielen können und in welchen eher nicht?
Ritter: Am besten sind für Volatilitätsfonds steigende Märkte und Marktphasen, in denen wenig passiert. Sogar in fallenden Märkten funktionieren diese Strategien und können positive Erträge erzielen. Kurzfristig unangenehm sind starke und überraschende Markteinbrüche. Aber die gehören dazu und wir brauchen sie auch. Denn dann werden sich die Investoren wieder stärker der Risiken an den Märkten bewusst und sind bereit, höhere Prämien für ihre Absicherung zu zahlen. In einer solchen Zeit sind wir gerade: Nicht nur, dass allgemein hohe Unsicherheit herrscht. Die Anleger erinnern sich auch noch lebhaft an die Markteinbrüche der vergangenen Jahre.

Hedgework: Wie beurteilen Sie in dieser Hinsicht die aktuelle Situation an den Märkten?
Ritter: Die Faktoren, die die Volatilitätsrisikoprämie beeinflussen, sind intakt und ich sehe vorerst keinen Grund, warum sich das ändern sollte: Die Nachfrage nach Absicherung ist nach wie vor hoch. Auf der anderen Seite bleibt das Angebot vergleichsweise niedrig. Ich denke, dass sich dieses Jahr allein mit dem Optionsportfolio fünf Prozent Rendite erzielen lassen. Hinzu kommt die Rendite aus dem Bondportfolio. Seit der Zinswende trägt dieser Teil wieder zur Rendite bei, derzeit mit etwa 3,5 Prozent. Für Volatilitäts-Strategien haben wir also ein sehr günstiges Marktumfeld.

Hedgework: Welchen Stellenwert sollten Volatilitäts-Strategien demnach in diversifizierten Portfolios einnehmen?
Ritter: Welchen Anteil sie im Portfolio haben sollten, kommt sehr darauf an, wie das Risiko der konkreten Strategie skaliert ist. Zu klein sollte die Beimischung aber nicht sein, ein guter Startpunkt sind fünf bis zehn Prozent. Typische institutionelle Kunden von uns, die eine breite Asset Allocation haben, bewegen sich in diesem Bereich und erreichen damit bei aktienähnlicher Rendite einen guten Diversifizierungseffekt.

Hedgework: Gleichwohl dürften Volatilitäts-Strategien für viele Anleger eine sehr komplexe Materie sein, um die sie lieber einen Bogen machen. Mit welchen Argumenten ließen sie sich am ehesten vom Gegenteil überzeugen?
Ritter: Dass diese Strategien eine eigene, vom Marktrisiko unabhängige, historisch und statistisch belegte Risikoprämie vereinnahmen. Sie liefern verlässliche Rendite in steigenden, stagnierenden und auch leicht fallenden Märkten. Sie bieten eine schnelle Wertaufholung nach Markteinbrüchen. Ihr Risiko lässt sich je nach Bedürfnis des Anlegers passgenau skalieren. Weiterentwicklungen haben sie robuster gegen Marktverwerfungen gemacht. Und nicht zuletzt: Die hohe Nachfrage sorgt verbunden mit dem weiterhin verringerten Angebot für eine hohe Volatilitätsrisikoprämie. Aktuell liegt meine Renditeerwartung bei gut 8 Prozent pro Jahr. Damit leistet Volatilität einen Beitrag zur Verbesserung und Verstetigung der Portfoliorendite.

Mark Ritter, CFA, CAIA
Portfolio Management Derivative Solutions

Mark Ritter ist bei Lupus alpha im Bereich Derivative Solutions tätig. Dort ist er verantwortlich für die Steuerung der Volatilitäts-Strategien und den Publikumsfonds Lupus alpha Volatility Risk Premium. Den Einstieg bei Lupus alpha begann Ritter zunächst studienbegleitend im Bereich Trading & Implementation des Lupus alpha Talent-Hotels. Nach dem Abschluss seines BWL-Studiums an der Goethe-Universität in Frankfurt verstärkt er seit 2007 das Portfolio Management bei Lupus alpha.
  
Lupus alpha:
Als Spezialist unter den Asset Managern setzt Lupus alpha auf Anlageklassen und Investmentstrategien, bei denen aktive Manager im Vorteil sind. Das Ziel ist, Investoren systematisch neue Alpha-Quellen und Risikoprämien zu erschließen und ihnen so Wege zu einer breiteren und tieferen Diversifizierung in ihren Gesamtportfolios zu öffnen.

Als eine der ersten unabhängigen Fondsgesellschaften in Deutschland ist das Unternehmen bis heute mittelständisch geprägt. Diese Unabhängigkeit schützt die Kunden und das Unternehmen vor Interessenkonflikten, indem der Service vorbehaltlos an deren Anforderungen ausgerichtet werden kann.

Im Segment der europäischen Small & Mid Caps ist es Lupus alpha gelungen, mit einem der größten und erfahrensten Portfolio-Management-Teams kontinuierlich und nachhaltig Mehrwert für die Anleger zu schaffen. Im Bereich Volatilitäts-Strategien gehört Lupus alpha seit 2007 zu den führenden Anbietern in Deutschland. Darüber hinaus finden sich mit spezialisierten Konzepten abseits traditioneller Rentenanlagen mit CLO-Strategien seit 2015 sowie mit Wandelanleihen seit 2017 Lösungen für die besonderen Herausforderungen im Fixed-Income-Portfolio der Kunden.

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