4. Hedgework-Talk: „Inflation ist immer im Interesse der Schuldner - und der größte Schuldner ist der Staat“
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Hanno Beck, Professor für Volkswirtschaftslehre, Buchautor und Wirtschaftsjournalist, diskutiert mit Hedgework-Gastgeber Uwe Lill, warum sich Anleger mit einem möglichen Aufflammen der Inflation beschäftigen sollten, warum die moderne Geldtheorie in den USA so beliebt ist – und warum sie nichts taugt.
Nachfolgend finden Sie eine Zusammenfassung des Podcasts:
Vorstellung Hedgework, Prof. Dr. Hanno Beck, die Themen des heutigen Podcast
Uwe Lill: Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie heute zum vierten Hedgework-Talk. Als Gast habe ich heute Professor Dr. Hanno Beck dar. Ich darf ihn kurz vorstellen: Prof. Dr. Hanno Beck hat ein Studium der Volkswirtschaftslehre hinter sich gebracht und war wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Darauf folgte die Promotion zum Dr. rer. Pol. über die Osterweiterung der Europäischen Union. Dann war er Mitglied der Wirtschaftsredaktion der FAZ, daher kennen wir uns. Dort haben sich unsere Wege gekreuzt und er ist seit 2006 Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Pforzheim. Da Hanno Beck ein umtriebiger Mensch ist, hat er zahlreiche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und Bücher geschrieben, so über die Medien Ökonomie der Alltagsökonom, der Liebesökonom, die Logik des Irrtums, So funktioniert die Börse, Geld denkt nicht und Glück was im Leben wirklich zählt. Es wird sicherlich nicht das Letzte gewesen sein. Aber heute möchte ich mit Hanno über das reden, was momentan die Headlines prägt, nämlich Inflation, Renditeanstiege und dann über eines seiner Lieblingsthemen momentan, die moderne Geldtheorie - Modern Monetary Theory. Ich steig einfach mal ein. Hanno, du bist ja jetzt Professor. Ist Inflation bei deinen Studenten in den vergangenen Jahren überhaupt noch ein Thema gewesen? Wird das denn überhaupt noch gelehrt? Wir haben doch gar keine Inflation mehr.
[01:42]
Prof. Dr. Hanno Beck: Also ich persönlich lehre das immer noch. Nur weil etwas momentan nicht da ist, bedeutet das nicht, dass es das nicht mehr gibt. In der Tat gibt es mittlerweile immer mehr Leute, die sagen, Inflation ist tot. Aber z.B. gibt es ein Zitat des hieß, das Benutze ich in meinen Vorträgen immer, welches lautet: Die Inflation ist tot, so tot wie ein rostiger Nagel. Das stammt von Karl Schiller aus dem Jahr 1967. Keine zehn Jahre später sollte man in Europa wieder zweistellige Inflationsraten haben. Ich erinnere mich, als das letzte Mal jemand zu mir sagte die Inflation ist tot, das war 1999/2000. Es war übrigens ein Streitgespräch, welches ich in der Wirtschaftsredaktion der FAZ hatte, wo ein Kollege, der sehr an der New Economy hing, sagte Inflation, das gibt's jetzt nicht mehr. Wir wissen, was damals folgte, ist eine andere Form von Inflation, über die wir sicherlich heute noch sprechen werden. Also ich glaube, immer, wenn Dinge totgesagt werden, ist es ein guter Zeitpunkt, sich darüber Gedanken zu machen.
[02:39] Auslöser & Ursachen einer Inflation
Uwe Lill: Was kann denn eine Inflation auslösen? Was sind denn so die klassischen Auslöser?
Prof. Dr. Hanno Beck: Also die klassischen Auslöser oder Ursachen aus der Lehrbuchliteratur ist einmal natürlich eine gestiegene Nachfrage. Also einfach die Nachfrage wird größer als das Produktionspotential, dann kriegt man Preissteigerung. Es gibt aber auch eine Kostendruckinflation. Das heißt, wenn die Kosten steigen, z.B. die Löhne steigen oder zum Beispiel wie wir es jetzt gerade beim Friseur erleben, weil die Friseure ihre gestiegenen Kosten für die Hygiene Aufwendungen auf die Kunden überwälzen.
Angebots Engpässe können auch eine Ursache sein. Also wenn jetzt zum Beispiel viele Anbieter ausfallen aufgrund der Corona Krise, dann wird das Angebot kleiner. Die Nachfrage bleibt gleich oder wird vielleicht größer, dann kriegt man Inflation.
Inflation kriegt man auch über externe Schocks, also auch solche Naturkatastrophen wie z.B. eine Pandemie haben in der Vergangenheit teilweise zu Inflation geführt. Dann natürlich, um es mit Milton Friedman zu sagen, den Nobelpreisträger, ist eine Ursache – Geld. Eine gestiegene Geldmenge ging in der Vergangenheit immer einher mit gestiegener Inflation. Es gibt Leute, die das heute bezweifeln und sagen, dass diese Theorie tot ist. Ich denke, darüber werden wir auch noch zu reden haben.
Letztendlich gibt es natürlich auch politische Ursachen. Also natürlich vor allem der Staat und die Staatsschulden. Also Inflation ist immer im Interesse der Schuldner und der größte Schuldner momentan ist der Staat. Deswegen muss man da auch vorsichtig sein mit der Idee das Inflation jetzt tot ist, fürchte ich.
[04:17] Inflation & Inflationserwartungen
Uwe Lill: Aber haben wir denn überhaupt die Bedingungen, also einen Datenkranz, der es hergibt, ich sage es jetzt mal bewusst, mittelfristig dauerhaft eine steigende Inflation zu erwarten. Jetzt nicht so einen kurzen Schlenker, wie wir ihn gerade eigentlich sehen.
Prof. Dr. Hanno Beck: Wenn ich das wirklich genau wüsste, Uwe, dann würde ich jetzt vor dem Kamin sitzen und meinen Nobelpreis streicheln. Aber es gibt schon ein paar Dinge, die einen eher misstrauisch machen. Also momentan sehen wir in der Tat einen leichten Anstieg der Inflationserwartungen. Das sehen wir z.B. auch in dem Zinsabstand zwischen Inflationsgeschützten Anleihen und normalen Anleihen. Die zeugen also zumindest von einem Anstieg der Inflationserwartungen. Jetzt gucken wir uns mal das Umfeld an, welches wir momentan haben. Wir haben durch Corona bedingt vermutlich einen gewissen Nachfragestau. Wie sagte eine Freundin zu mir gerade gestern - ich gebe momentan für nichts Geld aus. Das stimmt, es sei denn du hast solche schöne Einrichtung, wie online-Gitarren-Versand oder sowas.
Es gibt viele Kollegen, die sagen, dass da vielleicht ein Nachholeffekt kommt. Wir haben mit Sicherheit eine Angebotsreduktion durch einige Pleiten. Nicht alle Anbieter werden das letzte Jahr überlebt haben. Das reduziert unter Umständen erst einmal die Produktion. Wir haben insofern einen Kostenschock, weil die Hygiene-Maßnahmen überall eingehalten werden müssen, das wird die Preise nach oben treiben. Wir haben eine Geldmenge, die über die Ufer tritt. Wir haben Schulden, die immer größer werden, eine Notenbank, die das toleriert und Politiker, die Interesse an Inflation haben. Wenn man das alles zusammen einen Topf wirft und ordentlich umrührt, dann wird einem als, sag ich mal „normalen Ökonom“ schon ein wenig Bange, auch wenn es Kollegen gibt, die damit überhaupt keine Probleme haben. Mir fallen auch wenig Gegenargumente ein.
[06:13] Berechnung der Inflationsrate & Bedeutung und Folgen steigender Renditen
Uwe Lill: Jetzt sind die Inflationserwartungen ja was Anderes als Inflation. Aber es gibt ja die self fulfilling prophecy. Was natürlich schon Auswirkungen hat, sind natürlich Rendite Anstiege bei den Zinsstruktur Kurven, insbesondere am langen Ende. Wie ist denn da deiner Meinung nach der Zusammenhang? Hoch ist es ja immer noch nicht. Also wer in den 80er Jahren angefangen hat als Bankkaufmann zu lernen, der ist mit 12-13 Prozent sozusagen ins Frühstück gegangen. Inzwischen zucken wir schon, wenn die 10-jährige Anleihe 1,6% hat. Im Euroraum, wenn die Bundesanleihen zumindest von unten die Null wieder sehen. Das macht uns ja schon nervös. Was bedeutet das denn für die Wirtschaft, wenn die Renditen wirklich dauerhaft sich ein bisschen bewegen würden?
Prof. Dr. Hanno Beck: Nichts Gutes, im Grunde genommen können die Notenbanken das schon gar nicht mehr zulassen. Stell dir mal vor Uwe, wenn jetzt die Zinsen wirklich mal richtig ansteigen, was dann mit Italien zum Beispiel los ist. Wir haben einige Länder in der Europäischen Währungsunion, welche ihre Schulden dann nicht mehr bezahlen können und das wird die EZB nicht zulassen. Das kann sie nicht zulassen. Also aus der Sicht kann man zumindest vermuten, dass die Renditen am kurzen Ende mit Sicherheit nicht steigen werden, weil die Notenbank das nicht zulassen wird. Jetzt wo du sagst, dass du als Bankkaufmann mit zweistelligen Renditen noch groß geworden bist. Es ist richtig, dass wir momentan keine Inflation haben. Aber wenn wir mal genauer hinschauen, dann kann man das bezweifeln. Dazu muss man es mal vorstellen, wie wird eigentlich so eine Inflationsrate berechnet. Also ganz simpel gesagt machen wir folgendes. Du nimmst ein Warenkorb, der besteht aus einer Tafel Schokolade, Sechserpack Bier und einer Gitarre. Dieser Warenkorb kostet heute sagen wir mal unterm Strich 2000 Euro - das war die Gitarre, die ein wenig zu Buche schlägt. Jetzt nimmst du nächstes Jahr denselben Warenkorb, Schokolade, Sechserpack und Gitarre und schaust, was der Warenkorb jetzt kostet. Dann stellst du fest, dass der jetzt nicht mehr 2000 Euro, sondern 2200 Euro kostet. Wie haben einen Preisanstieg des Warenkorbs um 10 Prozent und das ist eine Inflationsrate. Also ganz vereinfacht gesagt. Genauso wird im Prinzip die Inflationsrate berechnet, nur, dass es eben nicht drei Waren sind, sondern 750 Warengruppen Gruppen, fast 300000 Preise.
Das Problem liegt es in folgender Hinsicht: In diesem Warenkorb sind also Nahrungsmittel, Körperpflege, usw. drinnen. Aber da ist eins nicht drin: Vermögensgegenstände, Aktien, Gold, Immobilien, Anleihen, solche Sachen. Das heißt, ein Preisanstieg auf den Vermögensmärkten wird von unserer Inflationsrate nicht erfasst. Wenn du dir jetzt mal überlegst, wir haben eine der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, sehen aber, dass die Aktienindizes davonlaufen, dass Bitcoin steigt über alle Maßen, dann könnte man schon auf die Idee kommen, dass wir keine gewöhnliche Inflation sehen, wie wir sie aus den 70er Jahren kennen, also eine Güterpreis-Inflation, sondern eine Vermögenspreisinflation.
Da kommen auch wieder die Erwartungen mit rein, was du auch angesprochen hast. Das ist eine der ganz großen Erkenntnisse der Makroökonomie aus den Achtzigerjahren, dass Erwartungen der Leute das Wirtschaftsgeschehen verändern, das ist die sogenannte rationale Erwartungshypothese. Vereinfacht besagt die folgendes: Die Leute sehen etwas, was passiert, machen sich ein Bild von dem Geschehen und benutzen davon ein Modell, von dem sie glauben, dass es realistisch ist, dass es darauf passt und reagieren dann. Konkret gesagt passiert momentan folgendes. Die Leute sehen, all das, was ich dir gerade aufgezählt haben, die sehen eine Notenbank, die Geld druckt, bis der Notarzt kommt. Wir sehen Staaten, die sich verschulden wie ein Staatsoffizier auf Heimaturlaub. Jetzt machen sie sich einen Reim drauf und sagen, ich glaube, das gibt Inflation.
Als Antwort auf diese Erwartung rennen sie in die Vermögenswerte, was dazu führt, dass nicht die Güter Preise ansteigen, sondern die Preise für Vermögenswerte und et voila. Wir haben das, was man Vermögenspreisinflation nennt, auch getrieben durch die Erwartung der Leute selbst. Ob die Erwartung richtig sind oder nicht, das spielt ja nicht mehr eine Rolle. Entscheidend ist, dass sie es tun. Das Resultat ist, dass der DAX mittlerweile in Höhen schwebt. Ich erinnere mich noch, als ich bei der FAZ angefangen habe, war der DAX gerade bei 6000.
[11:10] Modern Monetary Theory
Uwe Lill: Jetzt sagen wir mal, wenn wir die Welt betrachten, Hanno. Wir können sie uns ja nicht backen, die ist ja da. Wir haben eine expansive Fiskalpolitik. Wir haben expansive Geldpolitik. Wir haben gesteuerte, niedrigste Zentralbankleitzinsen, eine gigantische Geldflut. Wir haben eine kräftig angewachsene Relation Geldmenge zu Gütern. Eine sehr hohe aggregierte Geldmenge und im Moment, du hast es schon angedeutet die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes ist gesunken. Nach früheren Theorien wäre das alles ein sehr, sehr ungünstiger Mix. Ich bin mal ganz vorsichtig, aber jetzt haben wir die moderne Geldtheorie, die aus den USA kommt und die glaube ich, wenn ich nicht ganz falsch liege, auch bei den Demokraten auf gewisse Zustimmung gestoßen ist. Die sagt ja, das ist alles überhaupt kein Problem. Wir müssen die Welt neu sehen. Kannst du mir erklären, wie da die Welt neu gesehen wird?
Prof. Dr. Hanno Beck: Ja, das ist eine sehr interessante Theorie, wobei eigentlich ist das gar keine Theorie. Eine volkswirtschaftliche Theorie muss bestimmte Ansprüche erfüllen und das gilt für diese Modern Monetary Theory oder MMT nicht. Im Kern besagt die MMT ganz einfach folgendes: Erstens ein Staat, der sich nur in eigener Währung verschulden kann, kann nie pleite gehen. Das ist erst mal richtig. Wenn du dein eigenes Geld drucken kannst, kannst dich immer verschulden und kannst es mit deinem eigenen Geld zurückzahlen. Die zweite Idee der MMT ist, auf Basis dieser Überlegung, der Staat soll im Grunde genommen mehr Geld drucken. Mit diesem Geld kann er auf Shoppingtour gehen, z.B. auch Beschäftigungsprogramme initiieren, ökologisch wertvolle Programme initialisieren. Er soll Mindestlöhne erhöhen und das alles mit dem Geld bezahlen, das er druckt. Die dritte Idee der MMT: Es kann dabei nicht zu Inflation kommen, weil wenn es zu Inflation kommen würde, würde der Staat einfach die Steuern erhöhen und damit die überschüssige Nachfrage überschüssige Geldmenge wieder einkassieren, weil die Leute das Geld, das sie vom Staat bekommen haben, nicht ausgeben können, sondern sie müssen das Geld verwenden, um dem Staat Steuern zurückzuzahlen und damit haben sie das Geld ja wieder aus dem Kreislauf sozusagen rausgezogen.
Also ich sag ja immer, man muss unterscheiden zwischen dem, was man privat gerne hätte und zwischen dem, was realistisch ist. Also ist es natürlich schon eine nette Idee zu sagen ich kann so viel Geld drucken wie ich will und dann bin ich reich. Ich meine, ganz bisschen polemisch verkürzt gesagt ist die Aussage der MMT uns kann nichts passieren, wir müssen einfach mehr Geld drucken.
[13:53] Unterschiede der MMT in Europa und USA & Kritik der MMT
Uwe Lill: Kurze Zwischenfrage: Das sehen wir doch in den USA, oder? Und auch in Europa. Aber wo ist da der Unterschied?
Prof. Dr. Hanno Beck: Es gibt mehrere Unterschiede. Zuerst muss man mal sagen, die ganzen Leute sagen, das machen wir doch schon, alles funktioniert noch prima. Das kommt mir so vor wie jemand, der vom 20-stöckigen Hochhaus springt und als am 13. Stockwerk vorbeifliegt, denkt er sich. Bis jetzt ist alles gut gegangen. Du kannst eine ganze Weile lang sehr, sehr dumme Sachen machen, bevor du die Quittung dafür bekommst. Der zweite Unterschied ist natürlich folgender mit den USA und Europa. Dieses Argument, dass der Staat nicht pleite gehen kann, stimmt nur, wenn er sich in eigener Währung verschuldet. Dann kann er das Geld ja selbst drucken. Die USA kann es bis zum gewissen Grad, weil die USA eine Leitwährung ist, das heißt, das Ausland akzeptiert auch ziemlich viele Dollars. Aber Deutschland oder Griechenland z.B. kann das nicht. Jedenfalls dann nicht, wenn du dich im Ausland verschulden willst. Wenn ich mich also als Deutscher verschulde in China. Dann kann ich dafür jetzt nicht einfach Euros drucken und meine Verschuldung in China zurückzahlen. Das funktioniert nicht.
Also Auslandsverschuldung ist durch diese Theorie überhaupt nicht gedeckt. Diese Theorie ignoriert komplett, dass Staaten sie auch zu großen Teilen im Ausland verschulden. Daran siehst du auch, dass es eine Idee, warum ist in Amerika so en vogue? - weil die Amerikaner bis zum gewissen Maß in der Tat dieses exorbitante Privileg haben, dass sie sich im Ausland in der eigenen Währung verschulden können. Aber auch das können sie nur bis zum gewissen Grad. Also natürlich ist es eine Binsenweisheit, dass ein Staat im Grunde genommen sich 100 Prozent des Sozialprodukts aneignen kann. Das kannst du machen. Du kannst sagen, ich habe ein Sozialprodukt von 100 und jetzt drucke ich als Staat 100 Euro Geld und kassiere das ganze Sozialprodukt ein.
Was werden deine Bürger machen? Wie werden die darauf reagieren? Und zwar nicht erst, wenn du bei 100 Prozent bist. Wir sehen, dass die Leute das schon jetzt machen. Die Leute haben jetzt schon Ideen, wie ich eben erklärt habe, es kommt Inflation, es kommen höhere Steuern und reagieren darauf und verändern ihr Verhalten.
Da siehst du auch, dass MMT keine Theorie ist, weil überhaupt keine Annahmen über das Verhalten der Leute gemacht wird. Wir sagen einfach der Staat kann Geld drucken und kaufen und Ende der Geschichte. Eine gute Theorie müsste jetzt aber Annahmen über das Verhalten der Unternehmen der Haushalte des Auslandes machen. Das findet hier nicht statt, wird im Grunde genommen eigentlich unter den Teppich gekehrt. Also das ist keine Theorie mehr.
[16:27] Unterschiedliche Inflationsraten
Uwe Lill: Okay, ich sehe, du bist nicht ganz auf dieser Theorie und du bist eher derjenige, der sagt: lass uns langsam an den Fenstern vorbeifliegen. Wenn ich das recht sehe, werden die USA wahrscheinlich weicher landen als andere Volkswirtschaften mit anderen Währungen. Jetzt aber dennoch die Frage auch nochmal ein bisschen, um zurückzukommen auf Inflation und Rendite. Wenn ich jetzt fragen würde kommt denn jetzt, guckt mal die Glaskugel, kommt die Inflation oder kommt sie nicht? Musst du da nicht zweigeteilt antworten? Also die gemessene Inflation und die nicht gemessene Inflation.
Prof. Dr. Hanno Beck: Ja, du hast im Grunde sogar, wenn du so willst, drei Arten von Inflation oder fast sogar vier. Du hast erstmal die offizielle Inflation, die die Europäische Union misst. Das ist der HVPI. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex - bräuchte ich schon eine halbe Stunde um das im Hörsaal zu erklären. Dann hast du den Verbraucherpreisindex der z.B. in Deutschland berechnet wird. Zwischen diesen beiden Indizes gibt's schon Unterschiede, was jetzt z.B. erklärt, warum die deutsche Inflationsrate eine andere ist, als die europäische, weil es Messunterschiede gibt. So, dann hast du die sogenannte gefühlte Inflation. Ich habe mir heute Morgen mal angeguckt, wie die berechnet wird. Ich ersparst dir's zu erklären. Es ist gruselig.
Uwe Lill: Ich weiß, was das ist. Ich erinnere mich noch an die Euro-Umstellung, als ich das erste Mal bei meinem Pizza Wirt die Speisekarte wiederhatte und die Zahlen, weil alle gleich nur statt DM stand Euro hintendran. Aber offiziell gab es keine Inflation in dem Moment.
[18:08]
Prof. Dr. Hanno Beck: Genau weil die offiziell gemessene Inflation war auch in der Tat kaum gestiegen. Das siehst du auch wirklich in den Daten, was daran liegt, dass diese Inflationsrate wie gesagt sich aus 300.000 Preisen zusammensetzt. Du kannst sehen, dass in der Tat zum Beispiel Gaststätten ich glaube um die 10 Prozent draufgeschlagen haben, aber zum Beispiel Brokkoli ist damals nach der Einführung des Euro Preis stabil geblieben. So und damit kriegst du eben einen Unterschied zwischen dem, was die Leute als Inflation fühlen und was tatsächlich Inflation ist. Es kommt ja noch was dazu. Dieser Warenkorb, mit dem wir Inflation messen, der wird aufgrund einer Stichprobe ermittelt. Das heißt, der Warenkorb, mit der wir Inflation messen, ist der durchschnittliche Warenkorb eines durchschnittlichen Verbrauchers. Da ist dann z.B. Alkohol und Tabak in der Gewichtung mit etwa drei oder vier Prozent drin. Ich rauche aber nicht und ich trinke nicht, deswegen diesen Teil der Inflationsrate, den merke ich gar nicht. Der betrifft mich auch gar nicht. Aber z.B. Gitarren sind in diesem Verbraucherpreisindex ganz minimal gewichtet. Aber du ich, wir zwei, wir merken das ganz massiv, wenn der Preis für Gitarren anzieht.
[19:41] Investition in Aktien oder Sachwerte?
Uwe Lill: Hanno die Zeit ist abgelaufen. Meine Schlussfrage: Wenn du jetzt mit einem hohen professoralen Gehalt und dem verringerten Angebot am Markt. Wenn du irgendwas kaufen müsstest jetzt was empfiehlst du in Hinblick auf Investitionen, Aktien oder Sachwerte?
[20:00]
Prof. Dr. Hanno Beck: Tja, jetzt haben wir leider keine Zeit, um die allgemeine Gleichgewichts-Theorie zu erörtern. Kurz gesagt, ich fürchte, dass der Unterschied kaum spürbar ist, weil das, was wir jetzt erleben, ist ein sogenanntes systemisches Risiko, das das ganze System betrifft. Es ist fast unmöglich, dem zu fliehen, weil wo du hinkommst, ist schon jemand, der gesagt hat, da kommt Inflation, da mach ich was. Das heißt, wir müssen jetzt irgendeine Nische finden an Vermögens Gegenstand, der noch nicht von diesem allgemeinen Sog erfasst worden ist. Selbst historische Gitarren, da sind Preisniveaus mittlerweile dramatisch gestiegen. Es bleibt zum Schluss nur die alte Ökonom-Weisheit: Investiere in Alkohol, da bekommst du bis zu 60 Prozent für dein Geld.
Uwe Lill: Das ist richtig, liebe Hanno, ein sehr schönes Schlusswort. Ich glaube, dass uns all diese Fragen Inflation Renditen, Geldtheorie auch in den kommenden Jahren beschäftigen werden. Ich würde mich freuen, wenn du in einem gewissen zeitlichen Abstand mit mir gemeinsam wieder auf diesen Fragenkomplex schauen würdest. Ich danke dir!
Prof. Dr. Hanno Beck: Sehr gerne, Uwe.