„Wir vereinen das Bewährte mit dem Innovativen“

- Howard Luder (li.)
- Jörg Ahlheid
- Eurizon Asset Management
FRANKFURT — Seit mehr als 30 Jahren im Geschäft, 380 Milliarden Euro unter Verwaltung, eine finanzstarke Mutter – doch in Deutschland kennen den Vermögensverwalter Eurizon nur wenige. Das soll sich jetzt ändern. Ein Gespräch über die Bedürfnisse institutioneller Investoren und den Sinn individueller Lösungen.
Hedgework: Eurizon ist ein etablierter europäischer Anbieter, der in Deutschland aber noch vergleichsweise unbekannt ist. Was macht das Unternehmen aus?
Jörg Ahlheid: Wenn man Eurizon ausspricht, schwingt da einerseits „Europa“ und andererseits der „Horizont“ mit. Das entspricht ziemlich genau unserer Vision. Überraschend dürfte für Viele auch sein, dass Eurizon vor über 30 Jahren gegründet wurde.
Hedgework: In Italien durch die Großbank Intesa Sanpaolo …
Ahlheid: … obwohl unsere Mutter die Bankengruppe Intesa Sanpaolo mit Hauptsitz in Mailand ist, sind wir seit jeher im Herzen Europas, nämlich in Luxemburg ansässig. Wir kümmern uns in erster Linie um die Administration von Fonds, vom Aufsetzen bis hin zum Vertrieb. Dafür ist Luxemburg natürlich prädestiniert.
Hedgework: Das ist in der Tat überraschend.
Ahlheid: Wenn wir mit Branchenvertretern aus Deutschland sprechen, überraschen wir darüber hinaus oft auch mit unseren Assets under Management. Wir verwalten aktuell rund 380 Milliarden Euro – inklusive der Beteiligung an dem chinesischen Asset-Manager Penghua (Stand: Dezember 2018, Anm. d. Red.) – und sind damit ein seit Langem etablierter Marktteilnehmer mit großer Erfahrung. Wir sind also alles andere als ein kleines Haus.
Hedgework: Wie unabhängig kann Eurizon angesichts der Wurzeln in der Intesa Sanpaolo sein?
Howard Luder: Wir sind zwar eine hundertprozentige Tochter, aber dennoch sehr unabhängig. Unser Mutterkonzern hat erkannt, dass es Sinn macht, eine internationale Wachstumsstrategie zu verfolgen. Diese Rolle nimmt Eurizon für die Intesa Sanpaolo ein. Wir greifen die bewährtesten Ansätze im Italien-Geschäft auf, übertragen diese auf den internationalen Markt und sind damit sehr erfolgreich.
Hedgework: Mit Verlaub – italienische Banken genießen zurzeit nicht den besten Ruf. Ist das für Eurizon ein Handicap?
Ahlheid: Nein, keineswegs. Wenn man sich die jüngsten Stresstests ansieht, werden die Anforderungen der Notenbank nicht nur erfüllt, vielmehr geht die Kapitalausstattung in vielen Fällen sogar weit darüber hinaus. Dies ist für uns als Asset-Manager, der international tätig ist, natürlich sehr wichtig. Zusätzlich überzeugt unsere Kunden der von Eurizon eingeschlagene Wachstumspfad. Gemessen am Wachstum der wichtigen Häuser in Europa zählten wir Ende 2017 – ETFs nicht berücksichtigt – nach Pimco und Blackrock zur Nummer 3. Dies schafft zusätzliches Vertrauen.
Hedgework: Was ist das Besondere an Ihrer Strategie, womit wollen Sie am deutschen Markt Aufmerksamkeit erregen?
Luder: Wir gehen sehr individuell vor. Wir unternehmen eine klare Kundensegmentierung. Es ist nicht so, dass wir ein Konzept auf alle Kunden übertragen wollen. Vielmehr liegt der Schlüssel zu unserem Erfolg in individuellen Lösungen. 2016 haben wir während der Niedrigzinsphase beispielsweise mit unserem Emerging Market Total Return Fund gepunktet, welcher weniger ein Schwellenländerinvestment ist, sondern eher eine Cash-Plus-Anlage, da wir viele Risikofaktoren eliminieren. In Zeiten niedriger Renditen kommt es entscheidend darauf an, Erträge aus bestimmten Märkten zu extrahieren und zugleich das Risiko unter Kontrolle zu halten. Mit solchen Produkten haben wir in den vergangenen Jahren überzeugt.
Hedgework: Lassen Sie uns bei Ihrer Anleihe-Strategie in Schwellenländern bleiben. Wie sieht die aus?
Luder: Wir setzen auf Kurzläufer aus Schwellenländern. Dann eliminieren wir das Währungsrisiko und vermindern das Zinsrisiko. Dabei können wir selektiv vorgehen, das heißt, wir können beispielsweise bestimmte Währungsrisiken bestehen lassen und so genau diejenigen Renditequellen anzapfen, die wir für nötig halten. All das ist aber kein Muss. Wenn die Aussichten für vielerlei Faktoren positiv sind, sichern wir diese auch nicht ab. Investoren profitieren dann relativ umfassend von der Anlageklasse der Schwellenländeranleihen.
Hedgework: Mit welchen Argumenten können Sie zusätzlich überzeugen?
Ahlheid: Deutsche Kunden sind sehr risikoavers und auf der institutionellen Seite stark von Versicherungen und Pensionskassen geprägt. Diese Investoren mögen bewährte Strategien, die schon lange am Markt sind. Genau diese Ansätze können wir bieten. Da wir zudem in 20 Ländern tätig sind, können wir auch über den Tellerrand blicken und neue Trends und Entwicklungen aufgreifen. Wir vereinen also das Bewährte mit dem Innovativen.
Hedgework: Reicht das schon als Alleinstellungsmerkmal?
Luder: Hinzu kommt unsere Größe. Wer mit uns zusammenarbeitet, kann sich darauf verlassen, dass wir Marktverwerfungen trotzen können. Wir sind ein langfristig orientierter, starker Partner für unsere Kunden. Wir erfüllen zudem gängige Standards, sind GIPS-compliant und haben uns nachhaltigen Anlagestrategien verpflichtet. Um das, was Eurizon darstellt, auf einen Punkt zu bringen, bemühe ich gerne den italienischen Begriff „Appartenenza“. Das heißt so viel wie Zugehörigkeit. Unsere Fondsmanager springen nicht von Arbeitgeber zu Arbeitgeber. Viele sind sehr lange im Team, was für eine gewisse Konstanz steht. Es ist diese gewachsene Einheit, die Eurizon als Unternehmen auszeichnet und von der auch Kunden profitieren können.
Hedgework: Trotzdem gab es in den vergangenen Jahren immer auch Zukäufe. Welche Rolle spielen diese für Eurizon?
Ahlheid: Das ist richtig. Wir haben immer wieder spezialisierte Investment-Boutiquen erworben. Wichtig war uns dabei, dass die Partner eigenständig arbeiten und zu unserer Philosophie passen. Wir haben diese Zukäufe nicht einfach integriert und Prozesse eingeebnet. Vielmehr haben wir es verstanden, die Eigenständigkeit der Boutiquen zu erhalten. Aus diesem Grund haben wir heute auf der ganzen Welt Experten mit einer unabhängigen Marktsicht. Auch davon profitieren unsere Kunden. Beispielsweise haben wir Partner in London oder Mailand und eine Niederlassung in Hongkong.
Hedgework: Wie schaffen Sie es, angesichts der internationalen Ausrichtung zugleich familiär zu bleiben?
Luder: Wir führen einen intensiven Dialog.Fusionen und Übernahmen müssen keinen Bruch darstellen. Beispielsweise haben wir Partner in London mit großer Expertise in Währungen. Obwohl wir in Mailand einen Top-down-Ansatz verfolgen, bleiben die Kollegen in London bei ihrem eigenen Ansatz. Dies schafft Vertrauen und kann für das gesamte Unternehmen eine große Bereicherung sein. Hinzu kommt, dass Boutiquen, die wir übernommen haben, auch schnell ein Mitspracherecht auf der gesamten Unternehmensebene bekommen. Da wir diese Kultur leben und nicht nur davon reden, fühlen sich alle unsere Mitarbeiter wohl bei uns. Viele Teams arbeiten seit Jahren zusammen.
Ahlheid: Hinzu kommen effektive Strukturen. Wir versuchen, Prozesse so stringent wie nur möglich zu gestalten. Der Weg zu Entscheidungsträgern steht unseren Mitarbeitern immer offen. Das gilt übrigens auch für unsere Kunden. Während andere Häuser zwischen Fondsmanager und Kunde weitere Instanzen etabliert haben, pflegen wir den direkten Kontakt. „Appartenenza“ als der bereits zitierte Zusammenhalt bezieht sich nicht nur auf Eurizon an sich, sondern auch auf die Kunden. Wir sitzen alle in einem Boot und sollten auch an einem Strang ziehen.
Hedgework: Sie lassen also Ihren Abteilungen viel Raum für Individualität. Wo aber fließen die großen Leitlinien der Volkswirte aus Mailand ein?
Ahlheid: Wir haben Produkte unter der Marke Eurizon sowie auch die Reihe der Epsilon Funds. Letztere agieren streng nach einem eigenen Top-down-Ansatz und einem aktiven Portfoliomanagement. Da wir diese Strategien wegen ihrer Individualität erworben haben, macht es keinen Sinn, in einen funktionierenden Prozess einzugreifen. Diese Fonds haben einen Track Record seit 1997. Hier sehen wir keinen Änderungsbedarf. Eurizon selbst ist auf der Fixed-Income-Seite sehr stark. Hier kommen ebenfalls Prozesse zum Tragen, die natürlich gewachsen und ebenso sinnvoll sind. Diese sind zwar stringent, aber weniger hierarchisch als anderswo.
Hedgework: Um sich stärker in Deutschland zu etablieren, müssen Sie auch hierzulande auf den Anleger zugehen. Wie sieht Ihre Strategie aus?
Ahlheid: Im ersten Schritt sprechen wir Produktentscheider auf der Ebene von Dachfonds, dem Depot A von Banken oder im Deckungsstock von Versicherungen an. Hinzu kommen Family Offices und Pensionskassen, Kirchen und Versorgungswerke. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass wir diesen Investorengruppen gute Lösungen bieten können. Als letzten Schritt könnten auch Privatkunden profitieren. In Italien haben wir bereits einige Retail-Produkte im Markt.
Hedgework: Wie wollen Sie die deutschen Profis zu Kunden machen?
Luder: Natürlich freuen wir uns über jede große Pensionskasse, die unser Kunde wird. Allerdings verstehen wir auch, dass eine solche Entscheidung Zeit benötigt und es darauf ankommt, dass sich beide Seiten kennenlernen. Hinzu kommen bestimmte Prozesse, die von Akteur zu Akteur unterschiedlich sind. Um die Entscheidung zu erleichtern, stellen wir unsere Produkte in den Vordergrund. Uns geht es weniger darum, den besten Europa-Fonds anzubieten. Stattdessen setzen wir auf konkrete Lösungen. Beispielsweise kann es dabei um Dividendenerträge gehen, die wir aus dem Markt extrahieren und zugleich das Risiko gering halten. Das sind Produkte, die von Investoren stark nachgefragt werden und die am Ende die beste Überzeugungsarbeit leisten.
Hedgework: Wie gehen Ihre Kunden überwiegend vor? Setzen sie auf ganzheitliche Lösungen oder eher auf einzelne Produktbausteine?
Luder: Mittelgroße Pensionskassen suchen meist Multi-Asset-Ansätze. Hier haben wir eine breite Palette an Strategien und können ganzheitliche Lösungen anbieten. Große Pensionskassen funktionieren aber oft anders und suchen individuelle Angebote. Diese können wir mit unseren bewährten Strategien bieten.
Hedgework: Welche Ansätze sind zurzeit besonders gefragt?
Ahlheid: Neben Bonds aus China schauen Kunden auf eine flexible globale Dividendenstrategie. Dabei kaufen wir 60 Titel aus dem S & P 500 und 60 Titel aus dem MSCI Europe. Die Aktienquote steuern wir unter anderem nach dem CAPE-Shiller-Modell und gehen dabei sehr marktkonträr vor. Titel mit einem regelmäßigen Dividendenertrag werden bevorzugt. Die Strategie kommt am Markt so gut an, dass der Fonds inzwischen schon rund zehn Milliarden Euro schwer ist.
Hedgework: Welche Rolle spielt denn China für Eurizon?
Luder: Neben unseren gefragten China-Strategien sind wir auch an einem chinesischen Asset-Manager beteiligt, der seinerseits rund 75 Milliarden Dollar verwaltet. Unser Team kann jeden Morgen direkt in China anrufen und sich mit den Kollegen dort austauschen.
Hedgework: Und die Anlagechancen?
Luder: Wir glauben, dass die chinesischen Märkte langfristig eine große Rolle spielen werden. Die Konzentration von Kapital und auch das Marktpotenzial sind dort sehr groß. 30 Prozent des chinesischen Bruttoinlandsprodukts ist in Barmitteln hinterlegt. Dies zeigt, wie stark es um die Liquidität dort bestellt ist. China wird schon bald gemeinsam mit den USA die führende Wirtschaftsnation sein. Mit unserer bisherigen Ausrichtung werden wir diesem Trend schon heute gerecht.
Hedgework: Welche weiteren Produktspezialitäten haben Sie im Angebot?
Ahlheid: Wir sind stark im Bereich ESG engagiert, zum Beispiel in Green Bonds. Hier sind wir 2018 verstärkt aktiv geworden und werden zunehmend von Marktteilnehmern angesprochen. Ein weiteres Feld sind Strategien, welche die Volatilität ins Zentrum stellen. Viele Märkte könnten für Investoren attraktiv sein, sind aber zu volatil. Wir können die Volatilität reduzieren. Beispielsweise machen wir das mit unserem Equity World Smart Volatility Fund. Solche Produkte werden den Anforderungen professioneller Portfoliomanager gerecht und bieten passgenaue Lösungen, die sich auch auf der Kostenseite nicht vor ETFs verstecken müssen.
Das Interview führte Hedgework-Redakteur Ronny Kohl
Vita: Howard Luder verantwortet das Geschäft für Eurizon Asset Management in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Er bringt die Erfahrung von über 20 Jahren bei führenden globalen Asset-Managern wie Morgan Stanley und Barings ein.
Jörg Ahlheid verantwortet den Vertrieb für Eurizon Asset Management in Deutschland und Österreich. Mit über 25-jähriger Erfahrung war er in gleicher Position für namhafte Asset-Manager wie M & G, Morgan Stanley, LGT und LFDE tätig.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 01/2019
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