Was Russlands Zahlungsunfähigkeit für die Schwellenländermärkte bedeuten könnte

- Ben Robins
- T. Rowe Price
FRANKFURT – Die Herabstufung russischer Staatsanleihen hat nicht nur die wirtschaftliche Lage Russlands verschärft, sondern auch zu Verkäufen von Emerging-Markets-Anleihen geführt. Der Inflationsdruck könnte überdies dazu führen, dass die Schwellenländer die Zinsen stärker anheben und länger hochhalten, fürchtet Ben Robins von T. Rowe Price.
Ab hier folgt der unredigierte Marktkommentar von Ben Robins, Portfolio-Spezialist für Schwellenländeranleihen beim U.S. beim Vermögensverwalter T. Rowe Price:
„Nach zahlreichen Spekulationen über einen möglichen Zahlungsausfall hat Russland die fälligen Tilgungen für zwei seiner Dollar-Anleihen beglichen. Das beruhigte die Märkte zeitweise und der Anleihekurs stieg wieder. Allerdings ist dies kein verlässlicher Indikator dafür, was mit den anderen russischen Fremdwährungsanleihen passieren wird.
Der andauernde Ukraine-Krieg hat dazu geführt, dass die russischen Staatsanleihen in Fremdwährung rasch auf ein Niveau gefallen sind, das einen Zahlungsausfall sehr wahrscheinlich macht. In den letzten Wochen haben alle großen Rating-Agenturen russische Staatsanleihen von Investment Grade auf Junk herabgestuft.
Die westlichen Regierungen haben strenge Wirtschaftssanktionen verhängt und im Zuge dessen etwa die Hälfte der Vermögenswerte der russischen Zentralbank eingefroren. Damit hat der Westen die russische Wirtschaft isoliert und erheblichen Druck auf die Finanzmärkte und den Rubel ausgeübt, der bereits auf ein Rekordtief gefallen ist.
Was sind die Auswirkungen auf die Märkte?
Auf Russlands Auslandsanleihen dürften die Ereignisse kaum Auswirkungen haben. Diese Anleihen wurden ohnehin zu extrem niedrigen Kursen gehandelt, die auf eine hohe Ausfallwahrscheinlichkeit hindeuten. Die Entwicklungen könnten die Aufmerksamkeit allerdings auf die Ukraine lenken, wo die Behörden darauf bestehen, dass die Auslandsschulden vorerst weiter bedient werden. Wir sind jedoch der Meinung, dass die Ukraine letztendlich wahrscheinlich eine Art Umschuldung vornehmen muss.
Generell dürften die Schwellenländermärkte bis auf weiteres volatil bleiben. Die Spreads von Schwellenländeranleihen haben sich in letzter Zeit ausgeweitet, da die Stimmung der Anleger sowohl durch die Ukraine-Krise als auch durch die Aussicht auf eine Straffung der Geldpolitik durch wichtige Zentralbanken wie die US-Notenbank beeinträchtigt wurde. Aus dem Grund waren Emerging Markets (EM)-Anleihen von Abflüssen betroffen. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Trend in nächster Zeit fortsetzen wird.
Wir sind der Ansicht, dass die jüngste Ausweitung der Spreads dazu beigetragen hat, die Bewertungen in anderen Bereichen der Schwellenländeranleihen zu verbessern. Daher bleiben wir konstruktiv für diese Anlageklasse. Wir nähern uns Rendite- und Spread-Niveaus, die Schwellenländeranleihen im Vergleich zu anderen Bereichen der festverzinslichen Wertpapiere attraktiv machen.
Was sind die makroökonomischen Auswirkungen?
Die jüngsten Entwicklungen bei russischen Anleihen verschlimmern den bereits schlechten Zustand der russischen Wirtschaft. Durch die Sanktionen wird Russlands Wirtschaft erheblich schrumpfen. Unserer Meinung nach gibt es zwei Hauptkanäle, über die die Situation in der Ukraine auf die Schwellenländer übergreifen kann: Rohstoffpreise und Finanzströme.
Für Rohstoffimporteure wie Indien sind steigende Rohstoffpreise ein negativer Handelsschock, der wahrscheinlich Einkommen aus der Wirtschaft abziehen, Inflation fördern und zu einer Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit führen wird. Für Rohstoffexporteure wie Brasilien sind steigende Rohstoffpreise ein positiver Schock, der wahrscheinlich die Wirtschaftstätigkeit und die Kreditvergabe ankurbeln wird.
Der Inflationsdruck wiederum könnte dazu führen, dass die Zentralbanken der Schwellenländer die Zinsen stärker anheben und länger auf einem hohen Niveau halten werden. Bislang hat dies nur zu einer bescheidenen Preisanpassung der lokalen Zinssätze in den Schwellenländern geführt, da aggressive Zinserhöhungen bereits bis zu einem gewissen Grad eingepreist waren.
Die derzeitige Krise führte zu Abflüssen aus Schwellenländeranleihen. Wir prüfen derzeit, wie sich die Entscheidung von J.P. Morgan, Russland am 31. März aus seinen EM-Benchmarks zu streichen, auf andere Schwellenländer auswirken könnte. Bei den Auslandsschulden der Schwellenländer wird sich die Umverteilung von Russland gleichmäßig auf eine Reihe von Ländern verteilen; bei den lokalen Schuldtiteln der Schwellenländer wird sie stärker konzentriert sein, wobei vor allem Brasilien, Thailand und Malaysia Marktanteile gewinnen werden.
Was werden wir als nächstes beobachten?
Für die betroffenen Anleihen gilt eine rückzahlungsfreie Zeit von 30 Tagen, bevor ein Zahlungsausfall erklärt werden kann. In den kommenden Wochen werden Zahlungen für weitere russische Auslandsanleihen fällig. Da in den kommenden Wochen Kupon- und Fälligkeitszahlungen für andere russische Auslandsschulden anstehen, rechnen wir mit weiteren Ankündigungen und Schlagzeilen zu diesem Thema.
Weiterhin gehen wir davon aus, dass sich der Krieg in die Länge zieht. Die Stimmung kann sich ändern, wenn eines der beiden Extremrisiken eintritt – entweder gibt es Anzeichen für eine Lösung des Konflikts, was die Stimmung verbessert, oder die Situation verschlechtert sich, was die Stimmung weiter drückt.“