Warum Risikomanagement heute so wichtig ist!

- Kay-Peter Tönnes
- Antecedo Asset Management
FRANKFURT – „Es ist nicht so, dass Risikomanagement früher nicht wichtig gewesen wäre“, sagt Kay-Peter Tönnes von Antecedo AM. Doch mehr und mehr werde ihm die entscheidende Bedeutung über langfristige Erfolge in der Kapitalanlage zukommen. „Der Grund hierfür ist einfach“ Unsere ökonomische Welt ist nicht mehr die, die sie einmal war!“
Ab hier folgt der Marktkommentar von Kay-Peter Tönnes, Geschäftsführer bei Antecedo Asset Management:
„Lange Zeit, zwischen 1945 und den 90er-Jahren, wurde die Weltökonomie von den westlichen Industriestaaten, die unter sich ein hinreichend funktionierendes System geschaffen hatten, bestimmt. Hierauf folgte die Globalisierung, die das größte Reichtums-Programm der Menschheitsgeschichte war. Doch die Gemeinsamkeit, zusammen mehr zu erreichen, ist zerbrochen. Heute stehen nicht mehr gemeinsame Ziele, sondern nationaler Egoismus im Vordergrund. Das Denken in Einflusssphären, Handelsbilanzüberschüssen, Zugriff auf Rohstoffvorkommen, der Erhalt nationaler Arbeitsplätze oder auch ganz profan eine größere machtpolitische Stellung der eigenen politischen Gruppe stehen im Vordergrund.
Diese zuvor genannten Faktoren gehören nicht zum klassischen ökonomischen Repertoire aus Aufschwung, Inflation und Rezession. Diese Faktoren greifen direkt in die grundlegende ökonomische Ordnung ein. Solche Veränderungen können Auswirkungen haben, die weit schlimmer sind als normale Krisen und von denen sich die Wirtschaft und die Börsen auch nach 10 Jahren nicht wieder erholt haben.
Es ist unmöglich alle denkbaren Krisen zu benennen, die sich aus einer instabilen globalen Ordnung ergeben, doch wir wollen uns des Instruments der Fiktion bedienen, um Beispiele aufzuzeigen, wie eine globale Wirtschaftskrise entstehen könnte. Fiktion bedeutet hier, wir sagen nicht, dass es so kommen wird, aber denkbar wäre es schon.
Angenommen die chinesische Regierung käme zu der Überzeugung, dass ein Zusammenbruch des chinesischen Immobilienmarktes und des Bankensystems nur durch die vollständige Verstaatlichung begegnet werden kann. Dann müsste hierfür eine gigantische Menge Notenbankgeld frisch geschaffen werden. Damit diese Geldmenge nicht abfließt, müssten noch rigidere Kapitalkontrollen stattfinden. Die chinesische Währung würde vermutlich einen ähnlichen Kursverlauf wie die türkische in den letzten Jahren nehmen. Der Import von Gütern aus dem Ausland würde dramatisch einbrechen und Auslandinvestitionen in China würden massiv an Wert verlieren. Was ein solches Szenario auch für uns bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen. Als Risikomanager stellt sich mir die interessante Frage: Wie viel China-Risiko steckt denn, beispielsweise, in einer europäischen Bankschuldverschreibung?
Aber auch für die andere Supermacht, die USA, ist ein Hochrisikoereignis denkbar. Was wäre, wenn Donald Trump schon vor der Präsidentschaftswahl zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt würde und er sich dem Richterspruch durch Flucht in einen ihm wohlgesonnen Bundesstaat entziehen würde. Der Trump anhängende Gouverneur dieses Bundesstaates würde, mit Verweis auf die stattfindende „Hexenjagd“, die Strafverfolgung Trumps verhindern. Es würde dann nicht zum Bürgerkrieg kommen, aber die Zentralregierung würde wohl finanzielle Sanktionen gegen die Trump unterstützenden Bundesstaaten verhängen. Wie in einer solchen Situation noch ein Bundeshaushalt oder die Ende 2024 wieder anstehende Erhöhung des Schuldenlimits der USA verabschiedet werden sollten, ist dann mehr als fraglich.
Und auch in Europa fällt es uns nicht schwer, Risiken für den Bestand der europäischen Union zu finden. Angetrieben von dem fortschreitenden Klimawandel wird der Migrationsdruck immer weiter zunehmen. Ohne eine zumindest hinreichende Lösung dieses Problems wird der anhaltende Zulauf zu rechten Parteien anhalten, die grundsätzlich nationalstaatliche Lösungen für die besseren halten. Spätestens wenn der Ressemblement National in Frankreich an die Macht kommt und mehrere andere Länder der EU von stramm nationalen Bewegungen geführt werden, ist die EU, wie wir sie kennen, Geschichte.
Ich sage nicht, dass dies alles so kommen wird, aber möglich ist es schon und noch viele weitere Risikoszenarien, bis hin zu einem Krieg, sind heute denkbar. Das Problem ist, dass in einer Welt ohne akzeptierte Ordnung und mit politischen Anführern, die für sich selbst und ihre Anhänger das Meiste aus jeder Situation herausholen wollen, auch die Kapitalanlage zu einer sehr gefährlichen Angelegenheit wird. Das ist der Grund, warum ich glaube, dass Risikomanagement so wichtig geworden ist.“