Vier Gründe, die für Small- und Mid-Caps aus den USA sprechen

- Bob Kaynor
- Schroders
FRANKFURT – Attraktive Bewertungen, ein diversifiziertes Engagement und ein vergleichsweise günstiges wirtschaftliches Umfeld bedeuten, dass mittelständische US-Unternehmen in einer unsicheren Zeit für die globalen Märkte Chancen bieten, sagt Bob Kaynor von Schroders.
Ab hier folgt der Marktkommentar von Bob Kaynor, Leiter US Small & Mid Cap Equities bei Schroders:
„Die US-Wirtschaft ist offenbar widerstandsfähiger als die anderer Länder, was zum Teil auf ihre Unabhängigkeit bei Öl und Gas zurückzuführen ist. Aber es gibt außerhalb des Energiesektors durchaus weiteren Inflationsdruck, der schwer zu absorbieren sein wird, und die Zinssätze steigen schneller als in anderen Regionen, was zu einem Abschwung oder sogar einer Rezession führen kann. Allerdings ist die Wirtschaft immer noch stabiler als in anderen Industrieländern.
Diese Stabilität macht US-Aktien in einem zunehmend unsicheren Umfeld attraktiv. Sie werden zwar mit einem Bewertungsaufschlag gegenüber anderen Regionen und insbesondere Europa gehandelt, aber dieser stammt hauptsächlich von einer kleinen Gruppe der größten Komponenten im S&P 500.
Warum sind Small- und Mid-Caps so attraktiv?
Die stärker binnenorientierten US-Small- und Mid-Caps sind indes nicht überbewertet. Sie bieten ein diversifiziertes Engagement in der breiten Wirtschaft. Viele dieser Unternehmen sind für ihr Wachstum nicht auf das Ausland angewiesen und daher bis zu einem gewissen Grad vor den zunehmenden geopolitischen Spannungen, die voraussichtlich die künftigen globalen Allianzen, Handels- und Investitionsströme prägen werden, immun.
Tatsächlich könnten einige dieser Unternehmen direkte Nutznießer einer stärker regionalisierten Weltwirtschaft sein, da die US-Behörden den Herstellern Anreize bieten, ihre Geschäftstätigkeiten ins Inland zurückzuverlagern. Eine Reihe jüngster Gesetzesänderungen treibt eine neue Investitionswelle voran, die vergleichbare Initiativen in anderen Ländern in den Schatten stellt.
Und vergessen wir nicht, dass angesichts der Größe der US-Wirtschaft selbst „kleine“ US-orientierte Unternehmen im internationalen Vergleich groß sind. Dies ist wichtig in einer Zeit, in der Anleger wieder risikobewusster werden, da die Liquidität aufgrund steigender Zinsen knapper wird, was verschiedene Belastungen verursacht.
Mit Marktbewertungen von bis zu 20 Milliarden US-Dollar sind US-Small- und Mid-Caps jedoch eine oft gehandelte und liquide Anlageklasse. Außerdem bieten sie Anlegern im Vergleich zu US-Large-Caps wesentlich mehr Möglichkeiten zur Wertsteigerung. Dies ist das Resultat eines erstaunlichen Rückgangs der Sell-Side-Coverage für Unternehmen, die nicht im S&P 500 enthalten sind.
Sell-Side-Coverage ist das Research, das von Investmentbanken veröffentlicht wird, die mit dem Verkauf von Unternehmen an potenzielle Käufer beauftragt sind. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Small- und Mid-Caps mit einem Wert von 1 Milliarde US-Dollar in den USA nur von wenigen Sell-Side-Analysten abgedeckt werden. Der daraus resultierende Mangel an Informationen kommt erfahrenen Stockpickern mit starken Ressourcen zugute.
Unterdessen könnte dies ein interessanter Zeitpunkt für Investitionen in US-amerikanische Small- und Mid-Caps sein, deren Bewertungen bereits einen Gewinnrückgang von 25 % bis 40 % einpreisen. Ein solcher Rückgang würde demjenigen in der Rezessionsphase nach der globalen Finanzkrise entsprechen. Wir haben es hier also mit einer Menge Pessimismus zu tun.
Darüber hinaus erholen sich diese konjunkturell sensibleren oder „zyklischen“ Bereiche des Marktes in der Regel lange bevor die „Erholungsphase“ des Konjunkturzyklus tatsächlich bestätigt wird, was uns daran erinnert, dass die Märkte keine Volkswirtschaften sind.
Diese Bereiche entwickeln sich beispielsweise verglichen mit Technologieriesen, die langfristigen Wachstumstrends ausgesetzt sind, die von etablierten disruptiven Kräften verursacht werden, anders und tendieren zu unterschiedlichen Phasen des Zyklus stark.
Grund Nr. 1: Führung unter den US-Aktien dürfte sich im nächsten Konjunkturzyklus ändern
Die Large-Cap-Bereiche des Marktes haben sich in den letzten Jahren, das heißt während der lange andauernden, von einem niedrigen, aber stetigen Wachstum, niedrigen Inflationsraten und niedrigen Zinssätzen geprägten Phase nach der Finanzkrise im Jahr 2008, sehr gut entwickelt. Gegen Ende dieses Zeitraums galt dies sogar noch in einem extremeren Maße. Als Folge davon hat sich der S&P 500 stärker auf Wachstumssektoren wie IT konzentriert als zu jedem anderen Zeitpunkt seit dem Jahr 2000 (vor dem Platzen der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsblase (TMT)). Unterdessen ist das Universum kleinerer US-Unternehmen nach wie vor gut diversifiziert. Einmal mehr werden die Bewertungen großer Technologieunternehmen vom Markt in Frage gestellt.
Nach dem Platzen der TMT-Blase im Jahr 2000 schnitten kleinere US-Unternehmen bis 2007 einige Jahre lang deutlich besser ab als größere Unternehmen. Dies könnte ein Hinweis auf die zukünftige Marktrichtung sein. Diese Outperformance kleinerer Unternehmen erfolgte in Jahren, als der Leitzins der Fed und das BIP sowohl stiegen als auch fielen. Diese beständige Outperformance in einer Zeit mit variierenden Bedingungen war auf einen niedrigen Ausgangspunkt von ohnehin niedrigen Bewertungen zurückzuführen und wurde durch ein starkes Gewinnwachstum unterstützt. Es gibt Ähnlichkeiten mit der heutigen Situation.
Grund Nr. 2: Small-Caps überflügeln möglicherweise bereits Large-Caps
Unter Umständen gibt es Anzeichen, dass bereits ein neuer Zyklus begonnen hat, in dem die Small-Caps die Führung übernehmen. Seit Ende Januar 2022 überflügeln US-Small- und Mid-Caps die Large-Caps. Dies ist in einer Zeit der Rezessionsängste ungewöhnlich, spiegelt aber teilweise wesentlich günstigere Bewertungen wider. Viele schlechte Nachrichten sind bereits in den Bewertungen eingepreist, die einen erheblichen Gewinnrückgang einkalkulieren (siehe auch Grund 3).
Grund Nr. 3: US-Small- und Mid-Caps preisen bereits viele schlechte Nachrichten ein
Basierend auf einem Vergleich ihrer erwarteten Kurs-Gewinn-Verhältnisse liegt die Bewertung von US-amerikanischen Small- und Mid-Caps im Vergleich zu Large-Caps auf beinahe historischen Tiefstständen, obwohl sie die Aussicht auf ein überlegenes Gewinnwachstum bieten. Das Gewinnwachstum war in den letzten Jahren immer wieder höher als bei Large-Caps – ohne dass dies jedoch von den Anlegern gewürdigt worden wäre.
Mit Blick auf einen von weniger Liquidität und mehr Volatilität geprägten Zyklus dürfte ein stabiles Gewinnwachstum allerdings belohnt werden, sodass Anleger bei der Auswahl von Small-Caps sehr wählerisch sein müssen.
Aufgrund der vor uns liegenden Risiken ist dies beispielsweise nicht der richtige Zeitpunkt, um Unternehmen zu kaufen, nur weil ihre Aktienkurse stark gefallen sind: Die billigsten Unternehmen können sich als die kostspieligsten Portfolioentscheidungen erweisen.
Grund Nr. 4: US-Small- und Mid-Caps profitieren von neuem Fokus der US-Innenpolitik
Außerdem werden Initiativen zur Rückverlagerung der Herstellungs- und Lieferketten in die USA und die Nachbarländer ein positiver Aspekt des nächsten Wirtschaftszyklus sein. Ein inländischer Investitionszyklus hat bereits begonnen, von dem wahrscheinlich das stärker im Inland exponierte Small- und Mid-Cap-Universum gegenüber Large-Caps profitieren wird. Dies wird durch eine Reihe von steuerlichen Initiativen unterstützt, die auf Landesebene verabschiedet werden, um das verarbeitende Gewerbe im Inland zu unterstützen. Das Geld, um das es geht, stellt Initiativen in anderen Ländern in den Schatten und dürfte eine neue Innovationswelle auslösen, insbesondere bei der Energiewende.
Das Engagement in US-Aktien bleibt eine wichtige Allokation in einem diversifizierten Anlageportfolio, aber es gibt Gründe, die Art und Weise wie Anleger investieren, zu überdenken. In den letzten fünf Jahren war es am besten, nur in den S&P 500 zu investieren. Die Dinge ändern sich jedoch. Es gibt inzwischen gute Gründe, in mittlere und kleinere US-Unternehmen zu investieren, die für ein sich veränderndes Marktumfeld attraktiver bewertet sind.
Die Marktführerschaft ändert sich, und es gibt einige Ähnlichkeiten mit der Zeit nach dem Platzen der TMT-Blase im Jahr 2000. Der Zeitraum 2000 bis 2007 war eine gute Zeit für Investitionen in mittlere und kleine US-Unternehmen sowie für aktives Management generell.“