Value-Aktien – Wenn nicht jetzt, wann dann?

  • Felix Schleicher
  • Value Asset Management

FRANKFURT — Value Investing bringt langfristig die höchste Rendite. Doch seit mehr als zehn Jahren eilen Wachstumsaktien den Value-Titeln davon – und zwar ziemlich deutlich. Eine Renaissance von Value wird zunehmend wahrscheinlicher. Von Felix Schleicher, Partner bei Value Asset Management.

Zwei große Lager gibt es bei Aktienanlegern: Die einen sind Anhänger von wachstumsstarken Unternehmen, selbst wenn diese recht teuer sind. Die anderen favorisieren stark unterbewertete Firmen. Die Anlagestile Growth und Value haben jeweils Phasen der Stärke und der Schwäche, kein Ansatz ist dem anderen immer überlegen, wenngleich langfristig Value doch recht deutlich die Nase vorne hat. In den vergangenen Jahren war dies jedoch genau umgekehrt.

Das Auf und Ab der Ansätze lässt sich gut anhand eines Value- und eines Growth-Fonds illustrieren. Der Classic Global Fonds der Schweizer Value-Boutique Braun, von Wyss & Müller rentierte von seinem Start Anfang 1998 bis Mitte 2007 mit stolzen 17,6 Prozent pro Jahr. Im selben Zeitraum legte der MSCI-Weltindex nur um 3,5 Prozent zu. Von Mitte 2007 bis April 2019 schaffte der Value-Fonds demgegenüber nur 3,8 Prozent per annum, während der Weltindex 6,2 Prozent abwarf.

Ganz anders der Fidelity Global Technologie Fonds als Vertreter der Wachstumskategorie, der in den vergangenen zehn Jahren erstaunliche 19,4 Prozent jährlich ablieferte, seinen Höchststand aus dem Jahr 2000 aber erst 2017 wieder erreichte. Seit Auflage der beiden Fonds vor 20 Jahren stehen in Summe jährliche 9,7 Prozent des Value-Fonds einem Jahresergebnis von 4,9 Prozent des Growth-Fonds gegenüber.

Value eher unpopulär

Die Ergebnisse decken sich mit Untersuchungen wie der von Orbis Investment, die seit 1990 Value bei 10,2 Prozent und Growth bei 5,8 Prozent jährlich sieht. Wie ist angesichts dieser Zahlen aber zu erklären, warum nur rund fünf Prozent der weltweit verwalteten Aktieninvestments den Value-Ansatz verfolgen? Eventuell durch Börsianerpsychologie.

Zum einen haben Wachstumsunternehmen wie Amazon, Facebook oder Netflix einen hohen Glamourfaktor zu bieten, deren Erfolgsgeschichten lassen sich den Kunden leicht erklären. Zum anderen müssen Value-Investoren bisweilen recht geduldig sein, bis ein ausgewählter Titel seine Unterbewertung aufholt, was in Phasen steigender Märkte besonders schwierig zu sein scheint. Dazu passt die Bemerkung des bekannten Investors Howard Marks, wonach Value Investing „simple but not easy“ sei. Zwar ist es relativ einfach, Aktien zu finden, die weit unter ihrem fairen Wert notieren. Diese dann aber so lange zu halten, bis sie angemessen bewertet sind, ist weitaus schwieriger.

Benjamin Graham gilt mit seinem 1934 erschienenen Buch „Security Analysis“ als Vater des Value Investing. Die Erfolge der weltbesten Investoren fußen auf Grahams Ansatz und untermauern die langfristige Überlegenheit des werthaltigen Anlagestils. In der Praxis hat das Value Investing freilich viele Ausprägungen. Graham konzentrierte sich noch ausschließlich auf niedrige Bewertungskennzahlen und Substanz. Sein Schüler Warren Buffett fügte indes qualitative Kriterien wie die Bedeutung von dominanten Marktpositionen und starken Marken hinzu. Allen Value-Interpretationen gemein ist aber die günstige Bewertung einer Anlage.

Growth-Anhänger investieren dagegen in Unternehmen, solange diese stark wachsen, gleichgültig wie teuer sie sind. Sobald das Wachstum nachlässt, sind diese Aktien aufgrund der ambitiösen Bewertungen aber anfällig für hohe Kursverluste wie die Jahre 2001 und 2002 eindrucksvoll beweisen. Selbst ein herausragendes Wachstumsunternehmen wie Amazon verlor damals mehr als 90 Prozent seines Börsenwerts.

Tempi passati – vergessen und vorbei. Seit 2007 macht der Growth-Ansatz das Rennen. Von kurzen Unterbrechungen abgesehen hinkt der Value-Stil dem Gesamtmarkt und dem Growth-Ansatz seit mehr als zehn Jahren hinterher – die längste Dürrephase von Value in der Börsengeschichte. Man könnte daher annehmen, dass Value Investing nicht mehr funktioniert. Wachstumsunternehmen wie Amazon oder Tesla dominieren in ihren Bereichen so stark wie nie zuvor und würden daher astronomisch hohe Bewertungen rechtfertigen. Dagegen sprechen freilich die Erfahrungen aus dem Platzen der TMT-Blase nach der Jahrtausendwende.

Wachstum zu Value-Konditionen

Mit ähnlichen Begründungen wie heute wurden seinerzeit Titel aus den Sektoren Technologie, Medien und Telekommunikation (TMT) fast zu jedem Preis gekauft. Mit der Folge, dass selbst die besten Aktien mehr als zehn Jahre brauchten, um sich von den bis 2002 aufgelaufenen Kursverlusten wieder zu erholen. „Dieses Mal ist alles anders“, scheinen viele Anleger zu denken. Doch schon der legendäre Asset-Manager Sir John Templeton warnte, dass dies die gefährlichsten fünf Wörter in der Börsengeschichte seien – und erhob das Gegenteil zu einer seiner Anlagemaximen.

Es ist freilich wichtig zu betonen, dass Value und Wachstum sich keineswegs ausschließen. Temporäre Schwierigkeiten führten etwa bei der Aktie von Microsoft von 2000 bis 2012 zu einem Rückgang des Kurs-Gewinn-Verhältnisses von 100 auf zehn. Aus einem völlig überteuerten Titel wurde eine attraktive Value-Aktie. Diese sind also keineswegs nur substanzstarke, wachstumsschwache Dinosaurier, wie fälschlicherweise oft behauptet wird.

In unserem Ansatz, den wir im MMT Global Value Fonds umsetzen, versuchen wir, hohe Qualität mit relativ niedrigen Bewertungen zu kombinieren. Aus einem Universum von erstklassigen Unternehmen wie Ryanair, Goldman Sachs oder Samsung Electronics investieren wir in die Titel, die günstige Bewertungskennzahlen aufweisen. Dazu gehören das Kurs-Gewinn-, Kurs-Umsatz- oder Kurs-Buchwert-Verhältnis. Wir kaufen deutlich unter den historischen Durchschnittswerten und warten dann auf die Rückkehr zu angemessenen Bewertungen, das sogenannte Reversion ot he Mean.

Fazit

Obwohl das Value Investing langfristig die höchsten Renditen verspricht, wenden nur wenige Investoren diesen Ansatz konsequent an. Das liegt vor allem an der Geduld, den der Value-Stil zeitweise fordert. Doch ist die Zeit gekommen, dann stellen sich die Renditen von Value-Anlagen meist sprunghaft ein. Die Bemerkung des bekannten Ökonomen Rüdiger Dornbusch passt dazu sehr gut: „In der Wirtschaft und an der Börse dauert es oft länger als man glaubt. Wenn es dann aber stattfindet, geht es schneller, als man es sich vorstellen kann.“
Die aktuelle Schwächephase von Value ist die bislang längste in der Geschichte. Eine Renaissance wird damit zunehmend wahrscheinlich. Wenn nicht jetzt, wann dann?

Vita:
Felix Schleicher ist seit Oktober 2010 Kooperationspartner der Value Asset Management GmbH in München. Nach Abschluss seines Studiums zum Diplom-Kaufmann war er von 1990 bis 2007 bei der FIDUKA Depotverwaltung GmbH tätig und arbeite mit Firmengründer André Kostolany über Jahre zusammen. Aus dessen enormem Erfahrungsschatz schöpft er noch heute.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2019
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