US-Dollar – der Safe Haven gerät weiter unter Druck

  • Tobias Frei
  • Bantleon

FRANKFURT – Die größere Zinsfantasie in der Eurozone – getragen durch weiterhin steigende Kerninflationsraten – sowie die Diskussion um die US-Schuldenobergrenze sollten den Dollar in den kommenden Monaten nachhaltig belasten, sagt Tobias Frei von Bantleon. Im weiteren Jahresverlauf könnte er allerdings wieder von seiner Stellung als sicherer Hafen profitieren.“

Ab hier folgt der Kommentar von Tobias Frei, Senior Portfolio Manager bei Bantleon:
„Seit den Höchstständen Mitte Oktober 2022 hat der US-Dollar gegenüber dem Euro um mehr als 9% an Wert verloren, handelsgewichtet gegenüber einem breiten Korb von Währungen um mehr als 5%. Ein Treiber war, dass auch die Notenbanken außerhalb der USA immer falkenhafter agierten, allen voran die EZB, die den Leitzins für die Eurozone um 225 Basispunkte anhob, während die Fed den US-Leitzins im selben Zeitraum nur um 75 Basispunkte anhob.

Rezessionsgefahren

An diesem übergeordneten Abwärtstrend änderte auch die zeitweise Dollar-Erholung im Februar nichts, die von unerwartet robusten US-Konjunkturdaten sowie der Enttäuschung über die nur leicht gesunkene Inflation in den USA ausgelöst und von inflationskritischen Fed-Kommentaren getragen wurde. Mit den beiden US-Bankpleiten – Silicon Valley Bank und Signature Bank – gibt es nun jedoch erste öffentlichkeitswirksame Anzeichen, wie sich die Zinserhöhungen der Fed, die vor einem Jahr begannen, über das Bankensystem in die Realwirtschaft übertragen. Ein durchwachsener Arbeitsmarktbericht unterstreicht zusätzlich unsere Prognose, dass die US-Wirtschaft bereits im 2. Quartal in die Rezession rutschen sollte.

Das gleiche Schicksal wird zwar auch die Eurozone ereilen. Aufgrund der anziehenden Kerninflation dürfte die EZB aber trotz eines konjunkturellen Abschwungs die Leitzinsen nochmals im Mai um 25 Basispunkte erhöhen. Kurzzeitige Überraschungen bei der Jahresveränderungsrate der Kerninflation, die im März sogar über 6,0% steigen könnte, sind nicht auszuschließen und werden die Zinserhöhungsfantasie zusätzlich befeuern. Erste Zinssenkungen aufgrund der aufziehenden Rezession und systemischer Risiken im Bankensektor sehen wir ab Juli dieses Jahres. Die größere Zinsfantasie in der Eurozone sollte in den kommenden Monaten weiterhin den Euro stützen.

Schuldenobergrenze des US-Haushalts

Zusätzlichen Druck auf den Dollar könnte das Erreichen der Schuldenobergrenze des US-Haushalts auslösen: Dem US-Finanzministerium wird voraussichtlich im Juli das Geld ausgehen. Während Präsident Joe Biden das republikanisch dominierte Repräsentantenhaus und den demokratischen Senat formal in der Pflicht sieht, die statuarische Obergrenze zu erhöhen, dürfte die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus Schuldenkonsolidierungsmaßnahmen fordern. Die US-Politik ist polarisiert wie nie zuvor, sodass auch eine parteiübergreifende Einigung im gespaltenen US-Kongress unwahrscheinlich ist. Die Schwäche des republikanischen Sprechers Kevin McCarthy, der erst nach erheblichen Zugeständnissen an den radikalen Flügel seiner Partei im 15. Urnengang gewählt wurde, verschärft die Situation zusätzlich.

Um das Abwärtspotenzial des Dollars infolge einer Fiskalkrise abschätzen zu können, lohnt ein Vergleich mit der „Debt Ceiling Crisis“ im Jahr 2011. Damals hatte der Dollar gegenüber einem breiten handelsgewichteten Währungskorb in den acht Monaten ab dem Zeitpunkt der ersten Benachrichtigung durch das US-Finanzministerium bis zum Erreichen der Schuldenobergrenze 8% an Wert verloren. Ein ähnliches Szenario nimmt bereits der Markt für Kreditausfallversicherungen auf US-Staatsanleihen vorweg. Die Belastungsfaktoren für den Dollar dürften diesmal jedoch geringer sein, da wir anders als im Jahr 2011 nicht zusätzlich mit einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagenturen rechnen.

Die größere Zinsfantasie in der Eurozone – getragen durch weiterhin steigende Kerninflationsraten – sowie die Diskussion um die US-Schuldenobergrenze sollten den Dollar in den kommenden Monaten nachhaltig belasten. So könnte der Euro bis zum Sommer 2023 in den Bereich zwischen 1,13 und 1,15 Dollar je Euro vorstoßen. Im weiteren Jahresverlauf dürfte der Dollar allerdings wieder von seiner Stellung als sicherer Hafen profitieren. Im Zuge der von uns prognostizierten globalen Rezession wird sich ein Risk-off-Umfeld etablieren, das traditionell dem Dollar zugutekommt.“

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