Strukturelle Faktoren sorgen für anhaltenden Preisauftrieb

  • Axel D. Angermann
  • FERI

FRANKFURT – Die leicht gesunkene Inflationsrate in Deutschland im Januar bedeute keine generelle Entwarnung, weil der Rückgang einem positiven Basiseffekt zu verdanken ist, sagt FERI-Experte Axel D. Angermann. Allein der Wegfall des temporären Mehrwertsteuereffekts hätte die Inflationsrate um etwas mehr als einen Prozentpunkt auf 4,1 Prozent sinken lassen.


Ab hier folgt die unredigierte Markteinschätzung von Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe:

„Dass die heute veröffentlichte Inflationsrate mit 4,9 Prozent für Januar deutlich höher ausfällt, verdeutlicht die anhaltende Wirkung preistreibender Faktoren.

Höhere Energiepreise nur ein Teil des Problems

Mehr als zwei Prozentpunkte der Inflation im Januar 2022 entfallen auf die weiterhin hohen und zum Jahresbeginn nochmals deutlich gestiegenen Energiepreise, die bereits im vergangenen Jahr um 18 Prozent stiegen. Die erneute Anhebung der CO2-Steuer zum Jahresbeginn 2022 wirkt hier als zusätzlicher Preistreiber.
Ob und in welchem Ausmaß die Preise für Strom, Gas und Öl auf den Weltmärkten im Laufe des Jahres 2022 sinken werden, ist kaum abzusehen. Geopolitische Risiken und strukturelle Angebotsengpässe bei etlichen Rohstoffen lassen kaum erwarten, dass die Preise wieder auf das ursprüngliche Ausgangsniveau zurückkehren.
Der Preisauftrieb ist aber auch ohne Berücksichtigung der Energieverteuerung deutlich höher als in den Jahren vor der Pandemie. Gründe dafür sind zum einen Nachholeffekte insbesondere in Bereichen, die von der Pandemie besonders betroffen sind, wie etwa Pauschalreisen. Vor allem aber haben die Angebotsengpässe in den vergangenen Monaten eine erhebliche Verteuerung vieler Vorprodukte ausgelöst.
Der starke Anstieg der Erzeugerpreise in den letzten Monaten des Jahres 2021 lässt in dieser Hinsicht keine Entspannung erwarten: Im Dezember lagen die Erzeugerpreise um 24 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die Anbieter werden versuchen, höhere Kosten soweit wie möglich weiterzugeben, und angesichts einer hohen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage wird dies in vielen Fällen gelingen. Sowohl in der Industrie als auch im Einzelhandel und in den Dienstleistungssektoren erwartet eine große Mehrheit der vom Ifo-Institut befragten Unternehmen in den kommenden Monaten steigende Verkaufspreise, was schnell zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden könnte.

Inflation wird nicht so schnell wieder verschwinden

Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, dass die Inflationsrate in den kommenden Monaten nur sehr langsam sinkt – wenn überhaupt – und auch Mitte des Jahres noch deutlich über 3 Prozent betragen wird. Ob sie in der zweiten Jahreshälfte dann in Richtung der 2-Prozent-Marke fällt, dürfte neben der Entwicklung der Energiepreise vor allem davon abhängen, ob sich der allgemeine Preisauftrieb verfestigt. Strukturell höhere Inflationserwartungen der Bürger und daraus resultierende höhere Lohnforderungen sind jedenfalls ein realistisches Szenario. Die EZB bewegt sich mit ihrer bisherigen Position, dass die hohen Inflationsraten nur ein vorübergehendes Phänomen sind, auf immer dünner werdendem Eis.“

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