Steigende Preise sorgen für Innovationen in der Lebensmittelindustrie

- Clément Maclou
- Oddo BHF AM
FRANKFURT – Die Inflation hat mit voller Wucht auch den Lebensmittelsektor erfasst. Clément Maclou, Portfoliomanager für thematische Fonds bei Oddo BHF AM, rechnet daher damit, dass neue Technologien in der Lebensmittelbranche an Bedeutung gewinnen und so von den aktuellen Verwerfungen profitieren können.
Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung der Gesellschaft:
Der Nahrungsmittel-Preisindex der Vereinten Nationen, der 2021 bereits um 23,1% zugelegt hatte, ist zuletzt so stark gestiegen wie seit 1961 nicht mehr. Der Index misst unter anderem die Entwicklung der Weltmarktpreise für Fleisch, Milchprodukte, Getreide, Öle und Zucker. Neben den Corona-bedingten Faktoren wie unterbrochene Lieferketten, Logistikprobleme und ein hoher Nachholbedarf treiben auch der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland die Lebensmittelpreise in die Höhe.
„Kurzfristig werden wir – so viel scheint sicher – mit Inflation und Volatilität leben müssen“, sagt Clément Maclou, Portfoliomanager für thematische Fonds bei Oddo BHF AM. Die Inflation dürfte hoch bleiben, da auf Russland und die Ukraine zusammen 30 Prozent der Weizen- und 50 Prozent der Sonnenblumenölexporte entfallen. Vorerst dürften davon diejenigen Segmente profitieren, die von landwirtschaftlichen Einnahmen in US-Dollar abhängen, beispielsweise die Segmente Bewässerung, Maschinen, Düngemittel und partiell auch der Handel mit Agrarrohstoffen. „Im Gegensatz dazu besteht in Segmenten, die Nettoabnehmer von Rohstoffen sind, das Risiko sinkender Margen“, so Maclou. Dazu zählten beispielsweise Brauereien oder die Hersteller verpackter Lebensmittel.
Neue Technologien in der Lebensmittelbranche
Langfristig rechnet der Portfoliomanager damit, dass neue Technologien in der Lebensmittelbranche an Bedeutung gewinnen und so von den aktuellen Verwerfungen profitieren können. Die Einführung von Technologien, die Erträge steigern und zugleich Umweltauswirkungen verringern, könne sich beschleunigen. „Die Präzisionslandwirtschaft ist aus unserer Sicht gut positioniert. Ziel ist der optimale Einsatz von Düngemitteln, Wasser und Pestiziden im richtigen Moment und nur dort, wo sie benötigt werden.“ So ließen sich Ackerlandnutzung, Nahrungsmittelproduktion und Ressourceneffizienz maximieren und gleichzeitig die Umweltauswirkungen minimieren.
Im Labor erzeugte Lebensmittel
Noch klingt es wie Zukunftsmusik, aber: Auch im Labor erzeugte Lebensmittel könnten in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Insbesondere In-Vitro-Fleisch (auch Laborfleisch) steht vermehrt im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der erste essbare Hamburger-Bratling aus dem Labor entstand erst 2013 und kostete mehr als 300.000 Dollar. Seitdem geht die Entwicklung in großen Schritten voran, das wichtigste Ziel bestehe aber noch immer darin, Geschmacks- und Preisparität zu erreichen. Bezüglich der Preise seien bereits Erfolge zu verzeichnen. „So nannte das israelische Unternehmen Future Meat Technologies im Dezember 2021 einen Kilo-Preis für Hähnchenfilet von 17 US-Dollar, der Durchschnittspreis für Filet von ‚echten‘ Hühnern liegt bei 8 US-Dollar pro Kilo.“
Laut einer Studie sei eine große Mehrheit der Befragten bereit, In-Vitro-Fleisch selbst dann zu kaufen, wenn es 40 Prozent teurer wäre als herkömmliches Fleisch. Grund dafür sei neben dem Tierschutz der geringere ökologische Fußabdruck dieser neuen Technologie.
„Nach Angaben von Future Meat Tech führt die Produktionsmethode zu zehnmal höheren Erträgen als die herkömmlichen Verfahren, verursacht 80 Prozent weniger Treibhausgasemissionen und beansprucht 99 Prozent weniger Landfläche und 96 Prozent weniger Süßwasser – und das bei gleichem Nährwert wie herkömmliches Fleisch.“ Einzig der Stromverbrauch falle höher aus als bei „echtem“ Fleisch, das ließe sich aber mit der Nutzung erneuerbarer Energien kompensieren.
Ernährungssicherheit und Lebensmittelknappheit
Clément Maclou zieht daraus folgendes Fazit: „Laborfleisch kann eine leicht zugängliche und billige Eiweißquelle werden und dazu beitragen, die Probleme Ernährungssicherheit und Lebensmittelknappheit zu lösen, die sich in letzter Zeit durch die Corona-Pandemie und den Krieg in der Ukraine noch verschärft haben.“ Noch müsse man aber die Zulassung der Behörden abwarten – in den USA und Israel rechnen Branchenexperten noch 2022 damit.
Investmentchance
Investitionen in auf Laborfleisch spezialisierte Unternehmen an der Börse seien noch schwierig, man könne aber indirekt über Unternehmen wie ADM und Tyson, die beispielsweise in Future Meat Technologies investiert haben, an dem Trend partizipieren. „Langfristig wird die Beteiligung großer Lebensmittel- und Medizintechnikunternehmen entscheidend sein und die notwendigen Voraussetzungen für eine wirtschaftlich tragfähige Produktion von In-Vitro-Lebensmitteln in großem Maßstab schaffen“, schreibt Maclou.