„Special Situations Investments – Chancen im aktuellen Marktumfeld“

  • Ingo Matthey
  • M&G Luxembourg S.A

FRANKFURT – Das aktuelle Marktumfeld ist unter anderem durch steigende Rezessionsängste geprägt. Daraus ergibt sich die Frage, welche Investitionsmöglichkeiten und Chancen sich in diesem Umfeld für Special Situations Investments auftun? Ingo Matthey von M&G Luxembourg S.A. hat anlässlich des 197. Hedgeworks ausgeführt, wie Opportunitäten generiert und erfolgreich umgesetzt werden können.

Hedgework: Herr Matthey, wie würden Sie das aktuelle Umfeld an den Finanzmärkten umschreiben?
Ingo Matthey: Unsicher und volatil. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Der Krieg in der Ukraine hat einen Schock in der Rohstoffversorgung bewirkt und den schon bestehenden pandemiebedingten Inflationsdruck noch verstärkt. Überall auf der Welt haben die Zentralbanken geldpolitische Straffungsmaßnahmen ergriffen, und die Märkte stellen sich auf das Ende der Niedrigzinsen ein. Außerdem haben sich Anleiherenditen und Spreads ausgeweitet, weil die Märkte infolge hoher Inflation auf höhere Zinssätze setzen. An den Aktienmärkten kam die nach 2020 eingeleitete Erholung zu einem abrupten Stopp. Rohstoffe verteuerten sich drastisch, insbesondere Energie, mit entsprechenden Liquiditätsrisiken für betroffene Unternehmen. Auf der Verbraucherseite wiederum schlagen die wachsende gesamtwirtschaftliche Unsicherheit und geopolitische Risiken deutlich auf die Stimmung. Volatilität und Inflation werden vielen Verbrauchern zu schaffen machen – und das zu einer Zeit, in der die Ersparnisse der privaten Haushalte nach der Rekordhöhe während der Pandemie schon wieder gesunken sind.

Hedgework: Wie beurteilen Sie beispielsweise die Inflationsentwicklung?
Matthey: In vielen Ländern ist die Inflation so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Schon vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine schoben vielerorts steigende Energiepreise die Inflation an. Doch nun erfasst die Teuerung zusätzlich viele andere Bereiche außerhalb des Energiesektors, wie etwa Lebensmittel. Mit dem Einmarsch in die Ukraine hat Russland die Preise auf breiter Front in die Höhe getrieben und den Inflationsdruck verstärkt, der heute in den meisten großen Volkswirtschaften der Welt zu spüren ist und Realeinkommen unter Druck setzt, etwa in den USA, Großbritannien, Deutschland und Frankreich. Steigende Preise senken den Spielraum für Privathaushalte, Waren und Dienstleistungen zu erwerben. Die Zentralbanken reagieren mit Zinssteigerungen – doch höhere Kreditkosten können den inflationsbedingten Druck auf die Realeinkommen sogar noch verstärken.

Hedgework: Und wie steht es mit Ihren Erwartungen bezüglich einer möglichen Rezession?
Matthey: Niemand kann eine Rezession zuverlässig vorhersagen – doch das makroökonomische Umfeld und die Märkte legen das Risiko einer Rezession jedenfalls sehr nahe. Dazu gehören unterbrochene Lieferketten, Krieg in der Ukraine, hohe Inflation und hohe Zinssätze. In jedem Fall jedoch ist es zu früh, um abzuschätzen, wie stark eine mögliche Rezession ausfallen könnte. Alle Vorhersagen in dieser Richtung dürften durch die Erfahrungen der letzten beiden Rezessionsphasen verzerrt sein.

Hedgework: Wie lassen sich in einem solchen Umfeld Chancen nutzen?
Matthey: Wir gehen zwar davon aus, dass die Märkte in nächster Zeit sehr volatil bleiben werden, aber wir sehen nach dem jüngsten Kurseinbruch trotzdem Chancen für langfristige Anleger. Wer den Sturm der nächsten Monate überstehen kann, der sollte jetzt vor allem unterbewertete Gelegenheiten in jenen Teilen des Marktes nutzen, die derzeit aus dem Gleichgewicht geraten sind. Wenn am Markt ein breiter Ausverkauf stattfindet, werden Wertpapiere oft wahllos verkauft, ohne den inneren Wert, die operative Leistung oder die zukünftigen Aussichten zu berücksichtigen.

Hedgework: Wie suchen Sie die Titel, aus die für ein Special-Situations-Investments geeignet sind? Was sind die wichtigsten Faktoren?
Matthey: Wir versuchen, Investment Cases für Wertpapiere zu erstellen, die einen starken Kursverfall erlebt haben. Dazu beurteilen wir die langfristigen Aussichten im gegenwärtigen Umfeld und darüber hinaus und versuchen, Fragen wie diese zu beantworten: Wurden die Wertpapiere zu Recht neu bewertet? Entspricht der Marktpreis dem zugrunde liegenden Wert beziehungsweise seinen Aussichten? Die gründliche Bottom-up-Analyse auf Basis unseres hauseigenen Umstrukturierungs-Know-hows ermöglicht uns die Untersuchung nach technischen, rechtlichen, finanziellen und Stakeholder-Kriterien.

Hedgework: Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit dieser Strategie?
Matthey: Unser Team hat vier Vintage-Jahre unserer Flaggschiff-Fonds im Bereich Special Situations vollständig investiert. Das Team nutzt dabei einen fundamentalen Value-Ansatz und versucht, in Vermögenswerte zu investieren, die aufgrund finanzieller Krisen falsch bewertet sind. Dazu gehören Fälle vorübergehender Marktverwerfungen, Situationen, in denen eigentlich gesunde Unternehmen eine Bilanzsanierung benötigen, oder die Bereitstellung von Kapital, wenn traditionelle Finanzierungsquellen wie etwa Banken nicht zur Verfügung stehen.

Hedgework: Welche Rendite lässt sich damit dauerhaft seriös gerechnet verdienen?
Matthey: Das schwankt natürlich stark, aber Special-Situations-Anlagen können zweistellige Renditen erzielen. Damit einher geht freilich auch ein erhöhtes Risiko – höhere Erträge sind ohne höheres Risiko nun einmal nicht zu erreichen.

Hedgework: Welche Risiken gehen mit einer Special-Situations-Strategie typischerweise einher?
Matthey: Die Strategie setzt tiefgehendes Wissen darüber voraus, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen auf Unternehmen und ihre Stakeholder auswirken, da Unternehmen sich in einer Krise befinden und vor einer Restrukturierung stehen können.

Hedgework: Und wie grenzen Sie diese Risiken ein?
Matthey: Die Strategie konzentriert sich auf die Absicherung von Verlusten durch eine starke Deckung der Vermögenswerte oder solide Cashflow-Generierung. Wir investieren hauptsächlich in vorrangig besicherte Schuldtitel in Ländern mit starken Gläubigerrechten und streben attraktive risikobereinigte Renditen durch eine Kombination aus Kapitalzuwachs und laufenden Erträgen an. Dazu gehört auch die gründliche Bottom-up-Kredit-Analyse. Bei M&G sehen wir es als unsere Aufgabe an, die Produktexpertise unseres auf Restrukturierung und Special Situations spezialisierten Investmentteams mit der breiteren M&G-Fixed-Income-Plattform zu verzahnen. Dort verfügen wir über ein umfassendes Wissen über das Universum von Emittenten hochverzinslicher Anleihen und deren Sponsor-Beziehungen.

Hedgework: Können Sie sich ein Marktumfeld vorstellen, in dem es keine Special Situations gibt?
Matthey: Special Situations sind per Definition recht breit gefächert und nicht marktabhängig, so dass wir in der Lage sind, über den gesamten Zyklus hinweg zu investieren. Dazu können wir in ein breites Spektrum von Vermögenswerten investieren, von Unternehmenskrediten und -anleihen bis hin zu Immobilienprojekten.

Hedgework: Man muss demnach nur bisweilen energischer nach ihnen suchen. Welche Ressourcen stehen Ihnen dafür zur Verfügung?
Matthey: Unser Team verfügt über die erforderlichen Fachkenntnisse und Erfahrungen, um einzusteigen und Kapital bereitzustellen, wenn sich Chancen ergeben: Es ist eines der größten Special-Situations-Teams in Europa, das von mehr als 20 Restrukturierungsexperten geführt wird. Das Team arbeitet mit den größeren M&G-Teams für Fixed Income und Private Assets zusammen, um die besten Gelegenheiten bei börsennotierten Anlagen und privaten Märkten zu erschließen. Zum Vergleich: Die Private-Assets-Plattform von M&G ist der drittgrößte Kreditinvestor in Europa und der elftgrößte weltweit, mit 89 Milliarden Euro in Assets under Management und mit mehr als 430 Anlageexperten. Mit teamübergreifender Zusammenarbeit erschließen wir auch „schwer zugängliche“ Vermögenswerte, die unkorrelierte Renditen und/ oder die besten Renditen gemessen am Vermögenswert bieten.

Ingo Matthey ist als Head of Institutional Business Development von Frankfurt aus für die Entwicklung und den Ausbau der Kundenbeziehungen von M&G mit Versicherungen, Pensionskassen und Corporates in Deutschland zuständig. Er ist seit mehr als 20 Jahren in der Finanzindustrie tätig. Nach einer Banklehre schloss Ingo Matthey sein BWL-Studium an der Frankfurt School of Finance and Management ab. Er ist außerdem Chartered Alternative Investment Analyst.

M&G Investments ist ein globaler Asset Manager, der seine Kunden seit über 90 Jahren betreut, seit der Auflage des allerersten europäischen Investmentfonds im Jahr 1931. Durch langfristiges aktives Anlagemanagement bietet M&G Lösungen an, die sich auf das konzentrieren, was für die Kunden am wichtigsten ist. Zurzeit verwaltet M&G Vermögenswerte von über 386 Milliarden Euro (Stand 31. Dezember 2021) in Aktien, Multi-Asset, Anleihen, Immobilien und Barmitteln.

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