Sind Hedgefonds eine Alternative zu Aktien?

- Dr. Christoph Kind
- Marcard, Stein & Co
FRANKFURT – Aufgrund der weltweiten Zinssituation scheint nach Einschätzung von Dr. Christoph Kind, Manager bei Marcard, Stein & Co, am Aktienmarkt kein Weg vorbeizuführen – oder an Hedgefonds –, wobei Kind rät, diese eingehend unter die Lupe zu nehmen.
Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung der Gesellschaft:
„Die risikolosen Zinsen sind inzwischen auch in den USA real negativ geworden, so dass für Anleger nun endgültig kein Weg mehr am Aktienmarkt vorbeizuführen scheint. Theoretisch sollten Hedgefonds eine echte Alternative zu Aktien sein, da sie für sich in Anspruch nehmen, positive und marktunabhängige Erträge generieren zu können. Auf Indexebene weisen die meisten Strategien in diesem Jahr allerdings einen starken Zusammenhang zum Aktienmarkt auf. In der etwas längerfristigen Perspektive sind die risikoadjustierten Erträge jedoch besser als bei Aktien. Wer in diesem Segment dauerhaft erfolgreich investieren will, muss zudem die richtigen Stile und auch die richtigen Manager selektieren können.
Die Leitzinsen in den USA wurden in diesem Jahr in Folge der Corona-Krise auf einen historischen Tiefstand gesenkt. Auch die Renditen langfristiger US-Staatsanleihen sind deutlich gefallen und liegen inzwischen unter der US-Inflationsrate. Die Rendite bonitätsstarker Staatsanleihen ist damit praktisch in allen große Volkwirtschaften der Welt real negativ. Wer am Kapitalmarkt Geld verdienen will, muss also Risiken eingehen. Das geht am einfachsten am Aktienmarkt, und viele Alternativen dazu gibt es auch nicht mehr. TINA scheint das Erfolgsrezept bei der Aktienanlage geworden zu sein: „There is no alternative“.
Aber stimmt das wirklich? Hedgefonds erheben schließlich den Anspruch, positive Renditen unabhängig von der (Aktien-)Marktentwicklung durch reine Managerleistung erbringen zu können. Was in der Theorie so überzeugend klingt, hat in der Praxis jedoch oft nicht funktioniert. Der Markt ist zudem intransparent, die Produkte teuer und oft illiquide. Das Image ist eher schlecht („Heuschrecken“) und die Methoden eher anrüchig (Hebelung durch Fremdkapitalfinanzierung). Schwarze Schafe gibt es auch. Bernie Madoff, der betrügerische und verurteilte Vermögensverwalter aus New York, wird von manchen (nicht wirklich zu Recht) als gescheiterter Hedgefonds-Manager wahrgenommen.
Der Begriff der Hedgefonds bezeichnete in den USA ursprünglich einfach nur jene Fonds, die Derivate einsetzen, um sie so gegen die ungesicherten und vollinvestierten Wertpapierfonds abzugrenzen, die bis heute den Markt dominieren. Inzwischen verfolgen Hedgefonds eine Vielzahl von Strategien in unterschiedlichen Wertpapier- und Derivatemärkten. Häufig werden die Fonds an exotischen Finanzplätzen aufgelegt („offshore“), um in den Genuss von steuerlichen und regulatorischen Vorteilen zu kommen. Aber es gibt auch zahlreiche „onshore“-Varianten und sogar Hedgefonds im stark regulierten UCITS-Mantel – die sogenannten „Liquid Alternatives“.
Um in diesem Dickicht den Überblick nicht zu verlieren, gibt es Unternehmen wie „Hedge Fund Research“ (HFR) aus Chicago, die Hedgefonds klassifizieren, ihre Daten sammeln und deren aggregierte Performance als Index berechnen. HFR unterscheidet vier Gruppen von Hedgefonds. Equity-Hedge-Strategien investieren ausschließlich in Aktienmärkte und kombinieren Long- und Short-Positionen in Aktien und Derivaten. Event-Driven-Strategien nutzen Aktien, Derivate und Kreditinstrumente, um im Unternehmenssektor von Fusionen, Umstrukturierungen, finanziellen Notlagen, Übernahmeangeboten, Wertpapieremissionen, Aktienrückkäufen oder Umschuldungen zu profitieren. Macro-Strategien arbeiten ebenfalls mit einer großen Bandbreite von Instrumenten, fokussieren sich aber nicht auf einzelne Unternehmen, sondern auf die Entwicklung von kompletten Märkten und Volkswirtschaften. Relative Value schließlich befasst sich mit den Bewertungsdiskrepanzen einzelner Wertpapiere und kommt vor allem bei Anleihen und deren Derivaten zum Einsatz.
Bei der Portfoliokonstruktion setzen die meisten Hedgefonds auf ein diversifiziertes Portfolio von unterschiedlichen und weitgehend unabhängigen Positionen. Die Gewichtung erfolgt häufig so, dass die Beiträge der einzelnen Strategien zum Gesamtrisiko des Portfolios identisch sind („risk parity“). Dies wird in der Regel dadurch erreicht, dass die weniger riskanten Strategien durch Derivateeinsatz gehebelt und so auf das Risikoniveau der aggressiveren Strategien angehoben werden.
Um in den HFRI-Index aufgenommen werden zu können, müssen Hedgefonds monatliche Renditen nach Kosten melden, mindestens 50 Millionen US-Dollar an Vermögenswerten managen oder seit mindestens zwölf Monaten aktiv handeln, ihre Strategien als Fonds anbieten und offen für neue Investitionen sein. Die Fonds werden im Index gleichgewichtet und jährlich rebalanciert. Aktuell umfasst der breiteste HFRI-Index mehr als 1300 Fonds. Da die Fonds ihre Performance meist erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung melden und teilweise nachträglich korrigieren, wirkt sich das auch auf die Indexberechnung aus.
Die Performance der HFRI-Indizes im laufenden Jahr (derzeit liegen Werte bis September vor) zeigt, dass sich die meisten Strategien nicht von der sehr negativen Aktenmarktentwicklung im März abkoppeln konnten. Sehr gut schlugen sich die Makrostrategien, die nur einen leichten Einbruch verzeichneten und seit Jahresanfang nun wieder leicht im Plus liegen. Überholt wurden sie inzwischen von Equity-Hedge-Strategien, die allerdings einen starken Performanceeinbruch im April verzeichneten. Relative Value und Event Driven taten sich dagegen deutlich schwerer. Der Einbruch der Fusionsaktivitäten durch die Corona-Krise erschwert die beliebten Merger-Arbitrage-Strategien, die zu den Event-Driven-Ansätzen zählen. Viele Hedgefonds-Strategien leiden zudem bei einem schnellen Anstieg der Volatilität, was die Korrelation mit dem Aktienmarkt erhöht.
Blickt man auf die vom Datenanbieter Preqin ermittelten Zu- und Abflüsse in Hedgefonds im laufenden Jahr, wundert es nicht, dass Event Driven neben Trendfolgern die beiden einzigen Strategien mit Nettoabflüssen im zweiten Quartal 2020 waren. Der negative Trend für die gesamte Hedgefonds-Branche hat sich im zweiten Quartal zudem fortgesetzt. Es war das neunte Quartal in Folge mit Nettoabflüssen.
Sind Hedgefonds also auch keine Alternative zu Aktien? Angesichts teilweise extremer Aktien-Bewertungen sollte hier das Urteil nicht zu schnell gesprochen werden. Wenn man den Betrachtungszeitraum auf drei Jahre erweitert und die Calmar Ratio berechnet, also das Verhältnis der Erträge zu den Drawdowns, können praktisch alle Hedgefonds-Strategien den MSCI All Country World Index schlagen. Hinter der aggregierten Indexperformance verstecken sich zudem sehr unterschiedliche Manager und Investmentprozesse, die bei gewissenhafter Selektion zur Diversifikation und Ertragsverbesserung eines Portfolios beitragen können.“