Ready for take off? Nachhaltige Flugkraftstoffe als Wachstumsmarkt

- Nicolas Jacob
- ODDO BHF
FRANKFURT – „Der internationale Luftverkehr stieß im Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie 1,1 Gigatonnen CO2 aus, was rund 3 % der weltweiten Treibhausgasemissionen entspricht“, so Nicolas Jacob, Fondsmanager bei ODDO BHF. Angesichts des prognostizierten Wachstums des Flugverkehrs könne einzig die großflächige Nutzung nachhaltiger Flugkraftstoffe den Sektor auf einen Dekarbonisierungspfad bringen.
Ab hier folgt die Mitteilung der Gesellschaft:
„Je nach Technologie und verwendeten Rohstoffen lassen sich mit nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels – SAF) die Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin um bis zu 80 % reduzieren“, erklärt Nicolas Jacob, Fondsmanager des ODDO BHF Green Planet, in einem aktuellen Marktkommentar. Zwar verursachen SAF der 1. Generation auf der Basis von Nahrungspflanzen (Soja, Palmen, Raps, Sonnenblumen) oder zuckerhaltigen Pflanzen (Rüben, Mais) aufgrund der extra hierfür angebauten Rohstoffe bis zu 1,5-mal mehr CO2 als herkömmliches Kerosin. Demgegenüber ließen sich mit fortgeschrittenen SAF der 2. Generation auf der Basis von Biomasse (Forst oder Agrarabfällen) oder organischen Abfällen (tierische Fette, Siedlungsabfälle) die CO 2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin um 20 % bis 80 % absenken.
Ausbruch aus der Nische
Mit einer Produktion von 300 Millionen Litern im Jahr 2022 – das entspricht 0,15 % des Gesamtverbrauchs an Flugzeugtreibstoff – sind SAF aktuell noch ein Nischenmarkt, so der Investmentexperte von ODDO BHF AM. Er sieht zwei Hemmnisse für den Ausbau der Produktionskapazitäten: Da sich herkömmliche Raffinerien nicht für die Herstellung von Biokraftstoffen eignen, besteht ein hoher Investitionsbedarf. Außerdem sei die Beschaffung der erforderlichen Rohstoffe in großem Maßstab noch ineffizient. „Als unmittelbare Folge sind SAF für den Luftfahrtsektor nach wie vor zwei bis dreimal so teuer wie herkömmliches Kerosin.“ Zumal Treibstoff mit etwa 30 % einen nicht unerheblichen Teil der Betriebskosten einer Fluggesellschaft ausmache. Aber der Markt verändere sich gerade rasant.
Verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen
Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Europa hat der Gesetzgeber strenge Nachhaltigkeitsstandards für Rohstoffe festgelegt. So ist die Verwendung von Soja und Palmöl von der öffentlichen Förderung ausgeschlossen. Zudem gelten Mindestvorgaben bezüglich der Verringerung des CO2-Fußabdrucks im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin.
Die Gesetzgeber haben zuletzt insbesondere die Entwicklung von SAF der 2. Generation forciert, indem sie schrittweise ansteigende Mindestquoten festgelegt haben. Die Biden-Regierung hat sich ein Ziel von 10 % SAF bis 2030 gesetzt. In der europäischen Verordnung „ReFuelEU Aviation" sind Mindestquoten von 2 % bis 2025, von 20 % bis 2035 und von 70 % bis 2050 vorgesehen. Flankierend existieren auch starke Produktionsanreize. Der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA sieht eine Steuergutschrift in Höhe von 1,25 Dollar pro Gallone vor, sofern die Kohlenstoffintensität durch den Einsatz von SAF um mindestens 50 % im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin gesenkt wird. Ähnlich in Europa: „Hier sind SAF zwar noch nicht unter den acht von der EU als strategisch eingestuften Netto-Null-Technologien aufgelistet, werden aber von der Kommission als sonstige Netto-Null-Technologie geführt und sind damit ebenfalls förderfähig“, sagt Jacob.
Spezialisten und Big Oil teilen sich den wachsenden Markt
Weltweit dominieren neben einigen Spezialisten wie Neste, Aemetis oder Darling Ingredients* die großen Ölkonzerne wie Shell, ExxonMobil, BP oder TotalEnergies* den SAF-Markt, zum einen aufgrund ihres technischen Know-hows in der Raffination, aber auch, weil sie erhebliche Investitionen mobilisieren können. Der US-Konzern und Pionier im Bereich der Kreislaufwirtschaft Darling Ingredients verwertet Eiweiß und Fettabfälle (hauptsächlich Tierkadaver und Altspeiseöl) und nutzt diese wieder als nachhaltige Inhaltsstoffe zur Herstellung von Lebensmitteln, Gesundheitsprodukten und Biokraftstoffen der 2. Generation.
Joint-Venture mit hohem Produktionsziel
Im Bereich Biokraftstoffe gründete das Unternehmen, das auch zu Jacobs Fondsportfolio zählt, 2011 zusammen mit dem US-amerikanischen Raffineriekonzern Valero* ein Joint-Venture namens Diamond Green Diesel mit dem Ziel, die Biodieselproduktion auszubauen. „Diamond Green Diesel hat damit Zugriff sowohl auf das einzigartige Netz zur Einsammlung von Altölen und Tierfetten von Darling Ingredients als auch auf die Raffinerie-Expertise von Valero und ist zum führenden Biokraftstoffhersteller in Nordamerika aufgestiegen“, so der Fondsmanager.
Im Januar 2023 gaben die beiden Partner bekannt, eine Anlage speziell für SAF der 2. Generation im texanischen Port Arthur in Betrieb nehmen zu wollen. Dort sollen ab 2025 jährlich 1,8 Milliarden Liter SAF produziert werden. „Das entspricht dem Sechsfachen der weltweiten Produktion im Jahr 2022 und etwa 20 % der für 2025 bis 2030 prognostizierten weltweiten Kapazität“, erläutert Jacob. Nach Angaben des Weltwirtschaftsforums könnte der weltweite SAF-Markt bis 2030 ein Volumen von 60 Milliarden US-Dollar erreichen.
* Hinweis: Keines der vorstehend genannten Unternehmen stellt eine Anlageempfehlung dar.