Quant IP: Mit Patenten wertvolle Schätze heben

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FRANKFURT — Clevere Algorithmen machen die entscheidenden Informationen in Patent-Datenbanken für Investoren zugänglich. Die Konsequenz: Anleger finden schneller besonders innovative Unternehmen und haben so bessere Chancen, Überrenditen am Aktienmarkt zu erzielen. Von Lucas von Reuss, Geschäftsführer von Quant IP.

Der Durchbruch kam am 5. Januar 1769. An diesem Tag akzeptierte das britische Patentamt die Erfindung von James Watt: einen Kondensator für eine Dampfmaschine. Der machte die Technologie um ein Vielfaches effizienter und damit erst ökonomisch sinnvoll. Vor allem ließ diese Verbesserung Watt als Erfinder der Dampfmaschine in die Geschichte eingehen.

Das Beispiel zeigt: Patentdaten können ein veritabler Datenschatz für Investoren sein. Die globalen Patentdatenbanken umfassen nahezu alle kommerziellen Innovationen der Welt und geben Einblick, welche Unternehmen in welchen Bereichen aktiv sind und was sie in Zukunftsmärkte investieren.

Können Investoren diese Informationen nutzen, um bessere Anlageergebnisse zu erzielen? Ja! Das zeigt eine Studie des US-amerikanischen quantitativen Asset-Managers O’Shaughnessy. Untersucht wurde die Performance von 2000 US-Aktien (ohne Finanzwerte) seit 1990 mit einer Marktkapitalisierung von mindestens 200 Millionen Dollar. Es wurden 130 Millionen Patentdokumente den börsennotierten Gesellschaften und ihren Töchtern mithilfe cleverer Algorithmen und Machine Learning historisch korrekt zugeordnet.

Zunächst geht das White Paper der einfachen Frage nach, ob Investoren allein dadurch Überrenditen erzielen können, dass sie ausschließlich in Aktien von Unternehmen investieren, die Patente anmelden. Dazu wurde das Universum in zwei Gruppen geteilt, in „Nicht-Patentunternehmen“ und in „Patentunternehmen“. Letztere mussten zumindest ein erteiltes Patent in den vergangenen zwölf Monaten aufweisen. Getestet wurde eine Strategie, die jeden Monat innerhalb der Gruppen jeweils gleichgewichtet investierte.

Obwohl die Hürde, als innovativ eingestuft zu werden, mit nur einem Patent sehr niedrig gesetzt war und erteilte Patente wegen der langen Erteilungsdauer eine vergleichsweise alte Information darstellen, zeigte dieser simple Ansatz bereits sehr gute Ergebnisse: Die „Patentaktien“ lieferten mit 12,3 Prozent pro Jahr einen deutlichen Mehrertrag gegenüber dem Gesamtuniversum (10,2 Prozent). „Nicht-Patentaktien“ brachten in diesem Backtest nur 8,5 Prozent pro Jahr (siehe Grafik 1).

Grafik 1 Systematischer Vorsprung

Zudem wurde die Überrendite nicht mit mehr Risiko erkauft. Die Standardabweichung der Portfolios war nahezu gleich, die Sharpe Ratio dementsprechend bei den Patentaktien doppelt so hoch. Die Outperformance war über die Zeit sehr stabil. Patentaktien lieferten in 84 Prozent aller rollierenden Dreijahresperioden das bessere Ergebnis. Das ist umso bemerkenswerter, als der Testzeitraum so unterschiedliche Marktphasen wie den Techboom in den 90ern, den Bärenmarkt von 2000 bis 2003, die Finanzkrise 2008/2009 und den darauf folgenden Aufschwung abdeckt.

Natürlich holen sich Investoren, die nur Patentaktien kaufen, automatisch einen Branchenmix ins Portfolio, der von der Zusammensetzung des Gesamtmarkts abweicht. Branchen wie Pharma, IT und Industrie sind in Patentportfolios übergewichtet. Doch dieser Brancheneffekt erklärt nur 20 Prozent der Outperformance.

F-&-E-Ausgaben kein Indikator

In besagtem White Paper wurden auch die Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F & E) als Indikator für die Aktienselektion getestet. Diese sind bei Investoren beliebt, da viel leichter zu bekommen. Ein Test mit den F-&-E-Ausgaben der jeweils vorangegangenen fünf Jahre zeigt jedoch, dass Patente als Indikator viel besser funktionieren. Risikoadjustiert brachte ein Investment in eine Auswahl aus Unternehmen mit F-&-E-Ausgaben keinen Mehrertrag gegenüber einem mit Unternehmen, die keine Forschungsausgaben melden.

Trotzdem können F-&-E-Ausgaben einen Beitrag zur Aktienselektion liefern. Das zeigt folgender Test: Sortiert man Aktien nach Anzahl der Patente und F-&-E-Ausgaben, liefert dieses Innovationsranking hervorragende Ergebnisse. Investoren erzielten mit dem „innovativsten“ Quintil von Aktien eine jährliche Überrendite von fünf Prozentpunkten gegenüber dem Gesamtmarkt. Die Ergebnisse für die folgenden Quintile sind linear absteigend schlechter. Die „uninnovativsten“ Aktien schnitten um rund einen Prozentpunkt schlechter ab als der Markt.

Im letzten Test wird die Outperformance noch stärker: Die Quant-Experten von O’Shaughnessy versahen den Composite-Innovation-Score aus Patent- und F-&-E-Daten mit einem Value-Filter. Der sortiert Aktien nach klassischen Bewertungskennzahlen wie Kurs-Buchwert-, Kurs-Gewinn- und Kurs-Cashflow-Verhältnis – mit bemerkenswertem Ergebnis.

Das Aktienportfolio „innovativ und günstig“ erzielte eine Überrendite zum Gesamtmarkt von 6,6 Prozentpunkten pro Jahr. Das Portfolio „uninnovativ und teuer“ schnitt über fünf Prozentpunkte pro Jahr schlechter ab als der Markt. Mit einem stabilen Renditespread von über elf Prozentpunkten pro Jahr gibt es sehr viele Argumente, in Innovation und Value gemeinsam zu investieren (siehe Grafik 2).

Grafik 2: Innovation rentiert sich

ie Ergebnisse des Ansatzes, innovative Unternehmen anhand von Patentdaten und Forschungsausgaben zu identifizieren und bei der Aktienselektion auf die Bewertung zu achten, sind vielversprechend – vor allem, weil sie in Backtests bestätigt werden, die Quant IP für deutsche, europäische und weltweite Aktienuniversen durchführte.

Zugleich entwickelte Quant IP mit dem „Innovation Score“ eine Kennzahl, die Innovation und Bewertung in einer Kennzahl für die Attraktivität einer Aktie aus Innovationssicht zusammenfasst. Score und Rohdaten dieser Innovationsmessung werden Asset-Managern zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus werden die Erkenntnisse aus dem White Paper und früheren Backtests im neu aufgelegten regelbasierten Aktienfonds Quant IP Global Innovation Leaders Fund umgesetzt.

Schlüssel zum Erfolg

Die bisherigen Tests lassen den Schluss zu, dass sich die Innovationskraft als eigener Investmentfaktor betrachten lässt. Drei wichtige Gründe rechtfertigen die Annahme, dass dieser Faktor die Aktienselektion verbessert und dass Patente dafür der Schlüssel sind: Erstens werden Patente von Investoren bisher kaum systematisch als alternative Datenquelle genutzt. Diese Informationsineffizienzen lassen sich ausnutzen.

Zweitens sind Patente, im Vergleich zu anderen alternativen Datenquellen wie Satellitenbilder, ein stark nach vorne gerichteter Indikator. Drittens sind Patente besser als andere Innovationsindikatoren geeignet, zielgerichtete Innovation zu indizieren. Denn Patente kosten Geld – Geld, das Unternehmen nur dann in die Hand nehmen, wenn sie überzeugt sind, dass ein entsprechendes Marktvolumen diese Investition rechtfertigt.

Das zeigte sich schon bei James Watt. Allein aufgrund seines Patents konnten Investoren nicht ableiten, dass er der Dampfmaschine zum kommerziellen Durchbruch verhelfen würde. Anhand der vielen Patentanmeldungen rund um das Thema Dampfmaschine ließ sich erkennen, dass ein riesiger Markt entstehen würde. Auch die nächste Dampfmaschine wird sich zuerst an den Patenten abzeichnen.

Lucas von Reuss ist Gründer und Geschäftsführer der Investmentboutique Quant IP, die sich auf die Aufbereitung und Analyse von Patent- und anderen Innovationsdaten für Investoren spezialisiert hat. Zuvor war der Volkswirt zwölf Jahre als Kapitalmarktredakteur tätig, davon vier Jahre als Chefredakteur des Magazins €uro.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 03/2019
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