Postera Capital: Die Zeit ist reif, sich mit digitalen Assets zu beschäftigen

  • Nicolas Biagosch
  • Postera Capital

DÜSSELDORF — 2017 und 2018 waren für Kryptoassets Jahre der Extreme, sagt Nicolas Biagosch, Partner bei Postera Capital. 2019 habe sich die Lage beruhigt, die Branche entwickele sich unbeeindruckt vom Hype weiter. Damit ist die Zeit reif für professionelle Investoren, sich mit digitalen Assets zu beschäftigen. 

Neue Entwicklungen verlaufen nicht stetig. Egal, ob es sich um technische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Neuerungen handelt: Wann immer etwas grundlegend Neues entsteht, dauert es eine Weile, bis der von Ökonomen heraufbeschworene Gleichgewichtszustand entsteht. Die Beratungsfirma Gartner Group hat dieses Phänomen bereits im Jahr 1995 erstmalig für neu aufkommende Technologien in dem von ihr entwickelten „Hype-Cycle“ beschrieben und damit eine Art Blaupause für den anschließenden Verlauf des Dotcom-Hypes geliefert. Demnach durchlaufen neue technologische Entwicklungen einen Zyklus, bei dem auf den „Hype“ eine Phase der Ernüchterung folgt, bevor sich eine neue Technologie durchsetzt. Kryptoassets wie Bitcoin, Ethereum oder Stellar bilden da keine Ausnahme: Nach dem Gipfel der Begeisterung 2017 mit übertriebenen Kursentwicklungen folgte 2018 ein heftiger Abschwung in das Tal der Ernüchterung. Wo genau der Tiefpunkt des Tals ist, weiß natürlich keiner. Aber auch wenn das Hype-Cycle-Modell nicht zur Ableitung von quantitativen Prognosen geeignet ist, regt es dazu an, die fundamentalen Entwicklungen im Auge zu behalten. Denn gerade in den „Tälern“ ergeben sich Chancen für antizyklisch agierende Investoren.

Zumal sich der Markt für Kryptoassets abseits der ganz großen medialen Aufmerksamkeit weiterentwickelt. In verschiedenen Bereichen sind sehr positive Entwicklungen zu beobachten, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken. Im Folgenden fassen wir drei aus unserer Sicht wichtige Entwicklungen des noch jungen Jahres 2019 zusammen:

1. Security Tokens: Digitale Wertpapiere erweitern das Anlagespektrum
Als Security-Tokens bezeichnen Krypto-Investoren Coins, die die regulatorischen Anforderungen für Wertpapiere erfüllen und als solche emittiert werden. „Alte“ und „neue“ Welt treffen hier zusammen: Unter bekannten regulatorischen Rahmenbedingungen werden Blockchain-basierte Tokens kreiert – eine echte Finanzinnovation. In Deutschland führen beispielsweise derzeit die Unternehmen Bitbond und Bitwala ein sogenanntes Security Token Offering (kurz: STO) durch. Beide Unternehmen sind Start-Ups aus Berlin, die Geschäftsmodelle sind jedoch unterschiedlich: Bitbond vermittelt Darlehen für KMUs, während Bitwala Bankdienstleistungen für Privatkunden anbietet, inklusive der Möglichkeit, Kryptowährungen zu erwerben. Unterschiedlich ist auch die Ausgestaltung der jeweiligen Security Tokens: Während es sich beim Bitbond-Token um eine nachrangige Schuldverschreibung handelt, emittiert Bitwala Token-basierte Genussscheine. Beiden Token ist gemein, dass sie nicht auf einer selbst entwickelten Blockchain basieren, sondern bereits bestehende öffentliche Blockchain-Infrastrukturen nutzen: Im Falle von Bitbond ist das die Stellar-Blockchain, die mit 2,1 Mrd. USD Marktkapitalisierung auf Platz 8 der größten Blockchains rangiert; Bitwala setzt seinen Token auf der Ethereum-Blockchain auf, welche mit 14,5 Mrd. USD Marktkapitalisierung nach Bitcoin die zweitgrößte Blockchain ist. Auf diese Weise „befeuern“ solche Security Tokens auch das Blockchain-Ökosystem insgesamt.

2. Neue „alte“ Marktteilnehmer: Produkte und Dienstleistungen für digitale Assets werden ausgebaut
Für Investoren, die sich im Krypto-Markt engagieren wollen, entstehen neue Möglichkeiten. Den Anfang in Deutschland hat die zur Börse Stuttgart gehörende BISON App gemacht. Nach Aussage des Unternehmens wurde die App, die Kauf und Verkauf von Kryptoassets in einem regulierten Umfeld einer etablierten Börse möglich macht, bis zum 1. Februar mehr als 6.000 Mal installiert. Auch wenn sich dieser Zugang vorrangig an Privatinvestoren richtet, ist der Markterfolg ein wichtiges Zeichen für das zunehmende Interesse an Kryptoassets. Ganz klar auf institutionelle Investoren zugeschnitten ist der Plan der zum amerikanischen Börsenkonzern ICE gehörenden Bakkt. Dort sollen 2019 Futures gehandelt werden, die physisch mit Bitcoins hinterlegt werden. Und in der Schweiz hat die Privatbank Julius Bär angekündigt, gemeinsam mit der Startup-Bank SEBA Crypto AG Krypto-Produkte anbieten zu wollen. Somit setzt sich die Transformation des Kryptohandels von spezialisierten Börsen hin zu etablierten Anbietern fort. Viele Anleger dürften sich bei den ihnen bereits bekannten Anbietern wohler fühlen.

3. Recht und Regulierung: Abstimmung auf europäischer Ebene kommt voran
Regulierer und Gesetzgeber rund um den Globus befassen sich derzeit intensiv mit Kryptoassets. Das ist erst einmal zu begrüßen. Denn auch wenn die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland deutlich klarer sind, als viele meinen (die BaFin hatte sich bereits 2013 mit Bitcoin auseinandergesetzt und eine klare regulatorische Einordnung vorgegeben): Auf internationaler Ebene herrschen noch Unsicherheiten, da sich die regulatorischen Ansätze einzelner Länder teilweise deutlich unterscheiden. Nun hat die EU-Wertpapieraufsicht zumindest begonnen, einen Ordnungsrahmen auf europäischer Ebene zu setzen. Im Januar 2019 erfolgten erste Empfehlungen, und es wurde deutlich, wenn Kryptoassets als Finanzinstrumente gelten sollen, dann fallen sie auch unter die Finanzmarkt-Richtlinie MiFID. Solche Klarstellungen sind hilfreich, um Finanzprodukte auf Basis von Kryptoassets planen zu können. Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) ist ebenfalls 2019 aktiv geworden und will die Werbung von Krypto-Unternehmen regulieren. Das ist eine interessante Entwicklung, denn da sich die EBA als zuständig erklärt, setzt sie Kryptounternehmen auf ein Niveau mit traditionellen Banken und Finanzinstituten. Wie bei allen Regulierungsvorhaben bewegen sich die zuständigen Stellen in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite sollen Anleger geschützt werden, auf der anderen Seite soll die Innovation der Finanzplätze nicht gebremst werden. Insbesondere im Kontext von Krypto-Märkten ist der zweite Punkt höchst relevant, denn Kapital und kluge Köpfe sind in diesem Bereich oft geographisch besonders flexibel. Hoffnung, dass dies zumindest erkannt wird, besteht: Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene werden Start-Ups und junge Unternehmen in den Konsultationsprozess mit einbezogen. Wir sind gespannt, wie sich das regulatorische Umfeld entwickelt.

Fazit: Die Jahre 2017 und 2018 waren für Kryptoassets Jahre der Extreme. 2019 hat sich die Lage beruhigt, unbeeindruckt vom Hype entwickelt sich die Branche weiter. Wann der nächste große Aufschwung kommt, kann niemand mit Gewissheit sagen. Die Voraussetzungen für eine nachhaltig positive Entwicklung sind da – die Zeit ist reif für professionelle Investoren, sich mit digitalen Assets zu beschäftigen.

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