OFI Asset Management: Nachfolge Draghis wichtiger als die Europawahl

- Jean-Marie Mercadal
- OFI Asset Management
FRANKFURT — Die anstehende Europawahl wird nur geringe Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben, so Jean-Marie Mercadal von OFI Asset Management. Größeren Einfluss wird die Entscheidung, wer die Nachfolge von Mario Draghi antritt, haben. Sollte sich der als dogmatisch geltende Bundesbankchef Jens Weidmann durchsetzen, könnte das Marktturbulenzen auslösen.
Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:
"Die Europawahl wird voraussichtlich nur begrenzte Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Bei ausländischen Investoren herrscht Sorge über den Aufstieg populistischer Parteien. Allerdings haben Umfragen in den letzten Wochen darauf hingedeutet, dass diese nur etwa 30 Prozent der Sitze im Europäischen Parlament erobern könnten.
Den größten Effekt könnten die Europawahlen auf Italien haben. Die Fundamentaldaten Italiens sind mit einem Verhältnis der Schulden zum Bruttoinlandsprodukt von etwa 130 Prozent schwach, und die Regierungskoalition in Italien ist fragil. Der Ausgang der Europawahlen könnte zu einer Regierungsumbildung oder sogar Neuwahlen führen.
Würde sich dann die Fünf-Sterne-Bewegung durchsetzen, könnte dies Volatilität am Markt für italienische Staatsanleihen auslösen. Falls es zu einem Bündnis zwischen der Lega Nord und Silvio Berlusconis Forza Italia kommen sollte, was am wahrscheinlichsten ist, würde das die Anleger sicherlich beruhigen. Auf jeden Fall sollten Investoren Marktschwankungen zu ihrem Vorteil nutzen, denn die Wahrscheinlichkeit eines „Italexit“ ist sehr gering.
Mehr Einfluss auf die Finanzmärkte als die Europawahl könnte die Entscheidung über die Nachfolge des EZB-Chefs Mario Draghi haben. Derzeit scheint Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gute Chancen zu haben. Schließlich hatte Deutschland diesen Posten noch nie inne. Seine Wahl könnte aber Kursturbulenzen auslösen. Weidmann scheint dogmatischer als Draghi und gilt als Befürworter einer restriktiveren Geldpolitik.
Die größte Herausforderung für die Europäische Union ist der Weg zu mehr Konvergenz und Harmonisierung. In Anbetracht der unterschiedlichen Schuldenquoten im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, Haushaltsdefizite, Steuern und Regulierungen der Mitgliedsstaaten ist es auf Dauer sehr schwierig, eine einheitliche Währung zu behalten. Dieser Prozess ist komplex und braucht Zeit. Bislang gibt es jedoch einen politischen Konsens, den Euro zu erhalten. Der Euro ist ein politisches Konstrukt, kein wirtschaftliches – das ist ein Aspekt, den viele ausländische Investoren aus China und den USA nicht verstehen und deshalb europäische Vermögenswerte untergewichten.
Anleger sollten sich wegen der Europawahl keine großen Sorgen machen und wenn die Märkte etwas nachgeben sollten, ihre Positionen bei europäischen Aktien, besonders Dividendentiteln, und europäischen Hochzinsanleihen erhöhen.“