OFI AM: Führt Corona-Krise zu neuer Ölkrise?

- Benjamin Louvet
- OFI AM
FRANKFURT – Zurzeit scheint die Welt im Öl geradezu zu ertrinken, was es schwer macht, zu glauben, dass diese Situation auch kippen und das schwarze Gold weltweit knapp werden könnte. Laut OFI-Manager Benjamin Louvet könnte die aktuelle Gesundheitskrise indes genau eine solche Situation herbeiführen.
Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:
„Der Ölpreis ist um mehr als zwei Drittel seines bisherigen Jahreswertes zurückgegangen – von 61,06 auf 20,48 US-Dollar/Barrel (Stand 31. März 2020)“, erklärt Benjamin Louvet, Fondsmanager des OFI Precious Metals Funds bei OFI Asset Management. Wegen des Coronavirus unterliege fast die Hälfte der Weltbevölkerung strengen Ausgangsregelungen. Die Nachfrage sei nach Schätzungen von Experten in den letzten Wochen um 30 bis 35 Millionen Barrel pro Tag gesunken. Ein normaler Verbrauch vor der Coronakrise lag bei 100 Millionen Barrel pro Tag.
Fördermengen de facto niedriger als OPEC-Übereinkunft
„Vor diesem Hintergrund erscheint die historische Übereinkunft, die die OPEC und ihre Verbündeten am vergangenen Wochenende getroffen haben, um den Angebotsüberhang auszugleichen, wie ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Louvet weiter. „Danach soll das Angebot weltweit um fast 10 Millionen Barrel pro Tag gedrosselt werden.
Allerdings wird die Reduzierung de facto weitaus größer sein. Die letzten Zahlen der Energy Information Agency (EIA) zeigen, dass die Ölförderung in den USA seit Anfang 2020 bereits um 600.000 Barrel pro Tag zurückgegangen ist. Vor allem Schieferöl- und Teersande-Anbieter werden aufgrund ihrer hohen Produktionskosten ihre Tätigkeit verringern müssen.
Die Zahl der Bohrinseln und die Zahl des Frackings sind in den letzten Wochen bereits stark zurückgegangen: Von 900 im letzten Jahr auf 500 in der letzten Woche sowie von 500 Mitte 2018 auf 185 in der letzten Woche. Diese Entwicklung dürfte sich nach Juni beschleunigen, da viele Dienstleistungsverträge zum Ende des Quartals auslaufen werden. Das dürfte dazu führen, dass einige der kleinen bis mittleren Schieferölproduzenten Konkurs anmelden müssen. Denn nichts spricht dafür, dass deren Anlagen aufgekauft werden, da sie auf mehrere Orte verteilt sind, was sehr ineffizient ist.
Es mag merkwürdig klingen, aber laut der Internationalen Energieagentur (IEA) wurde 2008 der Höchststand für konventionelles Erdöl erreicht. Das bedeutet, dass die Steigerung des Ölverbrauchs seit 2008 nur noch durch die unkonventionelle Ölförderung aus Schieferöl und Teersande gedeckt werden konnte. Laut dem von der IEA im November 2018 veröffentlichten Weltenergieausblick würde ein Gleichgewicht auf dem Ölmarkt im Jahr 2025 voraussetzen, dass Schieferölanbieter ihre Produktion bis 2025 um 10 bis 12 Millionen Barrel pro Tag erhöhen würden.
Konkurse und fehlende Investitionen führen zu Ölengpass
Wenn man aber bedenkt, dass die Schieferproduzenten zwischen 2008 und 2018 fast 8 Millionen Barrel pro Tag gefördert haben – und das unter optimalen Bedingungen wie leichtem Zugang zu Krediten, einem hohen Ölpreis und erstklassigen natürliche Ressourcen, die leicht ausgebeutet werden konnten – dann wäre die Prognose der IEA schon unter besten Bedingungen eine große Herausforderung gewesen. Unter den jetzigen Umständen erscheint es nach unserer Einschätzung jedoch unmöglich.
Einige Produzenten werden in Konkurs gehen müssen, und die Investitionen sind bereits jetzt stark zurückgegangen. Die Förderkapazitäten im Schiefergeschäft sind in der Regel nach 18 Monaten um 70 Prozent ausgeschöpft. Das heißt, ein Investitionsstopp wird die Förderung weiter sinken lassen. Es ist wie auf einem Laufband: Wenn man nicht mehr läuft, dann fällt man.
Sobald der weltweite Verbrauch wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat, wird eine Steigerung der Ölproduktion recht schwierig sein. Zwar wird es in den kommenden 24 bis 36 Monaten keinen Versorgungsengpass geben, da die Lagerbestände aufgefüllt werden. Danach werden die fehlenden Investitionen aber zu Buche schlagen. Denn es ist nahezu unmöglich, die Ölproduktion schnell zu erhöhen, um ein Nachfrageüberhang am Markt auszugleichen. Die Konsequenz: Der Pandemie könnte ein Ölschock folgen, was der Wirtschaft nicht helfen würde, sich zu erholen.“