Ölpreis wird sich auf hohem Niveau einpendeln

- Benjamin Louvet
- Ofi Invest AM
FRANKFURT – „Viele haben geglaubt, dass die Pandemie und die Energiekrise unsere Konsumgewohnheiten verändert und den Übergang von fossilen Energieträgern zu erneuerbaren Energien beschleunigt hätten – das ist jedoch nicht der Fall“, sagt Benjamin Louvet von Ofi Invest AM. Im Gegenteil steige die Nachfrage nach Öl, während das Angebot sinke.
Ab hier folgt der Marktkommentar von Benjamin Louvet, Fondsmanager bei Ofi Invest Asset Management:
„Der Internationalen Energieagentur (IEA) zufolge hat sich die weltweite Ölnachfrage 2022 weiter erholt und ist um 2,3 Millionen Barrel pro Tag auf 100 Millionen Barrel gestiegen – trotz der Konjunkturabschwächung in China und des in Europa und den USA gedämpften Wirtschaftswachstums. Für 2023 wird ein weiterer Anstieg der Nachfrage um 2 Millionen Barrel pro Tag auf 102 Millionen Barrel erwartet. Der weltweite Ölverbrauch würde damit auf ein neues Allzeithoch steigen und den 2019 errechneten Höchststand von über 101 Millionen Barrel pro Tag überschreiten.
Übernachfrage nach Öl
Die Ölförderung kann mit diesem Verbrauch jedoch kaum mithalten, da in den letzten Jahren nicht genügend Investitionen in konventionelle Ölfördertechniken getätigt wurden. Das Phänomen der natürlichen Erschöpfung – der natürliche Rückgang der Fördermenge einer Ölquelle im Laufe der Zeit aufgrund des sinkenden Drucks im Ölfeld – wird deshalb nicht mehr vollständig kompensiert. Dieses Investitionsdefizit ist nur schwer aufzuholen. Diese Umstände wiegen umso schwerer, da laut IEA die maximale Fördermenge von konventionellem Öl bereits im Jahr 2008 überschritten wurde.
Kein Ausgleich durch Schieferöl
Zwar konnten andere nicht konventionelle Öl-Energiequellen wie Schieferöl aus den USA den Nachfrageüberhang ausgleichen. Doch auch hier ist die Steigerung der Förderkapazitäten schwierig. Die Aktionäre der Ölproduzenten fokussieren sich vor allem auf Rentabilität statt Produktivität. Hinzu kommt, dass die Umweltauflagen das Interesse von Investoren dämpfen. Noch zum Jahresbeginn 2022 war ein Anstieg der nordamerikanischen Produktion von 900.000 auf eine Million Barrel pro Tag prognostiziert worden. Doch letztendlich dürften es höchstens 450.000 Barrel pro Tag gewesen sein. Die Förderung für 2023 wurde wieder auf 480.000 Barrel pro Tag nach unten korrigiert. Als Gründe werden steigende Produktionskosten und ein Arbeitskräftemangel angeführt. Das norwegische Analysehaus Rystad Energy hat jedoch eine andere Erklärung: Der Großteil der ergiebigsten Vorkommen sei bereits erschöpft, sodass die Produzenten ihre Produktionssteigerungen auf unter 5 Prozent reduzieren müssten, wenn sie langfristig im Geschäft bleiben wollten.
Hinzu kommt die Versorgungslücke durch das EU-Embargo russischen Öls, die laut IEA bis zum Ende des ersten Quartals 2023 mit fast 1,5 Millionen Barrel pro Tag weniger zu Buche schlagen könnte.
Fazit
Das Angebot ist also begrenzt und könnte weiter abnehmen. Die Ölpreise dürften daher 2023 hoch bleiben, auch wenn sich die Preise vorübergehend korrigiert haben. Unserer Einschätzung nach könnte der Preis pro Barrel sich zwischen 90 US-Dollar und 100 US-Dollar stabilisieren. Das Korrekturpotenzial halten wir für begrenzt. Denn die OPEC und ihre OPEC+ Verbündeten, insbesondere Russland, haben klar gemacht, dass sie am hohen Niveau der Ölpreise festhalten wollen. Nicht zuletzt deshalb, weil sie von den Schwierigkeiten des Westens, insbesondere Europas, profitieren und bei einem höheren Preisniveau einen Anreiz haben, die notwendigen Investitionen in die Ölförderung zu tätigen.“