Nullzins stützt Immobiliennachfrage

- Johannes W. Anschott
- Vorstand der Commerz Real
München – Mario Draghi hat nicht nur den Euro gerettet, sondern der Immobilienbranche auch einen gigantischen Boom beschert. Da die expansive Geldpolitik noch einige Jahre fortgeführt werden dürfte, bleiben die Aussichten für Real Assets auch weiterhin positiv.
Von: Johannes W. Anschott, Vorstand der Commerz Real
Mario Draghi, der aus dem Amt geschiedene Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), gilt als Retter des Euro. Die Märkte vertrauten im Juli 2012 auf sein magisches „Whatever it takes“, sodass die Spreads zwischen den Staatsanleihen der verschiedenen Eurostaaten sich wieder einengten. Zudem brachte die EZB den Leitzins in der Eurozone sukzessive an die Nulllinie, wodurch die Anleiherenditen bonitätsstarker Käufer historische Tiefststände erreichten.
Eine der Nebenwirkungen ist ein bislang in seiner Dauer und Intensität selten dagewesener Boom an den Immobilienmärkten, da Investoren auf der Suche nach Alternativen verstärkt in Immobilien ausweichen – und bereit sind, extrem niedrige Renditen zu akzeptieren. Da sich an der expansiven Geldpolitik wenig geändert hat, ist ein Richtungswechsel nicht in Sicht.
Zyklische Segmente weniger gefragt
Zudem sind zyklische Anlageklassen wie Aktien aufgrund der unsicheren Wirtschaftslage weniger gefragt. Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute korrigierten in ihrer Gemeinschaftsdiagnose im Herbst die Konjunkturaussichten für Deutschland nach unten. Für 2019 erwarten sie, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,5 Prozent steigt. Im Frühjahr gingen sie noch von 0,8 Prozent aus. Für 2020 sinkt die Prognose von 1,8 Prozent auf 1,1 Prozent. Ursächlich ist die global nachlassende Nachfrage nach Investitionsgütern. Hinzu kommen politische Unsicherheiten sowie die Umbrüche in der Automobilindustrie.
Aufgrund dieser Unsicherheit allokieren Investoren, die ihre Renditeziele durch Anleihen nicht mehr erreichen können, besonders stark in wenig zyklische, also defensive Anlageklassen wie Immobilien. Die hohe Nachfrage wird den schon bestehenden Assetmangel noch verschärfen und die Preise weiter treiben. Das Transaktionsvolumen des deutschen Immobilienmarkts wird sich auf seinem hohen Niveau stabilisieren. Im Vergleich zu 2019 wird das Investment- und Vermietungsvolumen nächstes Jahr trotz steigender Preise voraussichtlich leicht sinken. Gestützt wird der Markt zudem vom niedrigen Zinsniveau, das bewirkt, dass Investoren und Projektentwickler Objekte zu sehr günstigen Konditionen finanzieren können.
Allerdings werden sich die Preise auf den Immobilienmärkten stärker ausdifferenzieren. Ein Grund dafür sind verstärkte Klimaschutzvorschriften. Das deutsche Klimaschutzabkommen will den CO2-Ausstoß bis 2030 von derzeit 120 Millionen auf 72 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren. Je nach Schätzung stammen 14 Prozent bis ein Drittel davon aus dem Gebäudesektor. Besonders hoch sind die Emissionen im Non-Residential-Subsektor, der mit zehn Prozent des Gebäudebestands die Hälfte des CO2-Ausstoßes verursacht.
Immobilien müssen nachhaltig sein
Um die Ziele des EU-Sustainable-Finance-Plans zu erreichen, muss der Energiebedarf pro Gebäude auf 100 Kilowattstunden pro Quadratmeter (KWh/m2) und Jahr sinken. Aktuelle Werte liegen zwischen 159 und 213 KWh/m2. Das bedeutet, dass es erheblichen Finanzierungsbedarf gibt, der noch nicht im Markt eingepreist ist. Zudem werden Faktoren wie der CO2-Preis, höhere Investitionsausgaben (Capex) sowie mehr Transparenz dazu führen, dass sich die Preisunterschiede zwischen energetisch modernisierten und herkömmlichen Immobilien vergrößern.
Daneben gibt es weitere Trends, die den Wert einer Immobilie beeinflussen, wie Coworking, neue Nutzungskonzepte, flexiblere Mietverträge und auch die zunehmende Digitalisierung. Diese Entwicklungen verändern sowohl die Ansprüche von Mietern als auch von Käufern und müssen daher schon bei der Projektentwicklung bedacht werden. So verlieren Büroimmobilien an Wert, die eine starre Raumaufteilung vorgeben.
Gerade die Nutzung als Büroimmobilie profitiert von der konjunkturellen Lage. Ein Zeichen dafür ist die niedrige Leerstandsquote, die Schätzungen des Immobilienberaters JLL zufolge in den Top-7-Städten im zweiten Quartal im Schnitt bei nur 3,3 Prozent lag, ein Prozentpunkt unter dem Vorjahresquartal. Deutschland hat zudem zurzeit die niedrigste Arbeitslosenquote seit der Wiedervereinigung. Zwar hat sich die Bürofläche pro Mitarbeiter in den vergangenen Jahren leicht reduziert, doch sind im selben Zeitraum die Investitionen in die Aufenthaltsqualität von Büroräumen stark gestiegen.
Angebotslücke befeuert Wohnsegment
Noch positiver sind die Aussichten für den Wohnimmobiliensektor. Obwohl die regulatorischen Risiken wie in Berlin gestiegen sind, ist der Bedarf an Wohnflächen nach wie vor hoch, besonders in guten Lagen. Dieser Trend wird noch viele Jahre anhalten, denn die Angebotslücke in den Großstädten wird sich nicht innerhalb von ein oder zwei Jahren schließen lassen. Schlechtere Mietenregulierung wird am Investitionsbedarf nichts verändern, die Investitionen werden nur verschoben. Das stimmt besonders für jene Lagen, in denen Bevölkerung und Wirtschaft wachsen. Die Renditen für sozial gefördertes und frei finanziertes Wohnen unterhalb des Luxussegments werden sich voraussichtlich nicht ausweiten und am unteren Ende des Spektrums bleiben. Der Renditeabstand zu Micro-Living oder auch Hotel wird vermutlich konstant bleiben.
Spürbar wird das gedämpfte Wirtschaftswachstum hingegen bei Immobiliensegmenten wie dem Einzelhandel, wo die Investment- und Vermietungsmärkte stärker von konjunkturellen Schwankungen abhängen. Eine Ausnahme ist der Lebensmitteleinzelhandel, dort ist die Nachfrage weniger zyklisch. Die fehlenden Impulse aus dem Welthandel und das verlangsamte Wachstum werden sich auch auf Logistikimmobilien auswirken. Strukturell werden mehr Nachhaltigkeit und eine zunehmende Kreislaufwirtschaft Einfluss auf die aktuellen Logistikketten haben. Der Umbau zu einer nachhaltigen Angebotskette wird den Logistiksektor mit den erforderlichen Transformationskosten belasten. Dies ist in den aktuellen Logistikrenditen noch nicht ausreichend abgebildet, da das E-Commerce-Narrativ derzeit noch ausreichend trägt.
Unabhängig von der Nutzungsart ist die Länge des Aufschwungs noch kein Indikator für das nahende Ende des Zyklus. Noch zeigt er keine Altersschwäche. Die Nachfrage nach weniger zyklischen Immobiliensegmenten wird über die nächsten Jahre vermutlich stabil bleiben, unter anderem gestützt durch niedrige Leerstandsquoten und eine expansive Geldpolitik, die nur durch steigende Inflationsraten, die derzeit nicht absehbar sind, ein Ende finden mag. Der Nachfrageüberhang nach Real Assets wird daher anhalten. Besonders in zyklischen Segmenten bremsen jedoch die konjunkturelle Abkühlung und globale Risiken.
Vita
Johannes Wilhelm Anschott ist im Vorstand der Commerz Real für Asset Structuring, Portfoliomanagement und den Vertrieb verantwortlich. Der studierte Betriebswirt ist seit dem Jahr 2000 für die Commerzbank tätig, zunächst in Frankfurt als Relationship Manager für multinationale Unternehmen, dann für viele Jahre in London. Vor seinem Wechsel in den Commerzbank-Konzern war er für die National-Bank Essen als Leiter des Vorstandsbüros und im Corporate Banking tätig.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 04/2019
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