„Nachhaltigkeit bedeutet mehr Rendite“

- Jan Poser
- J. Safra Sarasin
FRANKFURT – Für J. Safra Sarasin ist Nachhaltigkeit ein zentraler Erfolgsfaktor, der seit 30 Jahren Anwendung findet, sagt Jan Poser, Sarasins Head Sustainability. In ihrem Asset-Management setzt die Schweizer Bank „alle Instrumente der nachhaltigen Kapitalanlage“ ein, um die hoch gesteckten Investmentziele zu erreichen.
Herr Poser, die Corona-Krise wirbelt alles durcheinander – auch die Rolle, die bis dato das allgegenwärtige Thema Nachhaltigkeit gespielt hat?
Jan Poser: Es verschiebt sich einiges – vor allem die Schwerpunkte in der Nachhaltigkeitsdebatte. Bei ESG dominierten zuletzt Umweltfragen, also das E. Jetzt geht es mehr hin zu S, zu den sozialen Aspekten des Wirtschaftens und Investierens.
Haben Sie ein konkretes Beispiel?
Poser: Nehmen Sie die verstärkten Corona-Ausbrüche in der fleischverarbeitenden Industrie. Warum passiert so was? Weil die Menschen, die dort arbeiten, oft in Wohnheimen eng aufeinander leben. Daran sehen Sie, dass Corona aufdeckt, ob Unternehmen sozial mit ihrer wichtigsten Ressource, den Mitarbeitern, umgehen.
Verstärkt Corona am Ende sogar die Nachhaltigkeitsbewegung?
Poser: Auf jeden Fall. Wir lernen daraus, dass wir den Wissenschaftlern zuhören sollten, dass wir schnell handeln müssen, dass wir die Dinge global in Bewegung bringen müssen, und dass wir viel Geld zusammenbringen können, wenn es sein muss. All das gilt nicht nur für Corona, sondern analog für den Klimawandel.
Wie wird sich das Thema Nachhaltigkeit weiterentwickeln?
Poser: Ich sehe zwei Trends – zum einen den Drang, die wirklich großen Themen zu behandeln. Das ist im Moment noch der Klimawandel, aber das nächste zentrale Thema zeichnet sich bereits ab und das ist Biodiversität. Der zweite große Trend wiederum geht dahin, Wirkung zu generieren: In welchen Bereichen generieren die Unternehmen wirklich Umsätze und welchen Impact haben sie damit. Unter dem Strich wird es nach Corona einen Trend zu verantwortungsvollerem Konsum geben.
Welche Möglichkeiten haben Anleger, um hier etwas zu bewirken?
Poser: Die Finanzbranche ist der größte Hebel, den wir weltweit haben. Hier können Investoren ansetzen. Sie können die Unternehmen durch den Einsatz ihrer Stimmrechte dazu bringen, die Klima- und Arbeitsrisiken in den Griff zu bekommen und sich in Richtung Nachhaltigkeit zu bewegen. Und als letztes Mittel besteht die Möglichkeit, die Aktien eines nicht nachhaltig wirtschaftenden Unternehmens zu verkaufen.
Welche Handhabe hat ein einzelner Investor hier?
Poser: Investoren können Fonds austauschen. Schauen Sie sich die Kapitalströme in der Krise an. Anleger haben von dieser Möglichkeit regen Gebrauch gemacht und ihr Kapital in nachhaltig anlegende Fonds umgeschichtet.
Welchen Ansatz verfolgt Ihr Unternehmen beim nachhaltigen Investieren?
Poser: Unsere Besonderheit ist, dass wir Nachhaltigkeit in jeden einzelnen Schritt des Anlageprozesses integrieren. Das reicht von der Definition des Anlageuniversums über die nachhaltige Finanzanalyse bis hin zur Konstruktion des Portfolios. Wir überprüfen zum Beispiel, welches Exposure unsere Fonds gegenüber Klimarisiken haben. Dabei nutzen wir alle Instrumente der nachhaltigen Kapitalanlage, wo sie Sinn machen – mittels Best-in-Class-Ansatz und über ESG-Integration mithilfe nachhaltiger Kriterien und via Active Ownership. Darüber hinaus gibt es Spezialitäten wie Impact-Fonds, die Wirkung über Green Bonds, Immobilieninvestments oder nachhaltige thematische Anlagen erzeugen.
Und wenn keiner der Ansätze greift – kommt es dann zum Deinvestment?
Poser: Richtig. Wir kennen auch den klaren, harten Ausschluss von Unternehmen – etwa bei Kohle, Atomkraft, Tabak, Gentechnik oder Waffen sowie von solchen Unternehmen, die Menschenrechte verletzen. Das betrifft aber nur eine geringe Anzahl von Firmen. Entscheidend ist vielmehr der Best-in-Class-Ansatz, mit dessen Hilfe wir die hinsichtlich Nachhaltigkeit hochwertigen Unternehmen herausfiltern.
Wie genau identifizieren Sie die Best-in-Class-Aktien?
Poser: Wir arbeiten hier mit einer hauseigenen Nachhaltigkeitsmatrix, die schon seit 20 Jahren besteht und mithilfe externer Datenprovider immer weiter ausgebaut und aktualisiert wird. In dieser Matrix gibt es ein Branchenrating und innerhalb jeder Branche schauen wir dann, welches die besten Unternehmen sind. Je nach Branche müssen die Unternehmen eine definierte Hürde überspringen, um es in unser Anlageuniversum zu schaffen.
Sie haben den Fonds JSS OekoSar Equity – Global jetzt internationaler ausgerichtet und in JSS Sustainable Equity – Global Thematic umbenannt. Welcher Anlagestrategie folgt er?
Poser: Der Fonds investiert in qualitativ hochwertige Unternehmen, sowohl was die Nachhaltigkeit als auch das Wachstumspotenzial angeht. Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit investieren wir nach dem erwähnten Best-in-Class-Verfahren. Die Anleger profitieren von transformatorischen Trends, indem der Fonds solche Themen besetzt, die als langfristige Nachhaltigkeits- und Wachstumsthemen gelten – etwa die Alterung der Gesellschaft, die Automatisierung und Digitalisierung, den Klimawandel und verantwortungsvollen Konsum.
Wie stark wurde der Fonds von der Corona-Krise getroffen?
Poser: Wie fast alle Aktien sind auch jene in unserem Portfolio zunächst gefallen, weil zu Beginn der Krise Aktien einfach undifferenziert verkauft wurden. Dann hat sich der Fonds aber relativ schnell wieder erholt und es hat sich gezeigt, dass wir die richtigen Aktien im Portfolio haben. Ende Mai lag der Fonds beachtliche 5,5 Prozent über dem Referenzindex.
Haben Sie das Portfolio aufgrund von Corona verändert?
Poser: Als die ersten Nachrichten aus Fernost kamen, haben wir Luxusgüter heruntergefahren, weil diese stark durch China im Besonderen und Asien im Allgemeinen getrieben werden. Im Gegenzug haben wir Titel erhöht, die mit Technologie, Digitalisierung oder E-Commerce in Verbindung stehen. Unternehmen wie Microsoft, Ebay oder Paypal profitieren davon, dass sich das Konsumentenverhalten verändert. Das wird kein Einmaleffekt sein, sondern eine Entwicklung, die länger anhält.
Gibt es Branchen, die Sie nicht mögen?
Poser: Aktuell die Energie- und die Rohstoffbranche, die angeschlagen sind und große Veränderungen vor sich haben. Das gilt in besonderem Maß für den Ölmarkt. Hier trifft eine mangelhafte Nachfrage auf ein sprudelndes Angebot. Die Lagerkapazitäten sind fast erschöpft und dann kommen geopolitische Probleme hinzu. Abgesehen davon zählen auch Tabak, Automobile und Zucker nicht zu unseren Favoriten.
Wie schätzen Sie die Märkte in den kommenden zwölf Monaten ein und was bedeutet das für Ihre Strategie?
Poser: Wir haben ja schon eine ziemliche Erholung der Aktienmärkte gesehen. Gleichzeitig gibt es weiterhin gute Visibilität an den Märkten. Das liegt daran, dass die Wissenschaftler uns klar sagen, wie die nächsten Monate aussehen werden. Es werden zwar weiterhin Vorsichtsmaßnahmen benötigt, aber es kann gelockert werden. Die Unsicherheit geht zurück, auch weil die Regierungen viel Geld für Konsumenten und Unternehmen zur Verfügung stellen. Wichtig ist und bleibt aber, die Branchen und Titel genau im Auge zu behalten, die von strukturellen Wachstumsthemen profitieren werden.
Was ist das Renditeziel des Fonds?
Poser: Wir machen unseren Anlegern keine Versprechungen. Ziel ist, den Referenzindex MSCI Welt konsistent zu schlagen. Das ist bisher gut gelungen – in steigenden und in fallenden Märkten und mit einer großen Nachhaltigkeitsqualität. Unser Fonds zeigt: Nachhaltigkeit bedeutet mehr Rendite. Das ist die wichtigste Botschaft!
Dr. Jan Amrit Poser ist Chief Strategist, Head Sustainability, bei der Bank J. Safra Sarasin AG. Dort verantwortet er seit 2013 den nachhaltigen Anlageprozess sowie das Nachhaltigkeitsmanagement der Bank. Zuvor arbeitete er für den Internationalen Währungsfonds in Washington und für eine Schweizer Großbank.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2020
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