„Mit einer Konsensmeinung kann ich nicht outperformen“

  • Ingmar Przewlocka
  • Senior-Portfoliomanager und Multi-Asset-Experte bei Schroders

MÜNCHEN – Für Ingmar Przewlocka ist Multi-Asset die Königsdisziplin für Portfoliomanager. Damit lasse sich alles umsetzen, was die Anleger wünschen, inklusive Mehrwert bezüglich der Rendite. Erfolgsvoraussetzung seien allerdings die nötigen Freiheitsgrade und die richtige Fertigungstiefe.

? Welches sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Vorteile eines Multi-Asset-Ansatzes?

Ingmar Przewlocka: Im Endeffekt sollte Multi-Asset, so wie wir das bei Schroders auffassen und umsetzen, das widerspiegeln, was die Anleger eigentlich möchten – eine sehr breit aufgestellte und sehr tief gehende Vermögensverwaltung. Bei Multi-­Asset haben wir die Möglichkeit, verschiedene Anlageklassen miteinander zu kombinieren, Übergewichtungen oder Untergewichtungen vorzunehmen und so über verschiedene Konjunkturzyklen hinweg einen deutlichen Mehrwert für den Anleger zu erreichen.

? Das klappt aber nicht immer.

Przewlocka: Nein, dazu braucht es die nötigen Freiheitsgrade, um wirklich sämtliche Möglichkeiten der Performancegenerierung nutzen zu können. Ich kann beispielsweise die Aktienquote zwischen null und 50 Prozent variieren, was ich je nach Marktsituation auch tatsächlich tue.

? Greifen bei Ihnen auch Profis zu?

Przewlocka: Ja natürlich. Kunden, die eine Core-Positionierung in ihrem Portfolio haben möchten. Für mich gehört eigentlich für jeden Anleger ein Multi-Asset-Fonds, sofern auch wirklich Multi-Asset gelebt wird, in die Gesamtallokation. Bei den Profis ist es so, dass sie unsere Prozesse schätzen, die Art und Weise, wie wir die Investments angehen – und sie schätzen vor allen Dingen auch die Fertigungstiefe.

? Was meinen Sie mit Fertigungstiefe?

Przewlocka: Der Managementprozess endet bei uns ja nicht damit, dass wir die Asset Allocation festlegen. Das muss auch bis auf die Ebene der Einzeltitel umgesetzt werden. Welche Titel sich beispielsweise aus einem Investmentthema wie der Global Disruption anbieten oder welche spezifischen Unternehmensanleihen aus dem Credit-Bereich selektiert werden. Ich gebe die grundsätzliche Allokation vor und die Einzeltitelauswahl übernehmen dann unsere Spezialisten. Das verstehe ich unter Fertigungstiefe im Multi-Asset-Bereich. Dies ist sehr leicht zu propagieren, sie müssen jedoch auch die Kapazitäten vorhalten, um dies tatsächlich zu leisten und um letztendlich die erforderliche Zielrendite glaubwürdig liefern zu können.

? Welchen Anteil hat bei Ihnen die strategische und welche die taktische Allokation?

Przewlocka: Da gibt es keine festen Quoten. Natürlich ist die strategische Allokation der primäre Treiber für die Gesamt­rendite. Aber die Aufteilung zwischen strategisch und taktisch variiert mit den Marktzyklen. Wir haben heute deutlich verkürzte Zyklen, was sich beispielsweise im Corona-Jahr 2020 bestätigt hat. Daher ist es erforderlich, dass beide Strategien optimal zusammenspielen.

? Wenn ich mir Ihr Portfolio anschaue, dann ist die Aktienquote schon recht ausgereizt. Was glauben Sie, wie lange Sie das noch beibehalten?

Przewlocka: Dieses Übergewicht reflektiert unseren positiven Ausblick für den Aktienbereich insbesondere im relativen Vergleich gegenüber anderen Asset-Klassen. Wir denken, dass in den kommenden Monaten noch weiteres Kurspotenzial besteht. Allerdings ändern sich die Märkte bisweilen relativ schnell und man muss natürlich zeitnah reagieren. Es ist wichtig, dass sie auch mal eine Position eingehen, die von anderen Marktteilnehmern skeptisch beurteilt wird. Insofern glauben wir, dass der Markt teilweise das weitere Kurs­potenzial bei Aktien noch unterschätzt.

? Um solche Positionen eingehen zu können, müssen Sie sicher erst Ihre Investmentgremien überzeugen.

Przewlocka: Viele dieser Ideen werden von mir vorgeschlagen oder kommen aus unserem Investmentkomitee. Das sind natürlich auch nicht immer einstimmige Entscheidungen. Man muss prinzipiell mit Fakten überzeugen, aber auch das persönliche Standing durch einen langfristigen Track-Record spielt eine bedeutende Rolle.

? Und wenn Sie eine schnelle Entscheidung brauchen?

Przewlocka: Wir haben genügend Flexibilität in unserem stringenten Investmentprozess, um zeitnah zu reagieren und den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Fonds gerecht zu werden.

? Welches sind aktuell Ihre Favoriten im Aktienbereich?

Przewlocka: Das ist einerseits der Energiesektor und andererseits auch der Bankenbereich. Und ganz generell bevorzugen wir momentan zyklische Value-Themen, aber im Besonderen diese zwei Sektoren, die wir schon Ende letzten Jahres übergewichtet haben. Den Banken kommt beispielsweise die Versteilerung der Zinsstrukturkurve insbesondere in Europa zugute. Darüber hinaus spielen günstige Bewertungen und ein deutliches Untergewicht dieses Sektors bei vielen Investoren eine tragende Rolle.

? Und bei den Energietiteln?

Przewlocka: Wir hatten im Energiesektor sehr attraktive Bewertungen der Unternehmen. Dazu kam ein Überhang der Nachfrage gegenüber dem vorhandenen Angebot, sodass der Bereich dieses deutliche Outperformance-Potenzial aufwies.

? Wie funktioniert Ihr Risikomanagement?

Przewlocka: Auf der einen Seite ist es ganz wichtig, dass wir immer im Blick haben, wie die Korrelationen der einzelnen Asset-­Klassen zueinanderstehen, weil wir zu starke Korrelationscluster vermeiden wollen. Zum anderen haben wir eine sehr stringente Exit-Policy, um unsere Risikobudgets optimal auszunutzen. Hierzu beziehen wir viele unterschiedliche markttechnische Faktoren mit ein.

? Wann fliegt ein Titel raus?

Przewlocka: Im Rahmen der erwähnten Exit-Policy bestimmen wir bei jeder Position, die wir eingehen, auch ein Kursziel sowie einen Stop-Loss-Kurs. Wird eines dieser Kursziele erreicht, exekutieren wir unsere Position. Selbstverständlich beinhaltet Risikomanagement den fortlaufenden Prozess, zum Beispiel bei nachhaltigen, sich fundamental ändernden Gegebenheiten Positionsanpassungen vorzunehmen.

? Ihre Aktienquote ist bei 50 Prozent gedeckelt. Finden Sie da auf der Bond­seite eine ausreichende Kompensation?

Przewlocka: Das ist ein wichtiges Thema. Bonds sind für uns nämlich keine Komponente des Risikoausgleichs, sondern eine Anlageklasse, mit der wir positive Returns erzielen können. Das Bondmanagement ist sehr vielfältig – und wir finden immer genug attraktive Möglichkeiten.

? Wie sind Sie zurzeit positioniert?

Przewlocka: Wir sind in Unternehmensanleihen investiert, sowohl im Investment-­Grade- als auch im High-Yield-Bereich, wohingegen wir bei Staatsanleihen Short-­Positionen haben, insbesondere im US-Anleihesegment. Wir gehen davon aus, dass sich die Renditen im kommenden Jahr global nach oben bewegen werden.

Ingmar Przewlocka ist seit Juni 2018 Senior-Portfoliomanager bei Schroders. Der Multi-Asset-Experte verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung und war zuvor unter anderem Gründungsmitglied und CIO von SKALIS AM sowie langjährig als Senior-Portfoliomanager Multi-Asset für den Asset-Manager der Munich Re, die MEAG, tätig.

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