Komplexe Integration und Analyse der Klimarisiken

  • Oliver Schmidt
  • Metzler AM

FRANKFURT – Die Messung der „Portfoliotemperatur“ – also die Messung des Erwärmungspotenzials mithilfe von Klimaszenarien und -modellen – rückt immer stärker in den Fokus von Anlegern. Doch diese Analysen sind mit zahlreichen Herausforderungen verbunden und müssen kritisch hinterfragt werden, sagt Metzler-Experte Oliver Schmidt.


Ab hier folgt die unredigierte Analyse von Oliver Schmidt, stellvertretender Leiter des Teams Equities bei Metzler Asset Management:

„In der wissenschaftlichen Forschung und Lehre spielen Klimaszenarien und -modelle schon seit vielen Jahren eine wichtige Rolle. So enthielt der erste Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bereits Klimaszenarien aus früheren Forschungsarbeiten. Was für den Weltklimarat seit rund 20 Jahren zum Alltagsgeschäft gehört, gewinnt nun auch als relativ neues Konzept im Finanz- und ­Unternehmensbereich an Bedeutung. Denn immer mehr Organisationen unterstützen oder fordern von ihren Mitgliedern entsprechende Analysen, darunter die Task Force for Climate­Related Disclosure (TCFD), die UN PRI und das Network for Greening the Financial System (NGFS).

Um Klimaszenarien erstellen zu können, bedarf es Klimamodelle. In solchen „integrierten Bewertungsmodellen für den Klimawandel“ lassen sich sehr unterschiedliche Informationen und Daten in einem kohärenten Rahmen zusammenführen, zum Beispiel über Klimasysteme, Wirtschaft und Ökologie. Forscher und Entscheidungsträger nutzen diese Modelle, um mögliche Antworten auf „Was wäre, wenn?“-Fragen zu erhalten – beispielsweise auf: Wie könnte die Welt die 1,5- oder Zwei-Grad-Ziele erreichen?

Auswirkungen des Klimaschutzes

Integrierte Bewertungsmodelle für den Klimawandel zeichnen sich dadurch aus, dass darin auch soziale und wirtschaftliche Faktoren berücksichtigt werden, die die Emission von Treibhausgasen antreiben. Die Modelle bieten also einen Rahmen für das Verständnis des Klimawandels und helfen, Optionen für den Umgang mit den daraus resultierenden Herausforderungen zu entwickeln.
Metzler Asset Management arbeitet in der Szenarioanalyse mit MSCI ESG Research zusammen; hierbei kommt das sogenannte asiatisch-pazifische integrierte Bewertungsmodell zum Einsatz. Ziel ist es, die Zukunft des Klimaschutzes und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft zu analysieren. In der Praxis lässt sich dieses Modell beispielsweise nutzen zur Standortbestimmung der 30 größten börsennotierten Aktiengesellschaften Deutschlands in puncto Erwärmungspotenzial – also ihrem jeweiligen Beitrag zu den weltweit steigenden Temperaturen.
Die eingesetzte Temperaturmetrik zielt darauf ab, die Geschäftsausrichtung der Unternehmen zu quantifizieren, mittels Pfaden, die den künftigen Temperaturzielen entsprechen. Dies ermöglicht einen standardisierten Vergleich zwischen den Unternehmen. Die Annahmen des Klimamodells beruhen auf den wiederholten Appellen des Weltklimarats (IPCC), den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad Celsius oder weniger gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. So können Investoren beurteilen, inwieweit die Geschäftstätigkeit der Unternehmen so ausgerichtet ist, dass sich die weltweit vereinbarten und im Pariser Abkommen verankerten Temperaturschwellenwerte wie „deutlich unter zwei Grad“ erreichen lassen.

Integration der analysierten Klimarisiken

Nachhaltigkeitskriterien zu integrieren, geht weit über die Analyse von Klimarisiken hinaus. Es hat sich der Begriff ESG für Kriterien aus den Themenfeldern Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) etabliert. Im Metzler Asset Management hat ESG-Integration das Ziel, durch den Einbezug wesentlicher Nachhaltigkeitsaspekte in die traditionelle Investmentanalyse das Rendite-Risiko-Profil der Portfolios zu verbessern. Dabei wird zum Beispiel ökonomisch bewertet, wie sich unterschiedliche allgemeine und branchenspezifische Schlüsselindikatoren auf den Geschäftserfolg auswirken.

Die finanzielle Analyse mithilfe von ökonomischen Bewertungsmodellen wird durch eine erweiterte ESG-Analyse abgerundet und hilft letztlich dem Portfoliomanager, seine Investmententscheidung auf der Basis umfassenderer Informationen zu treffen. Konkret umfasst die ESG-Analyse aller Aktien- und Rentenemittenten durch das Metzler-Portfoliomanagement folgende vier Schritte:

  1. Kontroverse Geschäftspraktiken wie schwere Fälle von Korruption und Bestechung identifizieren,
  2. ESG-Schlüsselindikatoren analysieren, zum Beispiel ESG-Ratings oder die Fähigkeit, Fachkräfte zu gewinnen, zu halten und zu entwickeln,
  3. Klimarisiken bewerten, zum Beispiel in puncto Zwei-Grad-Konformität,
  4. Umsätze in Themenfeldern mit strukturellen Trends identifizieren und messen, zum Beispiel erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Abfallvermeidung.

Eine Erkenntnis daraus ist, dass es wichtig ist, die Unternehmen bei ihrem Übergang in eine kohlenstoffarme Zukunft zu „begleiten“ – und daher auch zukunftsgerichtete Elemente in die ESG-Bewertung einzubeziehen. Beispielsweise wurde der Metzler European Dividend Sustainability Fonds im Vergleich zu den Benchmarks MSCI Europe und der sogenannten MSCI Europe Paris Aligned einem Klimacheck unterzogen.
Die Paris-konforme Benchmark strebt an, die Intensität der Treibhausgase um mindestens 50 Prozent im Vergleich zum Aktienindex MSCI Europe zu reduzieren. Dabei zeigt die Analyse, dass der Metzler European Dividend Sustainability im Vergleich zu den beiden Indizes deutlich stärker in Unternehmen investiert ist, die grüne Umsätze generieren und über grüne Patente verfügen. Zu grünen Umsätzen und Patenten gehören Geschäftsfelder wie alternative Energien, energieeffiziente Technologien, grünes Bauen und Recycling.

Fazit

Eine ökonomisch fundierte und ausgewogene ESG-Integration berücksichtigt Klimarisiken und ermöglicht zugleich, Performancechancen zu nutzen. Neben der Eindämmung des Klimawandels sollten Anleger aber auch Herausforderungen im Bereich Soziales und eine gute Unternehmensführung berücksichtigen. Durch den direkten Kontakt zu Unternehmen und die Analyse der Geschäftsmodelle kann aktives Management Schwächen von ESG-Daten zum Vorteil des Anlegers ausgleichen. Durch das reine Replizieren von regelgebundenen Indizes fehlt passiven Fonds diese Chance.“

Oliver Schmidt ist stellvertretender Leiter des Teams Equities bei Metzler Asset Management und als Portfoliomanager verantwortlich für die Investmentstrategie European Dividend. Er ist Mitglied des ESG-Boards und hat den Aufbau der Metzler ESG-Expertise konzeptionell begleitet. Seit 2021 ist er zudem Deputy Chief Investment Officer.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2021
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