Kollege Computer und die Tücken der Märkte

- Rüdiger Sälzle
- FondsConsult
FRANKFURT – 2022 war ein extremes Jahr, in dem Aktien und Anleihen gleichzeitig fielen und die wenigen Gewinnerbranchen durch ESG-Limits gesperrt waren. Davon blieben auch Robo-Advisor nicht verschont, wie FondsConsult-Chef Rüdiger Sälzle in der „Robo Advisor Studie 2023“ analysiert hat. Testsieger wurde VisualVest.
Das Münchner Analysehaus FondsConsult durchleuchtet regelmäßig die in Deutschland verfügbaren Robo-Angebote. Bei der Prüfung werden quantitative und qualitative Kriterien berücksichtigt. Zuletzt wurden 21 Anbieter analysiert, die jeweils mehrere Anlagestrategien anbieten – von defensiv über ausgeglichen bis zu offensiv, und bisweilen auch mit Abstufungen dazwischen.
„Im engeren Sinn sollte ein Robo-Advisor Kundenpräferenzen wie die Risikotragfähigkeit oder Liquiditätsanforderungen standardisiert aufnehmen und anschließend regelbasiert in einen Investmentvorschlag überführen“, definiert Rüdiger Sälzle, Geschäftsführer von FondsConsult und Studienleiter, zunächst einmal die Robos an sich. „Die Investments sollten dabei automatisiert und unter Minimierung menschlicher Eingriffe und auf Basis von Algorithmen transparent und dynamisch gesteuert beziehungsweise überwacht werden.“
Im aktuellen Anbieterspektrum stelle diese eigentliche Robo-Struktur allerdings noch immer die Ausnahme dar, so Sälzle. „Vielmehr finden sich darunter zu einem guten Teil klassische Vermögensverwaltungen im digitalen Mantel oder auch Anbieter, deren statisches Angebot sich nur unwesentlich von deutlich kostengünstigeren ETF-Sparplänen abgrenzt“, erklärt Sälzle. Als „statisch“ sind beispielsweise die Angebote von fintego, quirion und growney eingestuft.
Unter „dynamisch“ werden wiederum in der klassischen Vermögensverwaltung etablierte Investmentprozesse wie Anlageausschüsse oder Portfoliomanager sowie primär durch Algorithmen gesteuerte automatisierte Investmentansätze oder auch hybride Kombinationen aus „Mensch und Maschine“ subsumiert. Hierzu zählt FondsConsult Anbieter wie bevestor, VisualVest, ginmon, Minveo oder Solidvest.
Die Bewertung der Robo-Advisors
Der Blick auf die quantitativen Ergebnisse zeigt, dass das schwierige Marktumfeld im Jahr 2022 auch Robos zu schaffen machte, was sich in der Performance-Entwicklung einerseits und leichten Volumenrückgängen andererseits niedergeschlagen habe. Für die Benotung der Robo-Advisors sind die risikoadjustierten Performance-Ergebnisse über 36 Monate und über ein Jahr sowie das dafür eingegangene Risiko relevant.
Konkret reichten die Jahresergebnisse bei den untersuchten defensiven Portfolios von -4,08 Prozent bis -22 Prozent. Ausgewogen anlegende Portfolios beendeten das Jahr mit Rückgängen von -5,19 bis -28 Prozent, die dynamischen Varianten kamen auf Ergebnisse von -5,74 bis -33 Prozent. Die am offensivsten ausgerichteten Portfolios mussten Verluste zwischen -5,8 und -36,74 Prozent hinnehmen.
Zur Gesamtbenotung trägt das quantitative Ergebnis zu 50 Prozent bei, die qualitative Beurteilung stellt die andere Hälfte dar. Die qualitative Analyse bewertet Parameter wie den Anbieter, das Portfolio- und Risikomanagement, Umfang und Sinnhaftigkeit des Produktangebots, die Transparenz auf der Webseite, den Prozess der Anlegerprofilierung und nicht zuletzt die Kostenbelastung.
Die Gesamtnoten sind vorwiegend „gut“
Unter Berücksichtigung sämtlicher Kriterien kürte FondsConsult in seiner „Robo Advisor Studie 2023“ den Anbieter VisualVest zum Testsieger. Mit einer qualitativen Note von 1,3 und einer Anlagenote von 2,0 schaffte deren Chief Investment Officer Jörg Schmidt eine Gesamtnote von 1,7, was einem „gut +“ entspricht (siehe Grafik unten). Der Robo-Advisor der Genossenschaftsbanken verdanke sein gutes Abschneiden in erster Linie der künstlichen Intelligenz Malina, „die vor allem in den offensiveren Strategien langfristig das Kapital vermehrt und im schwierigen Jahr 2022 die Kundengelder besser als andere vor hohen Verlusten geschützt hat“, begründet Sälzle den Spitzenplatz.
Dicht hinter VisualVest und ebenfalls mit „gut +“ folgen quirion, Vorjahressieger Solidvest, bevestor, Minveo und ginmon. Damit überwog beim diesjährigen Test die Note „gut“ – mit geringen Abstufungen: Sechs weitere Anbieter konnten mit „gut“ abschließen, fünf Häuser erreichten ein „gut -“. Ausreißer nach unten ist Estably mit einer Bewertung von „befriedigend -“.
Estably habe auf beiden Seiten enttäuscht, qualitativ wie quantitativ gleichermaßen, mit hohen Verlusten in allen Strategien und einer nur rudimentären Umsetzung von ESG, so das Urteil von FondsConsult. „Ebenfalls am Ende der Rangliste findet sich die digitalisierte Private-Banking-Expertise von Warburg Invest, die sowohl bei der Wahl der Anleihen als auch bei der Aktien- und Themenselektion ihre Herausforderungen hatte“, führt Sälzle weiter aus. Daneben finde sich auch Fidelity Wealth Expert erneut am Ende der Tabelle – dennoch für beide noch „gut-“.
Die Volumenrückgänge ergaben sich nach Einschätzung von FondsConsult in erster Linie durch Wertverluste der Anlageportfolios. „Die Assets sind unseren Berechnungen zufolge von 11,5 Milliarden Euro im Vorjahr auf etwa 10,5 Milliarden Euro gesunken“, erklärt Sälzle. Allerdings stagnierten auch die Neuanlagen, womit die Branche vom erklärten Ziel, absehbar ein Volumen von 20 Milliarden Euro zu erreichen, wieder etwas entfernter sei.
Dass die Vermögenszahlen wiederum großteils geschätzt werden mussten, findet Sälzles Kritik: „Haben wir im letzten Jahr noch die gestiegene Transparenz der Anbieter hinsichtlich der verwalteten Assets gelobt, hat sich dieser Trend nun umgekehrt.“ Grund seien vermutlich die teilweise gesunkenen Volumina, über die weniger gern berichtet werde als über Rekordzuflüsse. „Dies wäre aus Kundensicht jedoch wünschenswert – so möchte man als Anleger durchaus wissen, wie groß der anvisierte Robo-Advisor ist oder ob dieser gerade mit größeren Abflüssen zu kämpfen hat“, resümiert der Studienleiter.
ESG verliert an Attraktivität
Last but not least hat FondsConsult aber auch zu bemängeln, dass das Thema ESG etwas in den Hintergrund gerückt ist. Einerseits weil die strikte Umsetzung von Ausschlüssen 2022 die wenigen Themenfelder abgeschnitten habe, die sich der negativen Kursentwicklung entziehen konnten. Andererseits aufgrund einer zunehmenden Müdigkeit, mit den immer neuen Anforderungen der EU-Regulatorik Schritt zu halten. Dies dürfte zusammen mit den Bestrebungen, neue Kundengruppen wie etwa die jüngere Anlegergeneration für Robo-Advisors zu interessieren, die größte Herausforderung im laufenden Jahr bleiben.
Grafik: Der Robo-Test von FondsConsult im Überblick