Klimaschutz: Zeitenwende in den USA

  • Gerhard Wagner
  • Swisscanto

FRANKFURT – Im Rahmen des „Inflation Reduction Act“ stecken die USA in der nächsten Dekade rund 370 Milliarden USD in den Klimaschutz. Das Ziel bis 2030: Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 2005, erklärt Gerhard Wagner, Portfolio Manager des Swisscanto (LU) Equity Fund Sustainable.

Ab hier folgt die Mitteilung der Gesellschaft:
„Der ‚Inflation Reduction Act‘ ist ein umfangreiches Paket, bei dem – aus unserer Sicht – drei Aspekte hervorzuheben sind. Erstens wirkt die Förderung des Klimaschutzes via sinkender Preise für erneuerbare Energieträger mittelfristig deflationär. Das ist zumindest die Sichtweise der US-Demokraten. Zweitens setzen die USA beim Klimaschutz vor allem auf finanzielle Anreize, zum Beispiel in Form von Steuergutschriften. Europa indes forciert das Marktinstrument der CO2-Bepreisung. Und drittens wird grüner Wasserstoff in den USA aufgrund sehr großzügiger Förderung aller Voraussicht nach günstiger sein als der so genannte blaue oder graue Wasserstoff.“

US-Präsident Joe Biden hat im August 2022 seine Unterschrift unter den „Inflation Reduction Act“ gesetzt und damit das größte Klimaschutzpaket in der Geschichte der USA auf den Weg gebracht. Gemäß Prognoserechnungen können die CO2-Emissionen der USA bis zum Jahr 2030 nun um 40 Prozent gegenüber 2005 gesenkt werden. Ohne dieses Programm wären die CO2-Emissionen aufgrund der bisher bestehenden Klimaschutzbemühungen nur um 25 bis 30 Prozent gesunken. „Dieses Klimaschutzprogramm ist für Joe Biden und die Umwelt somit definitiv ein Erfolg, auch wenn das ursprüngliche Ziel der Biden-Administration, die CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu senken, deutlich verfehlt wird“, so Wagner.

Inflationsbekämpfung via Klimaschutz

Um das US-Klimaschutzprogramm international einzuordnen, hilft ein Vergleich mit den Klima-Bestrebungen der Europäischen Union (EU). Der europäische „Green Deal“ ist bei der Senkung der CO2-Emissionen ambitionierter. Die EU hat sich verpflichtet, bis 2030 die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um 55 Prozent zu senken. Vor dem Hintergrund der Diskussionen um die so genannte Greenflation, das heißt steigende Energiepreise durch grüne Umwelttechnologien, ist es bemerkenswert, dass die US-Demokraten davon ausgehen, dass sich durch Klimaschutz mittelfristig die Inflation beschränken lässt.

Dies scheint auf den ersten Blick merkwürdig, weil der „Inflation Reduction Act“ den Ausbau der erneuerbaren Energien mithilfe von Steueranreizen beschleunigen will. Wie soll die Inflation mit dem Einsatz von Technologien bekämpft werden, die selbst noch subventioniert werden müssen? Die Antwort lautet: Die operativen Kosten der erneuerbaren Energien sind deutlich tiefer als bei fossilen Energieträgern. Dies senkt die Gesamtkosten, sobald die Anfangsinvestitionen zum größten Teil abgeschrieben sind. Ob die Inflation jedoch mit diesen Maßnahmen insgesamt reduziert werden kann, wird sich noch zeigen müssen.

Klimaschutz in den USA via Steuergutschriften, aber ohne Emissionshandel

Bemerkenswert ist ebenfalls, wie die USA das Klimaschutzziel erreichen wollen, nämlich durch Steuergutschriften und Zuschüsse, die wirtschaftlich generell als ineffizient gelten. Dagegen gilt der Emissionshandel nach Ansicht der meisten Klima-Ökonomen als das marktfreundlichste Instrument, um Klimaschutz zu erreichen. Darüber hinaus kann beim Emissionshandel ein gesetztes Emissionsziel – zumindest in der Theorie – zuverlässig erreicht werden, da die erlaubten CO2-Emissionen vorgegeben werden und der dafür notwendige CO2-Preis aus den sogenannten Vermeidungskosten folgt und durch den Markt verhandelt wird. Der CO2-Preis „sorgt“ so dafür, dass sich die kosteneffizientesten Umwelttechnologien zuerst durchsetzen, die teureren später. Dahinter steckt die Überzeugung, dass der freie Markt die verfügbaren Umwelttechnologien bei einem gegebenen CO2-Preis kosteneffizienter bereitstellt als der Staat. Warum setzten die USA dann nicht ähnlich wie die Europäische Union auf den kosteneffizienten CO2-Emissionshandel?

„Nach unserer Einschätzung arbeiten die USA gezielt mit Steuergutschriften, da sie das Ziel verfolgen, bei Schlüsselindustrien im Umweltbereich nicht vom großen Rivalen China abhängig zu sein. Heute wird vor allem der Großteil aller Solarzellen und Batterien für Elektrofahrzeuge in China produziert. Die USA möchten in diesen Zukunftsindustrien unabhängig von China werden. Deswegen gibt es nun großzügige Steuergutschriften, wenn die Wertschöpfung in den USA stattfindet. Protektionismus der heimischen Industrie ist mit Steuergutschriften leichter zu bewerkstelligen als mit dem CO2-Emissionshandel, der grundsätzlich auf freiem Handel beruht“, meint Wagner.

Bedeutung für Investorinnen und Investoren

„Steuergutschriften durch den Staat sind zum Teil ineffizient und führen dazu, dass einzelne Technologien großzügiger gefördert werden als andere“, sagt Wagner abschließend. „Dies wird sich unmittelbar auf die Profitabilität einzelner Unternehmen auswirken. Für Investoreninnen und Investoren offenbart sich hier eine Opportunität. Unter dem Strich lässt sich sicherlich sagen, dass für Unternehmen mit grünen Technologien und Wertschöpfungsketten in den USA durch den ‚Inflation Reduction Act‘ ein sehr günstiges Umfeld geschaffen wurde. Unternehmensbeispiele sind der US-amerikanische Solarmodul-Hersteller First Solar, der Brennstoffzellen-Hersteller Plug Power und Albermarle, einer der wichtigsten Hersteller von Lithium-Carbonat und -Hydroxid.“

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