Jupiter AM: Bremsen Argentinien und die Türkei die EM-Ralley?

  • Alejandro Arevalo
  • Jupiter AM

FRANKFURT — Bei Schwellenländeranleihen lässt sich die Marktstimmung in zwei Sichtweisen einteilen: strukturell und taktisch. Bisher dominiert die taktische, ein Ergebnis des Handelskriegs zwischen den USA und China. Alejandro Arevalo, Fondsmanager bei Jupiter AM, skizziert anhand der Beispiele Türkei und Argentinien, wie sich Märkte strukturell betrachten lassen.


Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:

Die derzeitige Marktstimmung gegenüber Schwellenländeranleihen (EM-Anleihen) lässt sich grob zweiteilen: in strukturelle und taktische Sichtweisen. Dieses Jahr begann damit, dass sich Marktteilnehmer sehr stark auf eine taktische Sichtweise konzentrierten – das Ergebnis der Handelsbeziehungen zwischen den USA und China. Ursprünglich wurde der Begriff „Handelskrieg“ genutzt, um diese Beziehung zu beschreiben. Dieser verwandelte sich dann in eine „Handelsruhe", als die Beziehung zwischen den beiden Ländern auftaute, bis hin zu „Handelsgesprächen" – inmitten von Anzeichen für Fortschritte bei einem Abkommen.

Angesichts der Tatsache, wie sehr sich die Rhetorik von Woche zu Woche ändern kann, glauben wir an einen vorsichtigen Ansatz. So können wir unseren Portfolios helfen, widerstandsfähig gegen Schlagzeilen zu sein, anstatt zu versuchen, starke Ansichten über die Handelsfrage selbst zu vertreten. Wir ziehen es vor, nicht das Risiko einzugehen, in einer Woche Recht zu haben und in der nächsten Woche schnell falsch zu liegen.

Ein Beispiel dafür, wie Märkte strukturell betrachtet werden können, sind dagegen die Türkei und Argentinien. Die Schwächen dieser Volkswirtschaften haben sich über Jahre aufgebaut und Stärke lässt sich, wenn überhaupt, auch erst über Jahre hinweg wieder aufbauen. Unsere strukturelle Sichtweise auf diese beiden Länder ist, dass es zwar einzelne Anleihen mit guten Bewertungen gibt, jedoch wird das Makrorisiko wahrscheinlich zu einer der höchsten Volatilitäten unter den Schwellenländern führen.

Die Türkei und Argentinien sind jedoch auf sehr unterschiedliche Weise dieser Volatilität ausgesetzt, wodurch sich neue Anlagechancen für aktive Manager eröffnen. Für uns sind eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Länder und ein agiler Investmentstil maßgeblich, um die attraktivsten risikobereinigten Renditen in den Schwellenmärkten zu erzielen. Am Beispiel der Türkei und Argentiniens lässt sich unser Ansatz gut veranschaulichen.

Dennoch werden wir immer wieder gefragt, ob die Türkei und Argentinien in diesem Jahr die Emerging Markets-Rallye verderben könnten, so wie bereits 2018. Nachdem die Faktoren, die für den Ausverkauf im vergangenen Jahr verantwortlich waren, weggefallen sind, befinden sich die Schwellenmärkte seit Jahresanfang wieder im Aufschwung. Die erneuten Zuflüsse in die Schwellenländer wurden von einer deutlich zurückhaltenderen US-Notenbank getrieben, die den Dollar im Zaum hält und zu einer gezielten Konjunkturabkühlung in China führt. Das lässt die Bewertungen in den Schwellenmärkten wieder attraktiv erscheinen.

Türkei: Defensiv aufgestellt mit liquiden Staatsanleihen in harter Währung

Die von uns gemanagte EM-Strategie ist in der Türkei untergewichtet, da wir den langfristigen gesamtwirtschaftlichen Ausblick des Landes skeptisch sehen. Die wirtschaftlichen Schwachstellen der Türkei sind bekannt: eine hohe Inflation und ein enormes Leistungsbilanzdefizit. Das sind auch die Hauptgründe dafür, dass die türkische Lira in den ersten acht Monaten des Jahres 2018 gegenüber dem US-Dollar um 40 Prozent eingebrochen ist. Das chronische Leistungsbilanzdefizit der Türkei verdeutlicht die Abhängigkeit des Landes von US-Dollar-Krediten zur Finanzierung des inländischen Konsumbooms unter Präsident Erdogan. Er geriet ins Stocken, als die USA die quantitative Lockerung im letzten Jahr für beendet erklärten und begannen, die Zinsen zu straffen. Die hohen Inflationsraten und Defizite der Türkei sind langfristige strukturelle Risiken, die vielleicht kurzfristig handhabbar sind, aber auch die weiterhin starke Anfälligkeit des Landes für externe Schocks verdeutlichen.

Im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich die Liquiditätssituation in der Türkei erholt und die Wirtschaft profitiert von ordentlichen kurzfristigen Renditen. Allerdings ist die Fiskalpolitik aktuell deutlich weniger diszipliniert als in früheren Krisen, die das Land irgendwie durchgestanden hat. Die große Unbekannte der Türkei sind die nicht bekannten Staatsausgaben. Diese Unbekannte wird immer größer, wie hoch die Summe insgesamt ist, ist aber unklar. Beispielsweise wird über „verdeckte Stimulusmaßnahmen“ als Eventualverbindlichkeiten des öffentlichen Sektors und subventionierte KMU-Kredite berichtet. Demgegenüber werden Staatsbanken gestützt, Investoren erhalten aber keinen Einblick in das tatsächliche Volumen an notleidenden Krediten im Bankensektor.

Aus diesen Gründen halten wir eine Position in liquiden türkischen Staatsanleihen und Anleihen staatsnaher Emittenten, die mit Credit Default Swaps (CDS) effektiv abgesichert werden können. Wir halten nur sehr wenige türkische Unternehmensanleihen, da eine schwache Performance hier nicht so einfach gemindert werden kann. Nach der jüngsten Rally erscheinen die Unternehmensbewertungen überhöht und wir sind eher vorsichtig, da die unbekannten Staatsausgaben der Türkei keine gute Nachricht für Risikoanlagen sein dürften. Mit unserem konservativen, auf Positionen in liquiden Staatsschuldtiteln fokussierten Ansatz können wir von Rallys an diesem Markt profitieren, sind aber auch nahe genug am Notausgang, falls es zu einem erneuten Volatilitätsschub kommen sollte.

Argentinien: Opportunistisch positioniert mit Unternehmensanleihen

Im Gegensatz zu den langfristigen Risiken, die wir in der Türkei sehen, stimmen uns in Argentinien vor allem die mittelfristigen politischen Risiken vorsichtig. Die erste Runde der Präsidentschaftswahlen findet im Oktober statt. Die Märkte dürften empfindlich auf eine politische Kräfteverschiebung von Präsident Macri hin zur ehemaligen Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner reagieren. Die Linkspopulistin Kirchner könnte erneut kandidieren und die Märkte fürchten eine Entweder-Oder-Entscheidung zwischen der Fortsetzung von Macris marktfreundlicher Politik und der Rückkehr zu drohenden Zahlungsausfällen.

In den Umfragen liegen beide derzeit gleichauf. Wenn sich die Wirtschaftsdaten des Landes nicht verbessern, werden sich auch Macris Umfragewerte kaum erholen, so dass seine Wiederwahl gefährdet sein könnte. Das BIP-Wachstum in Argentinien ist 2018 um 2,5 Prozent gesunken und die Inflationsrate lag Ende 2018 bei 47,6 Prozent – in Lateinamerika nur noch von Venezuela getoppt. Dadurch musste Macri den IWF um einen Rettungskredit in Höhe von 56 Milliarden US-Dollar ersuchen und unpopuläre Sparmaßnahmen ankündigen. In Verbindung mit einer ungelegenen Dürreperiode führte all dies zu einer dramatischen Währungskrise mit einem Wertverlust von mehr als 50 Prozent für den argentinischen Peso.

Die Sparmaßnahmen stürzten die argentinische Wirtschaft in eine Rezession, stärkten gleichzeitig aber auch das Anlegervertrauen, da viele hofften, dass sie die Grundlage für eine nachhaltige Erholung legen würden – was in gewissem Maße auch zutraf. In den letzten drei Monaten in 2018 ist die Produktion in der Landwirtschaft (einem Wirtschaftszweig, der 10 Prozent zum argentinischen BIP beiträgt) mit einer Jahresrate von 4 Prozent gewachsen. Bis Ende April 2019 hat sich die argentinische Wirtschaft insgesamt aber nur schleppend erholt. Im Januar betrug die Inflation im Vergleich zum Vormonat 2,9 Prozent und lag damit über der Markterwartung von 2 Prozent, was einen Ausverkauf argentinischer Assets auslöste. Im zweiten Quartal könnte die Lage aber wieder besser aussehen, da mit guten Ernteergebnissen gerechnet wird. Auch das argentinische Leistungsbilanzdefizit dürfte deutlich sinken, da der schwächere Peso in Verbindung mit rückläufigen Konsumzahlen und Investitionen zu einer Erholung der Exporte und einem Rückgang der Importe führen könnte.

Unterdessen dürften die Kapitalzuflüsse aufgrund des wahlbedingt unsicheren Ausblicks verhalten bleiben. Für aktive Investoren wie uns bieten sich dadurch weiterhin interessante Anlagechancen in Unternehmensanleihen mit einem attraktiven Carry, die im Vergleich zum breiten Index niedriger bewertet sind. Angesichts der genannten Risiken dürften argentinische Staatsanleihen anfällig für Wechselkursschwankungen bleiben. Daher halten wir keine Lokalwährungsanleihen. Im Vergleich zur Türkei halten wir Unternehmensanleihen in Argentinien für volatilitätsresistenter. 

Wir bevorzugen defensive Unternehmen wie Versorger und Flughäfen: Argentiniens internationale Flughäfen zum Beispiel profitieren von einer geringen Verschuldung und erwirtschaften US-Dollar-Erlösen, was eine gewisse Absicherung gegen Wechselkursschwankungen des Peso darstellt. Wir steuern unser Exposure weiterhin flexibel. Nachdem wir 2018 im Vergleich zum breiten Index in Argentinien größtenteils übergewichtet waren, halten wir aktuell ein neutrales taktisches Exposure, da sich bei einer anhaltenden Volatilität künftig bessere Anlagemöglichkeiten eröffnen könnten.

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