Immobilienportfolios werden immer vielfältiger

- Axel Vespermann
- Universal Investment
MÜNCHEN – „Die Zinswende belastet die Immobilienmärkte weniger als gedacht“, sagt Axel Vespermann, Head of Real Estate bei Universal Investment. Institutionelle Investoren würden sich trotz sinkender Renditen nicht von ihren Immobilien verabschieden – im Gegenteil. Stattdessen bauen sie ihre Diversifikation aus, sowohl regional als auch bei den Nutzungsarten.
Vor der Zinswende galten Immobilien vielen Investoren als sicherer Hafen und gleichzeitig auch als Zinsersatz für gering verzinste Anleihen. Das trieb die Preise in die Höhe und die Renditen in den Keller. So spiegelte eine von Universal Investment im Spätsommer 2021 durchgeführte Umfrage unter institutionellen Anlegern deren Sorge wider, dass die Immobilienklassen Wohnen, Büro und Einzelhandel im Zuge der hohen Nachfrage nach Zinssubstituten zu hoch bewertet sein könnten. Gleichzeitig zeigte sich aber auch, dass die hohen Bewertungsniveaus zugunsten erhöhter Sicherheit und Stabilität in Kauf genommen wurden. Deshalb blieb die Nachfrage unverändert hoch, besonders bei Core-Objekten in den Top-7-Städten.
Effekte der Zinswende
Die Folge der Zinswende für die Immobilienwirtschaft ist eine Umkehrung der Zustände der Niedrigzinsphase. Die Finanzierungskosten steigen durch höhere Zinsen auf geliehenes Kapital und senken damit in der Folge auch die Nettorenditen neuer Investments. Zudem ist davon auszugehen, dass Anleihen wieder zu einer attraktiven Alternative zur Generierung von Cashflows werden, die Renditeerwartungen an Immobilieninvestments zunehmen und mit etwas Verzug die Immobilienbewertungen in den renditekomprimierten Nutzungsarten durch zurückgehende Nachfrage etwas korrigieren.
Dass die Assetklasse Immobilien dennoch weiterhin eine große Rolle für die Portfolios institutioneller Anleger spielen wird und die beschriebenen Entwicklungen diese nicht weiter verunsichern, zeigt die aktuelle Umfrage von Universal Investment: Neun von zehn Anlegern planen demnach, die Immobilienallokation in den kommenden zwölf Monaten aufrechtzuerhalten oder sogar zu erhöhen. Das könnte unter anderem daran liegen, dass viele Anleger davon ausgehen, dass Immobilien in Inflationszeiten grundsätzlich Inflationsschutz bieten können, zum Beispiel wenn die höhere Inflation über Indexmietverträge an die Mieter weitergegeben werden. Doch auch die steigenden Ankaufrenditen im Zusammenhang mit der Korrektur von ehemals als sehr hoch eingeordneten Preisniveaus dürften ihren Teil dazu beitragen, dass Marktteilnehmer am Immobilienmarkt wieder mehr Chancen als Herausforderungen sehen.
Erstmals seit 2013 gehen die Befragten davon aus, dass sich die Cashflow-Rendite gegenüber dem Vorjahr nicht verringert, sondern mit erwarteten 3,85 Prozent wieder in etwa auf das Niveau von 2018 zurückkehrt. Im Zuge der sich korrigierenden Bewertungsniveaus werden institutionelle Anleger damit auch wieder verstärkt ihr Augenmerk auf die Cashflow-Rendite legen. Knapp zwei Drittel der Befragten gaben dies an, was einem Plus von 38,2 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr entspricht, als lediglich 25 Prozent der Befragten die Cashflow-Rendite ins Zentrum ihrer Aufmerksamkeit rücken wollten.
Strukturelle Veränderungen
Besonders interessant sind jedoch die Trends in der Immobilienwirtschaft, die abgekoppelt vom Zinsumfeld vonstattengehen. Im Wesentlichen sind das vier: Die Internationalisierung von Immobilienportfolios, die stärkere Durchmischung nach Nutzungsarten, die verstärkte Reaktion auf den strukturellen gesellschaftlichen Wandel und ganz allgemein die immer breitere Diversifizierung der Anleger.
So geht die Bestandsrate von deutschen und europäischen Immobilien 2022 in den Portfolios der befragten Investoren weiter nach unten und legt die fortschreitende Internationalisierung offen. 2022 liegen durchschnittlich 66,9 Prozent des Bestands in Deutschland, 17,4 Prozent im europäischen Ausland, 7,4 Prozent in Nordamerika, 4,2 Prozent in Asien und die restlichen 4,1 Prozent in Ozeanien oder Schwellenländern wie Brasilien. Damit büßten deutsche Immobilien im Bestand gegenüber dem Vorjahr 0,9 Prozentpunkte ein, Europa 4,7, während Nordamerika um 0,6 und Asien um 0,9 Prozentpunkte zulegten.
In Bezug auf die Zahlen von 2014 wird die strukturelle Internationalisierung der Immobilieninvestments noch deutlicher: In dieser Zeit hat der Anteil Deutschlands um 5,1 Prozentpunkte abgenommen, der Europas um 6,9 Prozentpunkte, während der Anteil Nordamerikas um 5,2 und Asiens um 3,4 Prozentpunkte gewachsen ist. Diese Entwicklungen dürften im Jahr 2023 weiter voranschreiten, denn die geplanten Neuinvestitionen entfallen zu 57,7 Prozent auf Deutschland, zu 20,8 Prozent auf Europa, zu 10,8 Prozent auf Nordamerika und zu 8,9 Prozent auf Asien.
Neue Nutzungsarten im Fokus
Im Niedrigzinsumfeld etablierten sich zudem ehemalige Nutzungsarten-Nischen, die unmittelbar in Zusammenhang mit den strukturellen Änderungen durch die Digitalisierung, die Urbanisierung, das Konsumverhalten und den demografischen Wandel stehen und durch die Covid-19-Pandemie verstärkt wurden. So hat die Umfrage 2021 gezeigt, dass Gesundheits-, Sozial-, Logistik- und Digital-Real-Estate-Immobilien an Bedeutung gewannen, da sie eine vergleichsweise höhere Rendite mit einer durch Megatrends stabilisierten Sicherheit verbanden und die ehemaligen Nischennutzungen zu Renditealternativen im Niedrigzinsumfeld erhoben.
Auch wenn das Zinsumfeld sich inzwischen geändert hat, sind die genannten Megatrends nach wie vor intakt. Der demografische Wandel befeuert die Nachfrage nach Pflegeeinrichtungen, Seniorenresidenzen oder Microliving-Apartments. Gesundheitsimmobilien stiegen von 2020 auf 2021 als geplante Investitionsklasse von 50 auf 58 Prozent, Seniorenresidenzen blieben fast unverändert bei 42 Prozent und Co-Living legte von 14 auf 50 Prozent am meisten zu. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass 79 Prozent der Befragten in der diesjährigen Umfrage den Effekt auf Renditen durch Implementierung der ESG-Kriterien als positiv für den Verkehrswert einordneten; 42 Prozent erwarten durch ESG-Bezug positive Auswirkungen auf den Cashflow eines Objekts.
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung wurde neben verstärktem Interesse an Rechenzentren oder Mobilfunkmasten im vergangenen Jahr auch eine verstärkte Nachfrage nach Logistikimmobilien festgestellt, die mit Onlinehandel und Urbanisierung zusammenhängt. Daneben gewinnen Last-Mile-Objekte, die bestellte Güter vom Rand eines Ballungsgebiets in den Kern transportieren und sich von der reinen Lagerhalle zu automatisierten Distributionszentren entwickeln, an Bedeutung – die Logistiknachfrage legte um 8,3 Prozentpunkte stark zu auf 17,5 Prozent der geplanten Neuinvestitionen.
Herausforderungen begegnen
Die Immobilienwirtschaft legt damit Erfindungsreichtum und Offenheit an den Tag. Unabhängig von Marktlage oder Zinsumfeld finden institutionelle Anleger immer Wege, den Herausforderungen zu begegnen und nachhaltig Rendite zu erzielen. Das wird vor allem dadurch möglich, dass potenzielle Risiken durch genaue Beobachtung der jeweiligen Megatrends entsprechend eingeordnet werden können und als das betrachtet werden, was sie eigentlich sind: Sicherheit und Stabilität bietende Gelegenheiten, dank langfristiger Entwicklungen breiter und offener in alternative Nutzungsarten zu investieren und zu diversifizieren.
Axel Vespermann ist Head of Real Estate bei Universal Investment und verantwortet die Unternehmensstrategie und das Produktmanagement für den Bereich Immobilien. Zuvor war er unter anderem für Jones Lang LaSalle, UBS Deutschland, Allianz Real Estate und Deka Immobilien tätig.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM 04/2022
Falls Sie sich für TiAM interessieren, klicken Sie bitte hier.