HELIUM – THE PEOPLE’S NETWORK – A real-life use case on blockchain

- Claus Hilpold
- L1 Digital AG
FRANKFURT – HELIUM ist mit dem Anspruch angetreten, das weltweit größte dezentrale Peer-to-Peer-Netzwerk für das Internet of Things (IoT) zu etablieren. Als Referent des 180. Hedgeworks beschreibt Claus Hilpold, Senior Advisor bei L1 Digital AG, das Projekt, das gänzlich dezentral Peer-to-Peer auf der Blockchain realisiert wird1.
„Das Netzwerk HELIUM basiert auf einem Open-Source-Code, welches im Niedrigfrequenzbereich Geräte miteinander verbindet und damit die Basis für das IoT bildet. HELIUM soll es ermöglichen, künftig kleinste Sensoren zu lokalisieren und hiervon Daten wie Standortdaten, Feuchtigkeits-, Luft- und Temperaturwerte etc. zu ermitteln und zu übertragen.
Entsprechende Geräte zur Lokalisierung, sogenannte „HELIUM Hotspots“, sind kaum grösser als ein typischer WLAN-Router und arbeiten im lizenzfreien Sub-Gigahertz-Niedrigfrequenzbereich (z.B. Europa 868 MHZ). Sie bilden hierbei die Brücke von Funksignalen zum Internet. Da HELIUM seine LongFi-Frequenz kompatibel zu dem bereits bestehenden Standard LoRaWan (Long Range Wide Area Network) gestaltet hat, bietet sich für die Vielzahl der bereits existierenden und auf der LoRaWan-Technologie basierenden Sensoren die Möglichkeit, diese künftig mit dem HELIUM -Netzwerk zu verknüpfen und nutzen zu können.
Die Protokollierung und Abrechnung für die Nutzung des Netzwerks erfolgt auf einer eigens hierfür programmierten Blockchain, die Abrechnung der Nutzung und der Datenübertragung erfolgt durch einen „HELIUM -Token“. Auf diese Weise werden Zahlungen im Microcent-Bereich erst möglich und ein spezieller Konsensus-Algorithmus, genannt „Proof of Coverage“, stellt vollautomatisiert die ordnungsgemäße Verifizierung von Standortdaten der entsprechenden HELIUM -Hotspots sicher.
Der Helium-Token als Nutzungstoken
Kryptowährungen können nach verschiedenen Kriterien klassifiziert werden. Nicht jede Kryptowährung ist mit dem Anspruch angetreten, die verschiedenen Funktionen des Geldes zu ersetzen oder zu ergänzen. Die International Token Standardization Association (ITSA) mit Sitz in Berlin ist dabei ein international anerkanntes Klassifizierungssystem zu etablieren2. Die nachfolgende Abbildung 1 klassifiziert Tokens nach der ITSA-Systematisierung.
Abbildung 1: Klassifizierung der Tokens nach dem ökonomischen Zweck
Quelle: https://itsa.global (Juni 2020)
Wie Abbildung 1 zu entnehmen ist, entfällt die Mehrzahl der Tokens auf die sogenannten Nutzungstokens. Die Zahlungstoken, also die Kryptowährungen im engeren Sinne, machen nur einen kleinen Teil des Universums aus.
Nutzungstoken werden primär dafür genutzt, um auf Protokollebene eine Art Gebühr für die Nutzung eines Dienstes zu erheben. Nutzungstoken stellen im Gegensatz zu Anlagetoken keine Wertpapiere dar und sind um eine „Community“ herum aufgebaut, mit dem Ziel, innerhalb der Plattformökonomie einen effizienteren und gerechteren Ausgleich aller Stakeholder zu ermöglichen und damit Netzwerkeffekte zum Vorteil aller zu nutzen, die an dem Netzwerk partizipieren3. Der beim Helium-Netzwerk zum Einsatz kommende Helium-Token „HNT“ stellt einen solchen Nutzungstoken dar.
Die Herausforderung zentraler Geschäftsmodelle im Bereich IoT
Das Geschäftsmodell des Einsatzes großer IoT-Netzwerke war bis dato die Achillesferse der IoT-Vision. In den letzten zehn Jahren gab es weltweit verschiedene maßgeschneiderte, lokale Bereitstellungen von IoT-Netzwerken (bspw. Sigfox, LoRA, MIOTY, NB IoT, The Things Network, etc.). Das zentral verwaltete Geschäftsmodell der Herstellung und Unterhaltung eines neuen drahtlosen Telekommunikationsnetzes ist wirtschaftlich sehr herausfordernd.
Durch den Einsatz einer Blockchain zur Koordinierung wirtschaftlicher Anreize ist Helium in der Lage, dieses Netzwerk mit weit weniger Kapital als ein zentralisiertes Unternehmen zu betreiben. Um zu verstehen, wie Helium die Kostenstruktur bestehender Mobilfunknetze unterbietet, muss man zunächst die bestehenden Kostenstrukturen des zentralisierten Modells berücksichtigen:
- Etablierte Netzbetreiber kaufen teure Sendemasten nebst Funktechnologie
- Sie kaufen/leasen Grundstücke für die Sendemasten
- Sie bezahlen Mitarbeiter, um die Sendemasten zu installieren und zu warten
- Sie unterhalten eine massive Back-End-Infrastruktur für Kundensupport, Abrechnung usw.
- Sie investieren aggressiv in Marketing und Vertrieb.
Da all dies geschehen muss, bevor das Netz Einnahmen erzielen kann, sind traditionelle Telekommunikationsunternehmen sehr kapitalintensiv.
Der dezentrale Lösungsansatz
HELIUM hat zum Ziel, ein globales Netzwerk aufzubauen, welches dezentral implementiert und zum Nutzen der Allgemeinheit und im Eigentum der Gemeinschaft operieren soll: „The People’s Network“. HELIUM verfolgt hierbei den Ansatz, die obige Kostenstruktur komplett umzudrehen und verkauft die Hotspots für anfänglich ca. 495 USD das Stück, wobei die Mitglieder der Community diese mit Hilfe einer App „Plug & Play“ via Smartphone installieren können. Auf diese Weise werden die ersten drei der oben aufgeführten Kosten aus HELIUM-Sicht an die Community ausgelagert. Im Gegenzug ermöglicht der Hotspot seinem Betreiber für bestimmte bereitgestellte Dienstleistungen, sogenannte HELIUM-Tokens (HNT), nach einem festgelegten Verteilungsplan zu verdienen (zu minen)4.
Abbildung 2: Verteilungsplan Helium Tokens
Quelle: https://www.helium.com/hnt 10. November 2020
Die Verteilung verändert sich über den Zeitablauf zu Gunsten eines zu erwartendem zunehmenden Netzwerk-Datentransfers wie in Abbildung 3 grafisch dargestellt.
Abbildung 3: Veränderung Verteilungsschlüssel HNT über den Zeitablauf
Quelle: https://www.helium.com/hnt 16. November 2020
Beim Bitcoin kommt ein Konsensusprotokoll namens Proof-of-Work zum Einsatz, das vorsieht, dass bestimmte komplexe Rechenaufgaben, quasi ein Puzzle, durch ein Trial &
Error-Verfahren gelöst werden und der Gewinner das Recht erhält, den nächsten Block in die Blockchain einzutragen und die damit zu verdienenden Mining-Fees zu vereinnahmen.
Wie Proof-of-Coverage funktioniert
Mit dem erstmaligen Set-up eines Helium Hotspots verbindet der Anwender nicht nur den Hotspot mit seinem Internetanschluss via LAN oder WLAN-Anschluss, er schreibt auch den genauen Standort des Hotspots via Satellitenerkennung seines Smartphones (GPS) in der Blockchain fest. Der Algorithmus sieht nun vor, dass regelmäßig geprüft wird, ob der Hotspot auch wirklich am vorgegebenen Platz steht und die entsprechende Coverage zur Verfügung stellt. Hierzu sendet der Algorithmus via Blockchain und damit via Internet eine verschlüsselte Nachricht an einen zufällig ausgewählten anderweitigen Hotspot mit dem Auftrag, diese Nachricht an einen in seiner Nähe positionierten Hotspot, aber diesmal via Funk (Longfi), weiterzuleiten.
Üblicherweise beinhaltet ein solcher Auftrag eine Reihenfolge von Hotspots (mind. 2; max. 7 Hotspots pro Auftrag) in der geografischen Nachbarschaft. Das heißt, Hotspot 1 schickt einen Auftrag an Hotspot 2, mit dem Auftrag, diese Nachricht teilweise zu entschlüsseln, eine Bestätigung zurückzuschicken und dann den weiteren Auftrag an Hotspot 3 weiterzuleiten. Ferner gibt es noch sogenannte Witnesses. Dies sind Hotspots in Funkreichweite, welche an dieser Stelle nicht direkt in den Auftrag eingebunden sind, jedoch das Signal beobachten und damit eine weitere Bestätigung abgeben können, wonach sich jeweiligen Hotspots in der Tat an dem vorgegebenen Standort befinden (Triangulation).
Jeder dieser Prozessschritte wird durch die Vergabe von HNT-Tokens incentiviert und je mehr Bestätigungen ein Hotspot für seinen genauen Standort erhält, umso höher steigt seine Wahrscheinlichkeit, dass er in die Konsensgruppe gewählt wird und damit das Recht erhält, den nächsten Block in die Blockchain einzutragen. Die nachfolgenden Abbildungen 4 & 5 illustrieren diesen Vorgang.
Abbildung 4: Proof of Coverage at Work 1
Quelle: https://developer.helium.com/blockchain/proof-of-coverage [19. November 2020]
Abbildung 5: Proof of Coverage at Work 2
Quelle: Helium Smartphone App [20. November 2020]
Anwendungsfälle für eine derartige Technologie
Die Anwendungsfälle für Sensoren im Bereich des IoT umfassen nicht nur diejenigen, welche ein Geo-Tracking erlauben. Die vorstellbare Bandbreite umfasst beispielsweise auch Temperatursensoren, Rauchmelder, Feuchtigkeitsmelder, Füllstandsanzeigen, Helligkeitssensoren, CO2-Messgeräte, etc. und könnte vermutlich noch beliebig erweitert werden. Nachfolgend zwei Anwendungsfälle aus der Praxis:
Haustier-Tracking: Aktuelle Haustier-Tracker sind teuer – in der Regel mindestens mehrere Dollar pro Monat – und die Akkulaufzeit der Tracker beträgt meist nur wenige Tage. Ein HELIUM-fähiger Haustier-Tracker hat eine Akkulaufzeit von bis zu zwei Jahren und die Kosten betragen lediglich ein Bruchteil dessen, was heute zu bezahlen ist. Der Haustier-Tracker-Anwendungsfall ist riesig; allein in den USA gibt es 90 Millionen Hunde und 96 Millionen Katzen.
Mikromobilitätsgeräte: Verleihfirmen für Fahrräder, E-Bikes oder E-Scooter bieten einen perfekten Anwendungsfall für die HELIUM-Technologie. Wenn Fahrzeuge von ihren Nutzern verbotenerweise im Kellerraum eines Hauses deponiert werden, gehen diese häufig verloren, da sie vom GPS-Signal nicht mehr erfasst werden. Es wird geschätzt, dass dem Anbieter Lime pro Monat mehr als 100.000 US-Dollar Kosten durch verlorene Mietfahrzeuge entstehen. Da die LongFi-Chips so wenig Akku benötigen, können Verleihfirmen in die Fahrzeuge einen HELIUM-Sensor installieren, um zu garantieren, dass diese selbst in Gebäuden und auch nach mehr als einem Jahr noch zu lokalisieren sind.
Anwendung und Kosten
Möchte ein Kunde von HELIUM das Netzwerk nutzen und Zugriff auf die Daten seiner Sensoren erhalten, benötigt er einen Datentarif, bei welchem er für die Menge an Daten (gemessen in Bytes) zu bezahlen hat. Beispielsweise kostet die Erfassung eines Sensors, welcher alle fünf Minuten rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr ein Datenpaket in der Größenordnung von 24 Bytes versendet, jährlich ca. 1,00 USD.
Um die Datenübertragungskosten für den Nutzer kalkulierbar zu machen und von den üblicherweise volatilen Preisen von Kryptowährungen und sogenannten Tokens zu entkoppeln, kauft dieser sogenannte Data-Credits (DC). Diese haben einen festen Preis in US-Dollar oder Euro. Im Gegenzug werden im Innenverhältnis Helium Tokens (HNT) aus dem Markt genommen. Im übertragenen Sinne kann man sich dieses „burn and mint equilibrium“ wie ein Aktienrückkaufprogramm vorstellen.
Neben dieser modellinhärenten natürlichen Nachfrage nach Helium-Tokens wird es aber im Falle einer erfolgreichen Etablierung des Netzwerkes auch möglich sein, dass Investoren durch den Kauf von Helium-Tokens an Kryptobörsen (wie z.B. Binance) vom zukünftigen Erfolg des Netzwerkes profitieren möchten und entsprechend für Nachfrage sorgen.“
Claus Hilpold, CFA, CAIA,
Im Jahr 2008 gründete er die POLARIS Investment Advisory AG in Zürich, ein erfolgreiches Vertriebsunternehmen für alternative Anlageformen an institutionelle Kunden in ganz Euro-pa, für welches er als Managing Partner tätig ist. Zuvor war er Head Business Development für Deutschland und Österreich bei Harcourt Investment Consulting AG und davor Teil des Derivate- und Strukturierungsteams der Commerzbank. Claus ist Mitgründer und Senior Ad-visor bei L1 Digital AG und unterstützt in dieser Funktion die Vertriebs- und Marketingaktivi-täten bei L1 Digital.
L1 Digital AG
Mit Sitz in der Schweiz konzentriert sich die L1 Digital AG als Investment Adviser auf die Erschließung von Investitionsmöglichkeiten in der Blockchain-Industrie, insbesondere auf die Analyse der besten Krypto- und Blockchainfonds, sowie Blockchain Projekte weltweit. Die Firma wurde im Jahr 2018 gemeinsam von Ray Hindi, Dr. Philipp Cottier, Armand van Hou-ten und Claus Hilpold in Zürich gegründet.
1 http://whitepaper.helium.com/ (10. November 2019)
2 Quelle: https://itsa.global/ [19. Juni 2020]
3 https://www.industry-of-things.de/die-verborgene-kraft-der-utility-tokens-a-731757/ [04. Juni 2019]
4 https://www.helium.com/tokens (10. November 2019)