„Governance steht immer am Anfang“

- Gianluca Manca
- Eurizon
FRANKFURT — Eurizon, der internationale Fondsanbieter mit italienischen Wurzeln, hat das gesamte Asset-Management nach ESG-Kriterien ausgerichtet. Dabei geht es Gianluca Manca, dem Leiter des Sustainability-Bereichs, in erster Linie darum, die Unternehmen zu nachhaltigem Wirtschaften zu bewegen.
? Eurizon ist sehr stark im Thema ESG engagiert. Inwieweit verlässt sich Eurizon auf externe Labels und Ratings?
Gianluca Manca: Labels und Ratings sind wichtig und schon lange am Markt präsent. Das Problem ist, man muss sich auf sie verlassen können und ihnen vertrauen. Das tue ich nur bedingt, weil die Anbieter oft nicht reguliert sind. Vielfach kann man auch nicht erkennen, weshalb ein Unternehmen gut oder schlecht geratet wurde.
? Was bedeutet das für Sie?
Manca: Wir überprüfen alles mittels Double Check.
? Wären eigene Ratings eine Lösung?
Manca: Das schon, aber Ratings müssen mit viel Aufwand entwickelt und erteilt werden, was sehr viele Mitarbeiter erfordert. Wir haben uns mit unserem Team von 13 Kollegen darauf verlegt, externe Ratings zu nutzen – aber sie eben auch gründlich zu hinterfragen.
? Was erwarten Sie von der EU-Kommission bezüglich ESG-Anlagen?
Manca: Was ich erwarte? Oder erhoffe?
? Zunächst die Erwartungen!
Manca: Ich erwarte, dass es einen Aktionsplan gibt, der nicht vor Ende des Jahres implementiert und deutlich weniger rigide ausfallen wird als angedacht. Die Vorlagen waren mit weitreichenden Kriterien ausgestattet, die wahrscheinlich so nicht durch die Parlamente kommen werden.
? Und Ihre Hoffnung?
Manca: Dass die Legislative keinen Raum für Freeriders lassen wird. Wir brauchen klare Vorschriften bezüglich Klimaschutz oder der Plastikvermeidung, die von Greenwashern nicht umgangen werden können.
? Wie erkennen Anleger, welche Unternehmen ESG-konform agieren?
Manca: Das ist nicht ganz leicht, denn dafür braucht es verlässliche und verifizierte Daten. Die NGOs etwa sind da sehr aktiv und sammeln überall in der Welt Daten über Vorfälle et cetera. Aber es wird nie wirklich überprüft, welches Ausmaß und welche Folgen diese Vorfälle wirklich haben. Für ein Investment ist das dann natürlich keine verlässliche Basis.
? Sondern?
Manca: Da kann ich mich nur wiederholen: verlässliche Daten heranziehen und diese überprüfen. Was nutzt es denn, wenn ein Analyst Ölgesellschaften dahingehend prüft, ob sie einen Betriebskindergarten haben und gute Sozialleistungen. Für mich ist wesentlich, was sie in ihrem Kerngeschäft machen, beim Bohren, Fördern und Verarbeiten. Hier sind oft die Gewichte falsch gesetzt, was man wissen muss, um richtig damit umzugehen.
? Es gibt immer noch Anleger, die glauben, dass ESG-Kriterien die Performance mindern. Wie sehen Sie das?
Manca: Es ist genau andersherum. In der längeren Sicht haben Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften, einen Vorteil, der sich früher oder später auch im Aktienkurs spiegeln wird. ESG-Kriterien sollen helfen, Risiken zu reduzieren, was Unternehmen einen Wettbewerbsvorsprung verschafft.
? Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die hinsichtlich ESG überprüft werden müssen. Wo legt Eurizon den größten Schwerpunkt – auf E, S oder G?
Manca: Ganz klar G, weil die Governance immer am Anfang steht. Ein Unternehmen muss gut geführt sein, um die Herausforderungen zu verstehen, die Fähigkeiten der Mitarbeiter richtig einzusetzen und die Probleme zu lösen. Natürlich ist das E wie Ecological auch wichtig, aber ohne G, also die gute Unternehmensführung, dürfte das kaum optimal umgesetzt werden.
? Wie können Sie überprüfen, ob und wie ESG-Kriterien eingehalten werden?
Manca: Durch Kommunikation, über Statements, die herausgegeben werden und testiert sind. Zugegeben war darauf in der Vergangenheit nicht immer Verlass. Aber testierte Fakten sind immer besser als reine Ankündigungen oder Versprechungen.
? Gibt es bei Eurizon auch Ausschlusskriterien, die verhindern, dass in bestimmte Unternehmen investiert wird?
Manca: Ja, das betrifft die kontroversen Waffen. Wir meiden Firmen, die mit der Produktion oder dem Handel befasst sind.
? Was tun Sie, um Ihre Analysten hinsichtlich ESG zu schulen und auf dem neuesten Stand zu halten?
Manca: Dazu veranstalten wir interne Master-Seminare und zur Auffrischung regelmäßige Tagessessions.
? Eurizon managt seine ESG-Portfolios überwiegend aktiv. Was sind die Vorteile gegenüber passiven Investments wie ETFs?
Manca: Der Vorteil ist, dass man selbst entscheiden kann, in welche Titel investiert wird. Bei ETFs entscheiden das die Indexanbieter. So könnte ein Unternehmen, das in einem ESG-Index nicht berücksichtigt ist, Maßnahmen eingeleitet haben, um die Ratings zu verbessern. Dann können aktive Manager einsteigen, via ETF geht das jedoch erst, wenn der Titel im Index ist.
? Inwieweit nehmen Sie die Interessen Ihrer Anleger wahr? Nehmen Sie aktiv an Hauptversammlungen teil, oder stehen Sie in einem direkten Dialog mit den Unternehmen?
Manca: Sowohl als auch. Seit rund zwei Jahren überprüfen wir alle Portfolios und reden mit den Unternehmen, die ein niedriges ESG-Rating haben, um zu verstehen, warum das so ist. Dann geben wir ihnen 18 Monate Zeit, um daran etwas zu ändern und die Ratings zu verbessern. Wir wollen einfach wissen, welche die Bad Guys sind – und die werden konsequent verkauft.
? Wie reagieren Sie, wenn ein negatives ESG-Reporting nach der Aufnahme einer Aktie in ein Portfolio erfolgt?
Manca: Auch hier gilt die 18-Monats-Frist. Wir wollen verstehen, was passiert ist, und mit unserem Einsatz etwas erreichen. Daher verkaufen wir nicht gleich, sondern versuchen, eine Verbesserung herbeizuführen.
? Abschließend gefragt, wie beurteilen Sie die Aussichten des ESG-Segments?
Manca: Meine Sorge ist, dass nachhaltiges Investieren sich zu einer reinen Modeveranstaltung entwickeln könnte, dass es zu viele Leute am Markt mit zu wenig Hintergrundwissen geben könnte und dass wir neue Skandale erleben könnten, was zu einer Enttäuschung bei den Investoren führt – und die sich schließlich abwenden.
? Und Ihre Hoffnung diesbezüglich?
Manca: Dass sich die Berücksichtigung von nachhaltigen Anlagekriterien bei Investitionsentscheidungen zum Standard entwickelt, zum weltweiten Mainstream.
Gianluca Manca ist Head of Sustainability bei Eurizon Capital und fokussiert sich seit Ende der 90er-Jahre als globaler Aktienmanager auf nachhaltige Investments. Er leitet den Sustainability-Bereich bei Eurizon Capital, ist Mitglied des EFAMA Stewardship & ESG Committee sowie des Italian Banking Association (ABI) Sustainability Teams.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2019
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