Geldpolitische Straffung: Auch diesmal wird nicht alles anders sein

- Axel D. Angermann
- FERI
FRANKFURT – „An den Kapitalmärkten wurde schon häufig die Losung ausgegeben, dass dieses Mal alles anders ist“, sagt Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt von FERI. Doch das habe sich immer wieder als Irrtum erwiesen. Auch dieses Mal werde „nicht alles anders sein“ und grundlegende ökonomische Zusammenhänge müssten nicht neu gedacht werden.
Ab hier folgt der Marktkommentar von Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe:
„Obwohl die Fed seit nunmehr 18 Monaten die Zinsen anhebt und die geldpolitische Straffung so stark ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr, scheint die Realwirtschaft in den USA davon kaum beeindruckt. Eigentlich sollte der deutliche Anstieg der Leitzinsen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage dämpfen und den Spielraum der Unternehmen für Preiserhöhungen so stark begrenzen, dass die Inflationsrate auf den angestrebten Zielwert sinkt. Soweit die Theorie. In der Praxis sind diese Zusammenhänge bislang nur in Ansätzen nachvollziehbar. Viele Beobachter und Analysten meinen deshalb, dass „dieses Mal alles anders ist“, die aktuelle Situation also nicht mit früheren Zyklen vergleichbar sei.
Damit verbunden ist eine beruhigende Botschaft an die Anleger an den Kapitalmärkten: Keine Sorge, die Fed wird die Inflation auf 2% auch ohne größere realwirtschaftliche Folgen zurückführen können. Gestützt wird diese Ansicht dadurch, dass die Fed ausweislich ihrer aktualisierten Projektionen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung vom September selbst dieser These zu folgen scheint. Der Blick auf die Projektionen zum weiteren Zinspfad der Fed zeigt dann allerdings eine enorme Unsicherheit im Offenmarktausschuss.
Ökonomische Wirkungsmechanismen werden nicht einfach außer Kraft gesetzt
Dass die geldpolitische Straffung bislang nicht zu einer signifikanten realwirtschaftlichen Eintrübung geführt hat, ist nicht zu bestreiten, jedoch gibt es dafür auch Gründe: Die noch aus der Pandemie-Zeit bestehenden Überschussersparnisse der Haushalte stützen vorerst den Konsum, der Inflation Reduction Act initiiert zusätzliche Ausrüstungsinvestitionen, am Häusermarkt bestehen angebotsseitige Engpässe, die stärkere Preisrückgänge erst einmal verhindern. Eine Rolle mag auch spielen, dass die geldpolitische Straffung auf einem sehr niedrigen Niveau begann und der Realzins erst relativ spät über den gleichgewichtsneutralen Zins stieg.
All das bedeutet aber nicht, dass die ökonomischen Zusammenhänge außer Kraft gesetzt wären. Der drastische Anstieg der Kreditzinsen gibt beispielsweise einen Hinweis darauf, dass eine deutlich verringerte Kreditnachfrage zu einer Abschwächung der Konsumdynamik führen wird.
Der entscheidende Punkt ist jedoch: Selbst wenn es zunächst gelänge, eine Rezession zu vermeiden, wäre es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass gleichzeitig die Inflation auf das angestrebte 2%-Ziel sänke. In einem anhaltend engen Arbeitsmarkt und bei anhaltend hoher gesamtwirtschaftlicher Nachfrage spricht fast alles dafür, dass die Lohnsteigerungen wieder anzögen und die Unternehmen weiterhin in der Lage wären, Preise anzuheben. Für diese These finden sich im jüngsten Survey der Stimmung in den kleinen und mittelgroßen Unternehmen einige Belege. In einer solchen Situation müsste die Fed entweder ihr Inflationsziel aufgeben (und damit ihre Reputation aufs Spiel setzen) oder aber die Zinsen weiter anheben, was dann kaum ohne größere realwirtschaftliche Folgen bleiben dürfte.
Auch dieses Mal ist nicht alles anders
An den Kapitalmärkten wurde schon häufig die Losung ausgegeben, dass „dieses Mal alles anders ist“. Zur Jahrtausendwende hielt sich lange Zeit die These, Unternehmensgewinne seien im heraufziehenden Zeitalter der „New Economy“ kein adäquates Maß mehr für die Bewertung von Aktienkursen. Dann platzte die „Dotcom“-Blase, und einer der größten Bärenmärkte der jüngeren Geschichte setzte ein. Und auch der noch im Jahr 2021 weit verbreitete Glaube daran, dass die Notenbanken es sich gar nicht erlauben könnten, die Zinsen substanziell anzuheben, weil dies den sofortigen Bankrott etlicher Staaten im Euroraum bedeuten würde, erwies sich als Irrtum. Auch dieses Mal wird „nicht alles anders sein“. Zumindest erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass grundlegende ökonomische Zusammenhänge neu gedacht werden müssten.“