GAM: Schwellenländeraktien unter der Lupe

  • Tim Love
  • GAM Investments

ZÜRICH — Ob der Handelskrieg zwischen den USA und China, die wirtschaftlichen Turbulenzen in der Türkei oder die Wahlen in Indien. Politische Ereignisse haben in der ersten Hälfte des Jahres für Bewegung an den Märkten gesorgt, was auch die Schwellenländer beeinflusst hat. Für Tim Love von GAM lohnt sich ein Blick auf die einzelnen Regionen.


Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:

In der ersten Jahreshälfte 2019 haben zahlreiche Schlagzeilen für viel Bewegung an den Märkten gesorgt, auch mit Auswirkungen auf die Schwellenländer. Sei es durch den anhaltenden Handelskrieg der USA mit China, die wirtschaftlichen Turbulenzen in der Türkei oder die erfolgreich verlaufene, weltweit größte demokratische Wahl in Indien. Zum Halbjahr lohnt daher ein Blick auf einzelne Regionen.

China: Positive Faktoren überwiegen

China beurteilen wir leicht positiv, da wir weitere Konjunkturmaßnahmen erwarten, die die Effekte des zunehmend zerrütteten Verhältnisses zu den USA ausgleichen sollten. Die Folgen der Beeinträchtigungen des zyklischen Wachstums durch den Handelskrieg und das schwache externe Wachstum werden durch zusätzliche geld-, fiskal- und industriepolitische Maßnahmen gemindert. Da die Regierung Trump inzwischen beinahe alle chinesischen Importe in die USA mit Zöllen von 25% belegt, haben wir unsere Wachstumsschätzungen für China jedoch reduziert. Damit tragen wir dem schwächeren Konjunkturumfeld in aller Welt und der jüngsten Eskalation im Handelskonflikt und Technologiesektor Rechnung.

Im Zuge dessen geben wir attraktiver bewerteten H-Aktien, die an der Börse in Hongkong gehandelt werden, derzeit den Vorzug gegenüber den in Festlandchina gehandelten A-Aktien. Nennenswert ist, dass die MSCI-Indizes seit Juni 2019 auch A-Aktien enthalten. Daher rechnen wir in diesem Bereich mit einer stärkeren Aktivität und behalten diese Entwicklung genau im Auge. Kurzfristig bleibt unser Fokus auf den binnenkonsumorientierten Nutznießern der Konjunkturmaßnahmen in den Sektoren Versicherungen, Immobilien, Haushaltsgeräte und Automobile. Auch exportorientierte Aktien könnten im Falle einer Beilegung des Handelskriegs durchaus steigen.

Der strukturelle Wandel mit verstärktem Fokus auf den Binnenkonsum, die stabilen Verschuldungsquoten, die verbesserte Qualität auf makro- und mikroökonomischer Ebene sowie der Kapitalzustrom durch die Öffnung der Kapitalmärkte für ausländische Investoren wirken unverändert positiv.

Türkei und Russland äußerst attraktiv

Nach den jüngsten Marktturbulenzen halten wir die Bewertungen in der Türkei für attraktiv, da Top-down-Faktoren unseres Erachtens Unterstützung bieten. Ein Risiko besteht darin, dass die weichen Kapitalkontrollen zu harten Kapitalkontrollen werden. Daher geben wir Unternehmen den Vorzug, die stabile Gewinne im Ausland erwirtschaften, Preisgestaltungskraft besitzen und über hohes Eigenkapital verfügen, zum Beispiel dem Getränkehersteller Coca Cola İçecek. Insgesamt ist unser Ausblick für die Türkei positiv.

Russland ist ein weiterer Markt, den wir stark favorisieren. Abgesehen von den steigenden Renditen und guten Deckungsquoten schätzen wir die Kreditwürdigkeit der Unternehmen als gut und deren Fundamentaldaten als solide ein. Wir beurteilen binnenkonjunkturorientierte zyklische Titel aus dem Stahlsektor sowie ausgewählte Öltitel positiv. Obwohl wir derzeit auch Ungarn, Kolumbien und Griechenland für attraktiv halten, könnten diese weniger liquiden Märkte jedoch auf eine veränderte Risikostimmung gegenüber dem US-Dollar in der Anlageklasse sowie auf länderspezifische Aspekte rund um die Europawahlen empfindlich reagieren.

Indien: Abwärtsrisiken im Auge behalten

Infolge der sehr guten Stimmung nach der Parlamentswahl, hat der indische Markt zugelegt und die Unsicherheit in Bezug auf die indische Wirtschaft wurde zum Großteil beseitigt. Die Beschäftigung hat im nunmehr 14. Monat in Folge zugenommen und der Anstieg im Mai war der stärkste seit Februar. Dies könnte zum Teil auch die Zuversicht der Unternehmen durch den Wahlausgang sowie die Erwartung widerspiegeln, dass das Wachstum davon kurzfristig gestützt wird. Unternehmen, die von Ministerpräsident Modis zweiter Amtszeit profitieren dürften, notieren bereits deutlich höher. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass die Fundamentaldaten viel entscheidender sein werden als politische oder thematische Aspekte. Bislang bestand eine starke Abhängigkeit von der US-Wirtschaft. Da das US-Wachstum vermutlich seinen Zenit überschritten hat und die Sorgen rund um den Welthandel wachsen, halten wir es für wichtig, die möglichen Abwärtsrisiken aufmerksam im Auge zu behalten.

Gegenwärtig nehmen wir eine neutrale Haltung gegenüber Indien ein. Der Markt ist teuer, obgleich die Unterstützung durch die Politik und das kräftige Inlandswachstum ermutigend sind. Wir sind positiv gegenüber Banken eingestellt, die zwar eine längere schwierige Phase hinter sich haben, sich aber dennoch zu defensiven Werten entwickeln könnten, wenn sich die Wirtschaft weiter verlangsamt. Dies liegt an ihren positiven Wachstumsaussichten und verbesserten Bilanzkennzahlen. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Reserve Bank of India (RBI) die Zinssätze senkt, da die Daten zum BIP-Wachstum schwach waren, die Inflation freundlich und die Liquidität unverändert knapp ist.

Aufwärtspotenzial in Mexiko und Brasilien, Zurückhaltung in Saudi-Arabien und GCC-Ländern

Unsere Zurückhaltung gegenüber Mexiko und Brasilien haben wir in den letzten Wochen ein wenig zurückgenommen. Der Handelskonflikt zwischen den USA und Mexiko steht vermutlich kurz vor einer Lösung oder zumindest dürften weitere Zölle vorläufig ausgesetzt werden. Deshalb sind wir davon überzeugt, dass die Bewertungen und die Währung auf relativer Betrachtungsebene gute Kaufgelegenheiten bieten, um in ausgewählte hochwertige und liquide Titel mit positivem freien Cashflow (FCF) zu investieren. In Brasilien halten wir ein weiteres Aufwärtspotenzial im dritten Quartal für möglich, falls die Regierung kleinere geplante Reformen umsetzt.

Obwohl Saudi-Arabien in den vergangenen beiden Jahren zu unseren bevorzugten Märkten zählte, empfehlen wir nun etwas mehr Zurückhaltung. Die wachsende Sorge über eine mögliche Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und dem Iran sowie das schwache globale Umfeld hatten zuletzt zu massiven Gewinnmitnahmen geführt. Folglich erlebten die Länder des Golf-Kooperationsrates (GCC) im Mai eine heftige Korrektur. Der S&P GCC Composite Index sank im Berichtsmonat um 5,43%. Dies fiel mit der ersten Phase der Aufnahme Saudi-Arabiens in den MSCI Emerging Market Index zusammen, wo das Land mittlerweile mit fast 3% vertreten ist – die gesamte Region Naher Osten und Nordafrika hingegen mit 3,3%. Wir erwarten, dass dieser Anteil bis Juni 2020 auf 5,4% steigt.

Das Extremrisiko eines potenziellen Angebots- und mithin Preisschocks beim Rohöl im Nahen Osten wächst. Die Wahrscheinlichkeit dafür schätzen wir aber als nicht überproportional hoch ein. Die harten Töne zwischen den USA und dem Iran sollten in den nächsten Quartalen abnehmen, sodass es unseres Erachtens nicht zu einem ausgewachsenen Krieg kommen sollte. Wir gehen davon aus, dass die GCC-Märkte ihren Fokus stärker auf die kräftige binnenkonjunkturelle Erholung legen, die in den zugehörigen Ländern bereits eingesetzt hat. Die anhaltend hohen Ölpreise sowie neue Programme zur Ausgabe von Staatsanleihen haben den Regierungen in der Region das Vertrauen gegeben, ihre Ausgabenprogramme fortzuführen. Gleichzeitig dürften höhere Inlandsinvestitionen in diesem und im nächsten Jahr auf das Kreditwachstum der Banken und die Unternehmensgewinne durchschlagen.

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