ESG-Regulierung – Auswirkungen auf deutsche (alternative) Asset Manager

  • Uwe Lill (li.)
  • Daniel Lühmann & Dr. Harald Glander (re.)

FRANKFURT — Environmental, Social and Governance – ESG sind Begriffe, welche nicht erst seit der Konsultation des Entwurfs des Merkblatts der BaFin zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken, Aufmerksamkeit unter den unterschiedlichen Akteuren im Finanzsektor erfahren haben. Sie stehen in Zusammenhang mit den ehrgeizigen Klimaschutz-, Umweltschutz- und Nachhaltigkeitszielen der EU, welche wesentliche Auswirkungen auf den europäischen Finanzsektor haben. Eine Einschätzung.

Ende September 2019 hat die BaFin den Entwurf eines Merkblatts zum Umgang mit dem Thema „Nachhaltigkeitsrisiken“ zur Konsultation gestellt. Darin weist sie darauf hin, dass verbindliche gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Vorgaben im Hinblick auf Nachhaltigkeitsrisiken durch das Merkblatt weder abgeschwächt noch erweitert werden sollen. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die noch ausstehenden europäi­schen Konkretisierungen zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken bei den im Anwendungsbereich des Merkblatts befindlichen Unternehmen. Dennoch möchte die BaFin den von ihr beaufsichtigten Unternehmen eine Orientierung im Umgang mit diesem Thema geben. Dazu definiert die BaFin in ihrem Entwurf den Begriff „Nachhaltigkeitsrisiken“.

Unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips sieht die BaFin das von ihr veröffentlichte Merkblatt als ein Kompendium von Good-Practices, das in den unterschiedlichen Unternehmen Anwendung finden soll. Somit stellt dieses beispielsweise für AIF-KVGen eine Ergänzung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement, wie sie in der KAMaRisk niedergelegt sind, dar.

Aktionsplan und Legislativvorschläge der EU-Kommission: Die Initiative der BaFin ist im Zusammenhang mit den europäischen Bemühungen zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums zu betrachten. Der Aktionsplan der Kommission soll das Erreichen der Klimaziele der Europäischen Union bis zum Jahr 2030 sicherstellen. Durch die Annahme der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen sowie des Übereinkommens von Paris über den Klimawandel im Jahr 2015 hat sich die EU verpflichtet, eine nachhaltige Gesellschaft und Wirtschaft zu fördern. Insoweit hat sich die EU unter anderem dazu verpflichtet, die Treibhausgasemissionen ihrer Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2030 um 40 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken.

Um die vereinbarten Klimaziele erreichen zu können, werden nach Einschätzung der EU-Kommission jährlich bis zu 180 Milliarden Euro zusätzlicher Investitionen benötigt. Auf Grundlage des von der Kommission im März 2018 vorgestellten Aktionsplans zur Finanzierung eines nachhaltigen Wachstums, soll dieser Investitionsrückstand durch die Hilfe des europäischen Finanzsektors aufgeholt werden. Der Fondsindustrie als Schnittstelle zwischen Investoren und (alternativen) Investments kommt dabei eine tragende Rolle zu.

Der Aktionsplan der Kommission berücksichtigt die Empfehlungen einer von ihr im Jahr 2016 eingesetzten hochrangigen Sachverständigengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen. Unter dem Eindruck der Empfehlungen der Sachverständigengruppe verfolgt die Kommission mit dem Aktionsplan drei Ziele. Kapitalflüsse sollen zunächst auf nachhaltige Investitionen umgelenkt werden, um ein nachhaltiges und integratives Wachstum zu erzielen. Ferner sollen durch die Umsetzung des Aktionsplans die finanziellen Risiken, welche sich aus Klimawandel, Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben, bewältigt werden. Schließlich soll auf lange Sicht die Transparenz in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit gefördert werden.

Die Umsetzung der zuvor genannten Ziele soll durch zehn Maßnahmen sichergestellt werden. Kernpunkte dieser Maßnahmen sind die Einführung eines europäischen Klassifikationssystems für nachhaltige Tätigkeiten (sog. Taxonomie). In diesem Zusammenhang hat die Kommission im Mai 2018 drei Legislativvorschläge zur Umsetzung des Aktionsplans veröffentlicht. Zentrales Element der Vorschläge ist die Taxonomie-Verordnung, auf deren Grundlage der Grad der ökologischen Nachhaltigkeit einer Investition messbar gemacht werden soll. Zu den Legislativvorschlägen der Kommission zählt auch die Offenlegungs-Verordnung. Diese sieht umfassende Offenlegungspflichten bezüglich der Nachhaltigkeitsrisiken für beispielsweise Finanzportfolioverwalter, AIF- und OGAW-Verwaltungsgesellschaften vor.

Änderungen europäischer Richtlinien und Level-2-Maßnahmen: Neben den Legislativvorschlägen der Kommission soll die Umsetzung des Aktionsplans durch Änderungen europäischer Richtlinien und dazugehöriger Level-2-Maßnahmen unterstützt werden. Hierzu hat die Kommission unter anderem die ESMA im Juni 2018 aufgefordert, Vorschläge für eine Implementierung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren durch die Änderung der OGAW-Richtlinie, der AIFM-Richtlinie sowie der zweiten Finanzmarkt-Richtlinie samt Level-2-Maßnahmen bis Ende April 2019 vorzubereiten. Mit den durch die ESMA erarbeiteten und bereits konsultierten Änderungsvorschlägen soll erreicht werden, dass einerseits zugelassene OGAW- und AIF-KVGen Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren aufgrund eines prinzipienbasierten Ansatzes in ihre interne Prozesse integrieren. Insoweit umfasst die Empfehlung der ESMA Vorgaben bezüglich der organisatorischen Anforderungen, der Verhaltenspflichten sowie an das Risikomanagement der KVGen. Andererseits sollen ESG-Präferenzen in die Prozesse und Verfahren der Unternehmen im Anwendungsbereich der zweiten Finanzmarkt-Richtlinie implementiert werden. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sollen demnach künftig die ESG-Präferenzen ihrer Kunden abfragen und diese Präferenzen in Bezug auf Produkte und Dienstleistungserbringung berücksichtigen.

Auswirkungen auf die Fondsindustrie: Das durch die BaFin zur Konsultation gestellte Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken kommt für die betroffenen Unternehmen zu keinem idealen Zeitpunkt. Mit dem Merkblatt unterstreicht die BaFin ihre Absicht, Nachhaltigkeit im Finanzsektor zu einem aufsichtsrechtlichen Schwerpunktthema zu machen. Nach Abschluss der Konsultation wird erwartet, dass dieses als Grundlage für die aufsichtliche Praxis der BaFin dienen wird. Dieser Umstand steht im Spannungsverhältnis zu der Umsetzung der europäischen Regulierungsbestrebungen. Zwar nimmt die Umsetzung des Aktionsplans der Kommission durch die Entwicklungen weiter Konturen an. Es wird aber wohl nicht zum zeitlichen Gleichlauf mit der BaFin-Initiative kommen. Insoweit ist durch die ausstehenden europäischen Konkretisierungen zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die unternehmens­eigenen Prozesse ein mehrstufiger Implementierungsprozess zu erwarten. Dies macht es nicht nur den betroffenen Unternehmen, sondern auch den (regulierten) Investoren schwer, einen gemeinsamen Nenner im Investitionsprozess zu finden. Durch den Druck der Kapitalgeber gibt es bereits jetzt auf der Seite der Investoren viele individuelle Kriterien, die im Rahmen eines nachhaltigen Investments Beachtung finden sollen.

Auch auf der politischen Ebene scheinen die europäischen und nationalen Bestrebungen in Bezug auf eine nachhaltige Finanzwirtschaft auseinanderzulaufen. So wird die Bundesregierung durch den Sustainable-Finance-Beirat bei der Umsetzung einer nachhaltigen Wirtschaftsfinanzierung unterstützt. Trotz der pluralistischen Zusammensetzung des Beirats, sind die betroffenen Unternehmen nicht durch ihre Interessenvertretungsverbände (bspw. BAI oder BVI) als Mitglieder des Beirats vertreten. Dies hat unter den betroffenen Verbänden zu Kritik geführt. Sind sie jedoch auf der europäischen Ebene am Gesetzgebungsprozess beratend beteiligt.

Trotz der Kritik am Status quo wird die Zukunft zeigen, ob die europäischen und nationalen Initiativen zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft führen und positive Auswirkungen auf die Klimaschutz-, Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsziele der EU haben werden.

Vitae
Dr. Harald Glander ist Rechtsanwalt und Partner bei Simmons & Simmons und im Bereich Financial Services und Investmentfonds am Frankfurter Standort von Simmons & Simmons tätig. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin und der University of Cape Town (LL.M.) hat er an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn zum Dr. jur. promoviert.

Daniel Lühmann ist Rechtsanwalt und Supervising Associate im Bereich Financial Services und Investmentfonds der inter­nationalen Wirtschaftskanzlei Simmons & Simmons und am Frankfurter Standort tätig.

Simmons & Simmons LLP ist eine führende Rechtsanwaltskanzlei mit über 1.500 Mitarbeitern in Asien, dem Nahen Osten und Europa. In Deutschland unterhält die Kanzlei Büros in Düsseldorf, Frankfurt am Main und München. Ein Schwerpunkt der internationalen Beratungstätigkeit von Simmons & Simmons stellt der Sektor Asset Management und Investmentfonds dar.

KONTAKT
Simmons & Simmons LLP
Dr. Harald S. Glander, LL.M.
Tel.: +49 (0)69 90 74 54-44
Mail: harald.glander@simmons-simmons.com

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