EM Corporates: Weniger riskant als US-Anleihen

- Louis Leutenegger
- BlueOrchard
FRANKFURT – „Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern sind viel besser als ihr Ruf“, sagt BlueOrchard-Manager Louis Leutenegger. Das zeige eine aktuelle Analyse seines Hauses. In Bezug auf Volatilität und Rendite würden sie sogar besser abschneiden als entsprechende US-Papiere.
Ab hier folgt die Marktanalyse von Louis Leutenegger, Portfolio Manager für Schwellenländeranleihen bei BlueOrchard:
„Unternehmensanleihen aus Schwellenländern gelten meist als riskanter und volatiler als ihre Pendants aus den Industrienationen. Doch mit dieser verbreiteten Einschätzung tun Investoren der Anlageklasse unrecht. Denn Corporate Bonds aus den Emerging Markets (EM) sind weniger riskant als mitunter angenommen. Dieses Ergebnis lieferte eine Analyse historischer Daten entsprechender Papiere im Vergleich zu US-Unternehmensanleihen. Demnach haben Schwellenländerbonds sowohl bei der Volatilität und der Wertentwicklung als auch bei den risikobereinigten Renditen im langfristigen Durchschnitt besser abgeschnitten.
Geringere Volatilität …
Zwar gab es bei den EM-Unternehmensanleihen einige Phasen der Volatilität, doch der allgemeine Trend zeigt, dass sie in den vergangenen Jahren weniger volatil waren als der US-Unternehmensindex. Tatsächlich lag die Volatilität des Index J. P. Morgan Corporate EMBI Broad Diversified Composite für EM-Corporates in den vergangenen zehn und 20 Jahren bei 4,9 Prozent beziehungsweise 5,4 Prozent (Stand Ende April 2023). Die Volatilität des Bloomberg Barclays US Corporate Index, der US-Unternehmensanleihen umfasst, erreichte dagegen 6,7 Prozent beziehungsweise 6,1 Prozent.
… und bessere Wertentwicklung
Auch in Bezug auf die Wertentwicklung übertrafen Unternehmensanleihen aus Schwellenländern ihre US-Counterparts. Die annualisierte Rendite der Schwellenländeranleihen lag mit 5,5 Prozent über einen Zeitraum von 20 Jahren bis Ende April 2023 deutlich höher als die der US-Corporates, die 4,1 Prozent betrug (Quelle: Bloomberg).
Attraktive risikobereinigte Renditen
Auch risikobereinigt schneiden Unternehmensanleihen aus Schwellenländern der Analyse zufolge besser ab. Dies zeigt die Untersuchung der Sharpe Ratio, das die Rendite pro Risikoeinheit misst. Über den genannten Zeitraum von zehn beziehungsweise 20 Jahren lag die Sharpe Ratio der EM-Unternehmensanleihen bei 0,41 beziehungsweise 0,78. Für den US-Unternehmensindex belief sich diese Kennzahl auf 0,19 beziehungsweise 0,46 – sie lag also deutlich niedriger, was bedeutet, dass Investoren in Unternehmensanleihen aus Schwellenländern für das von ihnen eingegangene Risiko mit höheren Renditen entschädigt wurden.
Dynamisches Wirtschaftswachstum
Für das gute Abschneiden der EM-Corporate-Bonds im Vergleich zu US-Unternehmensanleihen sind drei Faktoren als zentral anzusehen. Erstens das anhaltend dynamische Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern:
Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) konnten die Schwellenländer im Zeitraum von 2013 bis 2022 ein durchschnittliches Wachstum von 4,1 Prozent verzeichnen und damit mehr als doppelt so viel wie die Industrienationen mit 1,8 Prozent. Unternehmen in den Emerging Markets sind damit zugleich besser in der Lage, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen.
Darüber hinaus hat sich die Kreditqualität von EM-Unternehmensanleihen im Laufe der Jahre verbessert, wie eine Studie von J. P. Morgan zeigt. So lag der Nettoverschuldungsgrad, der die Nettoschulden eines Unternehmens ins Verhältnis zu dessen Ertragskraft setzt, in den globalen Schwellenländern Ende 2022 bei 1,1x, während dieser Wert im Jahr 2016 noch 2,1x betrug. Dies ist insofern bedeutsam, als dass eine höhere Kreditqualität von Unternehmensanleihen ein Indikator für eine geringere Ausfallwahrscheinlichkeit und somit ein niedrigeres Risiko für Investoren sein kann.
Geringere Duration …
Die im Schnitt geringere Zinsbindungsdauer (Duration), sprich die geringere Sensitivität gegenüber Zinssatzänderungen, ist ein weiterer Faktor, der für EM-Corporates spricht, weil eine niedrigere Duration zu einer geringeren Volatilität und zu höheren risikobereinigten Renditen beiträgt. Ende April 2023 betrug die Duration von EM-Corporates laut Bloomberg 4,3 Jahre. US-Unternehmensanleihen hingegen verzeichneten eine Duration von 7,2 Jahren.
… und bessere Risikostreuung
Als dritter Vorteil konnte in der Untersuchung eine höhere Heterogenität innerhalb der Schwellenländeranleihen gegenüber US-Unternehmenspapieren identifiziert werden. Schwellenländeranleihen sind in der Regel von hoher Diversifikation geprägt, da sie aus einer Vielzahl von Ländern mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Bedingungen stammen. Dies führt zu einer geringeren Korrelation zwischen den einzelnen Anleihen und damit zu einem höheren Potenzial zur Risikostreuung innerhalb der Anlageklasse.
Fazit: Potenzial für Investoren
Unternehmensanleihen aus Schwellenländern sind zwar verhältnismäßig riskant, die Daten zeigen jedoch, dass sie in der Vergangenheit weniger volatil waren als der US-Unternehmensindex und höhere risikobereinigte Renditen erzielten. Wie bei jeder Anlageklasse gibt es auch bei EM-Corporates Risiken, aber die verbesserten Kreditgrundlagen und das wirtschaftliche Wachstumspotenzial der Schwellenländer sollten nicht ignoriert werden.
Besonders für aktive Investoren, die eine Diversifizierung ihres Portfolios und höhere potenzielle Renditen anstreben, sind EM-Unternehmensanleihen einen Blick wert. Sie ermöglichen zum einen die Diversifizierung über verschiedene Regionen hinweg, und darüber hinaus können Portfolios durch eine aktive Auswahl von Titeln dynamisch an die sich ändernden Marktbedingungen angepasst werden. Durch lokales Fachwissen und stetige Überprüfung der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens können Fondsmanager Risiken gut steuern und Chancen gezielt nutzen – und dadurch einen Mehrwert für ihre Anleger schaffen.“
Louis Leutenegger, CFA, ist Portfolio Manager für Schwellenländeranleihen beim Schweizer Impact-Investment-Manager BlueOrchard. Zuvor war er bei der Credit Suisse tätig, zuletzt als Research Analyst für Corporate Bonds aus Lateinamerika.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM 03/2023
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