ELTIFs – Neue Fonds für Investments jenseits der Börsen

  • Dr. Andrea Vathje
  • Scope

MÜNCHEN – Lange verharrte das Fondsvehikel ELTIF in einem Dornröschenschlaf. Nun scheint es erwacht. Eine Analyse der Ratingagentur Scope zeigt: Der Markt ist viel größer als gedacht. Für Investoren eröffnen sich neue Wege, um in Infrastruktur, Private Equity und andere alternative Anlagen zu investieren, sagt Scope-Analystin Dr. Andrea Vathje.

„Die Europäische Union will die europäischen Finanzmärkte transparenter und stabiler machen, um sie gleichzeitig besser miteinander verknüpfen zu können. Als ein Baustein in diesem Prozess wurde 2015 ein neues Instrument für professionelle Investoren und vermögende Privatanleger geschaffen: der European Long-Term Investment Fund (ELTIF).
Mit dieser neuen Fondsgattung will die EU langfristige Investitionen in illiquiden Privatmarktanlagen ermöglichen, also Engagements in nicht-börsennotierten Anlageobjekten wie Infrastrukturprojekte, Unternehmensbeteiligungen (Private Equity), Fremdkapitalfinanzierungen (Private Debt) und Immobilien.
Das Regulierungsregime war mit großen Erwartungen gestartet. Doch in den ersten Jahren waren Angebot und Nachfrage eher dürftig. Von 2016 bis 2019 wurden gerade einmal 16 ELTIFs registriert. In den vergangenen zwei Jahren hat der Markt jedoch Fahrt aufgenommen. Im Jahr 2020 wurden immerhin zwölf ELTIFs aufgelegt, 2021 sogar 25.
Das in den ELTIFs verwaltete Vermögen hat daher deutlich zugelegt. Auf Basis einer repräsentativen Umfrage unter Asset-Managern beziffert Scope den ELTIF-Markt per Ende 2021 auf ein Volumen von 7,2 bis 7,7 Milliarden Euro. Er ist damit signifikant größer, als die Schätzung der europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA von 2,4 Milliarden Euro per April 2021 vermuten ließ.

Schon mehr als 30 ELTIF-Anbieter

Die Marktanalyse von Scope basiert auf den Daten von insgesamt 53 ELTIFs, die laut ESMA bis Ende Dezember 2021 bei einer nationalen Aufsichtsbehörde registriert worden sind oder von den Emittenten gemeldet wurden und in der aktiven Vermarktung sind. Angeboten werden diese von 31 verschiedenen Asset-Managern.
In Deutschland wurden bis Ende 2021 ungefähr 870 Millionen Euro in ELTIFs abgesetzt. Der Löwenanteil von knapp 590 Millionen Euro entfällt auf den klimaVest der Commerz Real, der als Impact-Fonds nach Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung in erneuerbare Energieanlagen und nachhaltige Infrastruktur investiert. Die restlichen rund 280 Millionen Euro wurden vor allem durch Private-Wealth-Einheiten in Großbanken platziert, etwa bei der Deutschen Bank, der UBS und der HVB.
Auch bei den Genossenschaftsbanken ist das Vehikel inzwischen angekommen. Union Investment hat gemeinsam mit Blackrock einen ELTIF aufgelegt, den UniAlternativ: Privatmarkt. Sein Portfolio soll zu ungefähr gleichen Teilen die Segmente Private Equity, Private Debt und Infrastruktur abdecken.
Auch wenn das Interesse an ELTIFs hierzulande wächst: Andere Länder sind bei der Nutzung viel weiter. Mit einem platzierten Volumen von 1,83 Milliarden Euro ist Italien der größte ELTIF-Markt in Europa. Geprägt ist die Nachfrage dort vor allem von privaten Investoren – zumeist aufgrund steuerlicher Anreize. Zweitgrößter ELTIF-Markt in Europa ist Frankreich mit 1,61 Milliarden Euro. Dort überwiegt das Angebot an professionellen Kunden.

Private Debt dominiert
Bei den Domizilen liegt Luxemburg vorn: Mit 23 derzeit aktiv vermarkteten ELTIFs wurden bei der Aufsichtsbehörde CSSF die meisten Produkte registriert. Hintergrund ist, dass sich der ELTIF grundsätzlich unkompliziert über den „European Passport“ in der gesamten Europäischen Union vertreiben lässt, sobald er in einem Mitgliedsstaat geprüft und genehmigt wurde.
Bei den von ELTIFs abgedeckten Assetklassen dominiert aktuell die Kategorie Private Debt. Die Scope-Analyse zeigt, dass dort 2,53 Milliarden Euro investiert sind. Das entspricht 36 Prozent des insgesamt in ELTIFs platzierten Volumens. Die zweitstärkste Assetklasse ist mit 2,17 Milliarden Euro die Kategorie Infrastruktur (31 Prozent). Rund 1,82 Milliarden Euro sind in Private-Equity-ELTIFs investiert (26 Prozent). Einige Produkte engagieren sich in mehreren Assetklassen. ELTIFs, die sich auf Immobilien fokussieren, sind derzeit keine signifikante Größe.
Die Scope-Studie offenbart noch zwei weitere interessante Details. So richtet sich zum einen knapp die Hälfte der ELTIFs ausschließlich an professionelle Investoren. Zum anderem stecken 2,46 Milliarden Euro beziehungsweise rund ein Drittel der platzierten Gelder in Fonds mit explizitem ESG-Bezug.

Anlegerschutz groß geschrieben

Nicht zuletzt als Lehre aus der globalen Finanzkrise stellt die EU bei ELTIFs den Anlegerschutz in den Mittelpunkt. So muss ein ELTIF verschiedene Maßgaben erfüllen. Dazu zählen transparente Kosten, ein begrenzter Fremdkapitaleinsatz, Depotfähigkeit und hohe Auflagen an den Asset-Manager in Bezug auf Diversifikation und Art des Investments. So müssen mindestens 70 Prozent des Fondsvolumens langfristig in Unternehmensbeteiligungen, Fremdkapitalfinanzierungen, Infrastruktur oder mittelständischen Unternehmen investiert sein.
Die Anforderungen an die Anleger sind ebenfalls restriktiv: Wer ein Vermögen von weniger als 500 000 Euro besitzt, darf maximal zehn Prozent davon in ELTIFs allokieren. Kombiniert mit dem vorgeschriebenen Mindestvermögen von 100 000 Euro ergibt sich eine Mindestanlagesumme von 10 000 Euro. Diese Restriktionen sollen die Anleger schützen, da ELTIFs in den meisten Fällen keine oder nur eine eingeschränkte Liquidität bieten. ELTIFs, die sich ausschließlich an professionelle Anleger richten, arbeiten im Regelfall mit deutlich höheren Mindestanlagesummen. Ein Pluspunkt dieser neuen Vehikel: Sie sind günstiger als die herkömmlichen Beteiligungsmodelle in Private-Markets-Strategien wie Dachfonds. Die jährlichen Managementgebühren von ELTIFs mit vergleichsweise kleiner Mindestinvestitionssumme von weniger als 100 000 Euro liegen ungefähr bei 0,95 bis 2,5 Prozent. In der Regel sind die Gebühren bei Private­Debt-Strategien angesichts der geringeren Ertragserwartungen niedriger als bei Private­Equity-Strategien. Viele ELTIFs verlangen neben einer fixen Managementgebühr auch eine Erfolgsgebühr. Bei einigen Produkten kann außerdem ein Ausgabeaufschlag erhoben werden, der bis zu fünf Prozent ausmacht.
Wer in ELTIFs investiert, braucht einen langen Atem. Selbst die Produkte mit der kürzesten Laufzeit – typischerweise die Private-Debt-ELTIFs – sind für fünf bis acht Jahre konzipiert. Private-Equity-Strategien verfügen in der Regel über eine Laufzeit zwischen acht und elf Jahren. Bei Produkten, die in Immobilien und Infrastruktur investieren, sind mehrere Jahrzehnte durchaus keine Seltenheit. Immerhin sehen ELTIFs, die eine Laufzeit von deutlich über zehn Jahren haben, die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückgabe vor.
Die Auswertung der Marktdaten zeigt, dass ELTIFs immer intensiver genutzt werden. Gleichwohl gibt es eine Reihe von Hürden, die ihre Verbreitung erschweren. So sehen sich die Anbieter einigen rechtlichen Herausforderungen gegenüber. Zudem ist die Abwicklung von ELTIFs meist komplex und mit hohem manuellen Aufwand verbunden. Für die Abwicklungs- und Fondsplattformen ist der ELTIF ein neues Produkt, für das Vertrags- und Systemanpassungen notwendig sind.
Dies stellt gerade den fragmentierten deutschen Bankenmarkt vor eine besondere Herausforderung. Hinzu kommt ein relativ aufwendiger Beratungsprozess, da das ELTIF-Regime bislang neben der Geeignetheitsprüfung nach MiFID II eine separate Geeignetheitsprüfung inklusive Vermögens-Check vorsieht.

Institutionelle greifen zu

Insbesondere bei kleinen und mittleren institutionellen Investoren wie Family Offices, Pensionskassen und Corporates ist der ELTIF beliebt. Auch wenn diese Anleger in der Regel über die Kapitalbasis verfügen, um direkt in Private-Markets-Beteiligungen ab fünf oder zehn Millionen Euro investieren zu können, schätzen sie an ELTIFs, dass sie diese mit vergleichsweise kleinen Tranchen zur Diversifikation des Portfolios einsetzen können. Auch die Depotfähigkeit und Kostenvorteile des ELTIFs gegenüber klassischen Unternehmensbeteiligungen spielen hier eine Rolle.
Privatanleger können bislang vor allem über die Private-Wealth-Einheiten von Großbanken auf ELTIFs zugreifen. Die Kunden in diesem Segment erhalten damit einen Zugang zu Private-Markets-Strategien, die bislang institutionellen Kunden vorbehalten waren, und können so ihr Portfolio diversifizieren.
Erst in den Kinderschuhen steckt der Vertrieb der ELTIFs an gehobene Privatkunden mit einem Anlagevermögen von mehr als 100 000 Euro, aber unterhalb des Private-Wealth-Segments. Hier erweist sich neben dem Abwicklungsthema häufig als Schwierigkeit, dass viele Banken sich nach der Finanzkrise aus dem Bereich der geschlossenen Beteiligungen zurückgezogen haben und damit kein aktuelles Know-how bei den Mitarbeitern über Private Markets besteht.
Auch im Segment der deutschen unabhängigen Vermögensverwalter ist der ELTIF bislang noch nicht angekommen. Hier beherrschen aktuell grundlegende Fragen die Diskussion, welche Voraussetzungen Haftungsdächer, Finanzanlagenvermittler (§ 34f GewO) oder Finanzdienstleister (§ 32 KWG) für den Vertrieb von ELTIFs erfüllen müssen.

Neue Fonds in der Pipeline

Nach anfänglichen Schwierigkeiten etabliert sich der ELTIF mittlerweile mehr und mehr im europäischen Private-Banking-Markt und auch bei den Asset-Managern. Die von Scope durchgeführte Umfrage zeigt, dass sehr viele Anbieter, die bereits einen ELTIF im Vertrieb haben oder hatten, an Folgeprodukten arbeiten. In den ersten vier Monaten 2022 sind bereits mehrere neue Produkte gestartet.
Mehrere Treiber könnten das Wachstum beflügeln. So wäre ein Sekundärmarkt für ELTIFs vorteilhaft – und sei es nur auf monatlicher oder quartalsweiser Basis. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass sich bei ausreichendem Volumen ein Sekundärmarkthandel entwickelt, ähnlich wie bei herkömmlichen Geschlossenen Fonds. Auch Anpassungen in den Fiskalgesetzen europäischer Länder würden helfen, um mit steuerlichen Anreizen langfristige Investments in Sachwerte und Infrastruktur zu fördern. Der Erfolg des ELTIF in Italien ist hierfür das beste Beispiel.
Für weiteren Schwung dürfte zudem die geplante Gesetzesnovelle sorgen. Zurzeit werden in der EU Möglichkeiten diskutiert, wie das ELTIF-Regelwerk verbessert werden kann. Die Entwicklung der Produkte und der Einstieg sollen dadurch erleichtert werden. Insgesamt spricht vieles dafür, dass sich die zuletzt beobachtete Dynamik weiterhin fortsetzen wird: Es besteht zum einen ein immenser Bedarf an der Finanzierung von langfristigen Investitionen. Zum anderen sollte im aktuellen Marktumfeld mit volatilem Aktienmarkt und immer noch vergleichsweise niedrigen Renditen am Rentenmarkt die Nachfrage nach alternativen Anlagen steigen.“

Dr. Andrea Vathje ist bei Scope Fund Analysis Seniorberaterin für Investment-Banking und Finanzprodukte. Zuvor besetzte sie leitende Positionen bei Macquarie und der Bank Vontobel im Zertifikatebereich. Nach ihrer Promotion war sie zunächst bei Sal. Oppenheim im Bereich der Produktstrukturierung tätig.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2022
Falls Sie sich für TiAM interessieren, klicken Sie bitte hier.

Zurückzum Seitenanfang