Ein neuer Zyklus hat begonnen – die Notwendigkeit für alternative Ertragsquellen bleibt

  • Tilmann Galler
  • J.P. Morgan AM

FRANKFURT – So massiv die Auswirkungen von COVID-19 auf die aktuellen Wirtschaftsaktivitäten sind: J.P. Morgan-Manager Tilmann Galler erwartet kaum unmittelbare Folgen für das langfristige Wirtschaftswachstum. Vielmehr erwartet er einen neuen Zyklus mit kräftigem Wirtschaftswachstum und Investitionschancen.


Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:

„Wir haben es aktuell mit einer Rezession und einem Baissemarkt zu tun, aber auch mit dem Beginn eines neuen Zyklus. Dieser wird seine eigenen Merkmale aufweisen, die zum Teil schon jetzt durch zahlreiche geld-und fiskalpolitische Maßnahmen geformt werden. Es ist aber wichtig, in dieser Situation nicht zyklische Themen mit langfristigen Herausforderungen zu vermischen“, betont Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management in Frankfurt. Und so sollte die durch das Coronavirus bedingte Rezession auf lange Sicht keine signifikante Beeinträchtigung des potenziellen Wachstums darstellen.

Diese und weitere Erkenntnisse bietet der überarbeitete langfristige Kapitalmarktausblick Long Term Capital Market Assumptions (kurz LTCMA) von J.P. Morgan Asset Management. Dieses umfangreiche Werk mit Ertragserwartungen und Hintergrundanalysen für 50 Anlageklassen und Währungen erscheint seit gut einem Vierteljahrhundert jeweils zum Jahresende – aktuell wurden die Ertragserwartungen erstmals einer unterjährigen Neubewertung unterzogen.
„Aufgrund des massiven Schocks, den COVID-19 an den Kapitalmärkten und in der gesamten Wirtschaft ausgelöst hat, haben wir untersucht, wie sich die drastischen Ausschläge der Anlagenpreise auf die langfristigen Ertragsaussichten und damit auf den Portfolioaufbau auswirken werden“, erläutert Galler. Dabei wurde keine Änderung an den Annahmen selbst vorgenommen, sondern der Einstiegspreis der Anlageklassen vom 30. September 2019 auf den Preis vom 31. März 2020 aktualisiert.
„Die globalen Aktienmärkte sind im Rekordtempo aus der Hausse in die Baisse umgeschwenkt und auch jetzt setzt sich die Marktvolatilität noch weiter fort. Da Marktneubewertungen bewegliche Ziele sind und bleiben, interessiert uns vor allem auch, wie sensibel die langfristigen Renditeprognosen auf die neuen Einstiegspreise reagieren“, führt der Experte aus. Auf dieser Basis ermittelt der Report für die wichtigsten Anlageklassen überarbeitete langfristige Ertragserwartungen für die nächsten zehn bis 15 Jahre.

Signifikanter Absturz der US-Staatsanleihenrenditen

„Aufgrund ihres höheren Zinsniveaus war der Rückgang der Renditen für US-Treasuries besonders dramatisch – die erwarteten Renditen für 10-jährige US-Anleihen sind um 70 Basispunkte zurückgegangen und der Index für langlaufende US-Staatsanleihen musste sogar einen Einbruch von 130 Basispunkten verzeichnen. Im Gegensatz dazu sind die erwarteten Renditen für Euro-Staatsanleihen tatsächlich um 30 Basispunkte angestiegen, was das außerordentlich niedrige Renditeniveau widerspiegelt, das bereits vor Beginn der Coronavirus-Krise vorherrschte.“
Auch die Ertragserwartungen für Unternehmensanleihen seien gestiegen und näherten sich in einigen Fällen denen der Aktienmärkte an. Der Experte warnt aber auch: „Die im April kommunizierte Erweiterung der Anleihenankäufe der US-Notenbank Federal Reserve auf den Unternehmensanleihenbereich wird den Trend verstärken, dass Privatanleger in höher rentierliche Bereiche gedrängt werden. Die Erträge im Hochzinsbereich und aus Spread-Produkten bleiben trotz der jüngsten Spread-Verengung relativ hoch. Und so wichtig der Diversifikationseffekt von Staatsanleihen in einer Rezession ist, bleibt der langfristige Ausblick aufgrund von erwarteten finanziellen Repressionen doch eher verhalten.“

Aktien und alternative Anlagen profitieren

Aufgrund des deutlichen Kursrückgangs seien die erwarteten langfristigen Aktienrenditen durchweg zwischen 1 und 2,5 Prozent angestiegen. „Auch wenn die derzeitige Rezession in diesem und voraussichtlich auch im nächsten Jahr auf Unternehmensgewinne und – bei Inanspruchnahme von Staatshilfen – auch auf Dividenden Auswirkungen hat, sehen wir langfristig die Trendgewinne und -margen in unserem Ausblick weitgehend stabil. Infolgedessen hängt die wesentliche Änderung unserer Prognosen mit den Bewertungen und damit den vorherrschenden Preisen zusammen“, erläutert Galler.

„Analog dazu fallen auch die Prognosen für alternative Anlageklassen wie Hedgefonds oder Private Equity weiterhin optimistisch aus und die Marktvolatilität bestätigt, dass es mittelfristig gute Aussichten für die Zusatzerträge in diesen Segmenten gibt. Bei Real Assets entfällt ein Großteil des Abschlags der Kapitalwerte auf die rezessionsbedingte kurzfristige Beeinträchtigung der Cashflows. Im Laufe der Zeit sollten sich diese erholen – zunächst in stabileren Kernsektoren wie der Logistik und später in zyklischeren Sektoren wie Hotels. Und so ist ein weiteres Fazit des Reports, dass Anlageklassen wie Immobilien im Core-Segment und Infrastrukturanlagen aufgrund ihrer diversifizierenden und einkommensfokussierten Ertragsmerkmale an Bedeutung gewinnen sollten.

Je stärker die Kurse fallen, desto optimistischer der langfristige Ausblick

Erst in einigen Monaten werden sich die Merkmale des nächsten Zyklus und die Auswirkungen der geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen deutlicher abzeichnen. Aber eines zeigt sich anhand der Neubewertungen in den LTCMA sehr klar und wird durch angepasste Renditeerwartungen auf Basis der geänderten Einstiegspreise zusätzlich bestätigt: Je stärker die Kurse kurzfristig fallen, desto stärker ist der Impuls für die langfristig erwarteten Renditen. Oder anders gesagt: Je pessimistischer die Einschätzung der Lage heute ist, desto optimistischer kann der langfristige Ertragsausblick ausfallen“ unterstreicht Tilmann Galler.

Zudem gebe es neben den unmittelbaren Auswirkungen der Preisvolatilität auf die Renditeerwartungen einige langfristige Themen, die den nächsten Zyklus charakterisieren werden: „Erstens glauben wir, dass fiskalische Anreize einen entscheidenden Einfluss haben werden. Während in der gegenwärtigen Rezession natürlich gleichzeitig ein Desinflationsdruck und niedrige Anleiherenditen auftreten werden, dürfte der nachfrageseitige Anreiz, den die fiskalische Expansion darstellt, mittelfristig steilere Zinsstrukturkurven und einen reflationären Druck bedeuten“, erläutert der Experte.

„Dies dürfte Aktien im Verhältnis zu Anleihen über den gesamten Umfang des Prognosezeitraums von zehn bis 15 Jahren in hohem Maße unterstützen. Dennoch könnten steilere Kurven und mehr Spielraum für einen Reflationszyklus bei der nächsten Expansion die Führung auf den Aktienmärkten verschieben.

Value-Aktien waren in den letzten zehn Jahren nie wirklich erfolgreich, weil niedrige Renditen und die sehr geringe Inflation längerfristige Beteiligungen und einen Wachstumsstil begünstigt haben – das könnte sich mittelfristig verschieben“, so Gallers Überlegung. Ebenso habe es nicht zuletzt durch den Aufstieg der Technologie in den letzten zehn Jahren das „amerikanische Jahrzehnt“ bei den Aktienrenditen gegeben. „Das Thema Technologie bleibt uns sicherlich erhalten, jedoch könnten durch eine massive Förderung erneuerbarer Energien sowie Nachhaltigkeit durch staatliche Programme in den 2020er-Jahren andere Regionen aufholen“, gibt der Experte zu bedenken.

Und so sind Galler und die weiteren Autoren der LTCMA sicher, dass nach dieser Rezession ein kräftiges Wirtschaftswachstum einsetzen wird und sich weiterhin Investitionschancen bieten werden. „Die Coronakrise ist eine zyklische Entwicklung und wird vielleicht sogar als Katalysator Themen und Trends verstärken, die wir schon vorher gesehen haben. Allerdings manövrieren sich die Zentralbanken derzeit in eine Situation, wo ihr Spielraum, unabhängig zu agieren, immer enger wird. Das begrenzt sie zusehends und Anleger müssen sich auf weiter niedrige Zinsen einstellen und ihre Allokation diversifizierter und aktiver als je zuvor an diese Herausforderungen anpassen“, so Gallers Fazit.

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