„Ein ereignisreiches und abwechslungsreiches Regulierungsjahr steht bevor!“

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  • Frank Dornseifer (links)
  • Philipp Bunnenberg

FRANKFURT – Anlässlich des 191. Hedgeworks blicken die BAI-Verantwortlichen Frank Dornseifer und Philipp Bunnenberg aus Sicht der Alternatives-Branche auf das Anlagejahr 2022. Zugleich stellen sie die Ergebnisse aus dem aktuellen BAI Investor Survey vor.

Hedgework: Lassen Sie uns zunächst bitte ein Resümee ziehen, wie sich der AI-Markt 2021 entwickelt hat.
Philipp Bunnenberg: 2021 war rückblickend sicherlich ein Ausnahmejahr. Alternative Investments haben sich bereits im turbulenten Jahr 2020 als widerstandsfähig erwiesen, sodass Asset Manager und Investoren im vergangenen Jahr ihre Erfahrung und Fähigkeit, sich dem schnell verändernden Marktumfeld anzupassen, unter Beweis stellen konnten und 2021 zu einem Rekordjahr in puncto Deals machten. Die globalen Assets under Management (AuM) haben neue Rekordstände erreicht. Dasselbe gilt für das Dry Powder, wobei das Verhältnis von Dry Powder zu den AuM in einigen alternativen Anlageklassen zurückgegangen ist. Alles in allem haben Fonds trotz kompetitiveren Marktbedingungen keine gravierenden Schwierigkeiten, Kapital zu investieren.

Hedgework: Und wie sehen Sie die Entwicklung 2022?
Bunnenberg: Wir beobachten natürlich aufmerksam die zunehmende Unsicherheit an den Kapitalmärkten. Trotz dessen blicken wir nach wie vor zuversichtlich auf 2022. Es ist die Auswertung unserer jährlichen Investorenumfrage, die uns positiv stimmt. Insbesondere in den illiquiden Assetklassen, namentlich Private Equity, Private Debt und Infrastruktur, wollen die Investoren ihre Quoten weiter aufstocken, sodass wir unsere Prognose der langfristigen Wachstumsrate der AI-Portfolioallokation deutscher Investoren von rund fünf Prozent jährlich aufrechterhalten. Zur Einordnung – Branchenverbände in anderen Ländern als auch nationale und internationale Datenanbieter sagen zum Teil noch deutlich höhere Wachstumsraten für die gesamte AI-Industrie in den kommenden Jahren voraus.

Hedgework: Welche Auswirkungen wird ein geldpolitisches Umsteuern seitens der Notenbanken bringen?
Bunnenberg: Das lässt sich unmöglich pauschal für die diversen Alternative Markets beantworten. Unsere Verbandsmitglieder, die über verschiedene Assetklassen und Strategien hinweg aufgestellt sind, spiegeln die Heterogenität der Märkte anschaulich wider. Manager von eher liquiden Strategien werden anders betroffen sein als Manager von Private-Markets-Strategien, ein Private-Equity-Manager wiederum anders als ein Private-Debt-Manager. Grundsätzlich gehe ich aber nicht davon aus, dass ein verhaltener Zinsanstieg Alternative Investments unattraktiver macht, bedeutet es doch auch, dass wir wieder einen Schritt in die richtige Richtung, hin zur Normalität, raus aus dem Niedrigzinsumfeld, machen. Kurzfristiger Gegenwind ist bei solchen geldpolitischen Richtungswechseln nicht überraschend. Bereits die Ankündigung von Tapering, dem Entzug der Märkte von Liquidität, führt derzeit zu einem Rückgang der liquiden Assetpreise. Auch für Private-Equity-Investoren ist es im gegenwärtigen Marktumfeld mit rekordverdächtigen Bewertungsniveaus sehr viel schwieriger geworden, die Renditen der vergangenen Jahre zu bestätigen. Steigen nun die langfristigen Zinsen, nehmen auch die LBO-Finanzierungskosten zu. Das erhöht den Druck auf die Asset Manager zusätzlich.

Hedgework: Und wie kann die Branche darauf reagieren?
Bunnenberg: Auch dafür gibt es kein einfach zu befolgendes Kochrezept. Unsere Verbandsmitglieder bringen natürlich die nötige, langfristige Erfahrung mit, um für alle möglichen Szenarien gewappnet zu sein. Das gilt aber mittlerweile auch für die deutschen institutionellen Investoren, die ihre AI-Erfahrung laut letztem BAI Investor Survey zu 79% mit gut bis sehr gut einschätzen.

Hedgework: Ganz allgemein gefragt – welche neuen Trends sehen Sie im AI-Segment?
Bunnenberg: Mit zunehmender Erfahrung können die deutschen Investoren neue Zugangswege für ihr AI Exposure bestreiten. Wir sehen beispielsweise bei Private Equity einen klaren Zuwachs an Co-Investments in den letzten Jahren und mit zunehmender Erfahrung erwarten wir gleiches bei Private-Debt-Investments in den kommenden Jahren. Spannend ist auch ein möglicherweise evolvierender Megatrend – der Zugang zu den Private Markets für Retail-Investoren. Wir sind hier noch in einer absoluten Frühphase, in der vor allem auch der Gesetzgeber die notwendigen regulatorischen Weichen stellen muss.

Hedgework: Gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen und dem internationalen Markt?
Bunnenberg: Tendenziell sind deutsche Investoren in Alternatives im internationalen Vergleich unterinvestiert. Mit Blick auf die Investorenlandschaft nimmt Deutschland aber mit der starken Versicherungswirtschaft, die regulatorisch bedingt nicht die höchsten AI-Quoten aufweist, eine Sonderrolle ein. International sind allen voran Pension Funds/Plans, Sovereign Wealth Funds, Family Offices und die großen Endowments wichtige Player am Markt. Entsprechend ist ein Vergleich des deutschen Marktes mit dem internationalen Markt schwierig.

Hedgework: Wie aber könnten bestehende Unterschiede aufgeholt werden?
Bunnenberg: Das passiert bereits seit Jahren beständig. Mit den Einblicken, die uns die deutschen Investoren in ihre AI-Allokation in den regelmäßigen Umfragen gewähren, können wir das zuvor bereits angesprochene gestiegene Portfolio-Exposure schwarz auf weiß belegen. Die Vorzüge von Alternatives wie beispielsweise positive Diversifikationseffekte sind inzwischen gut dokumentiert und wir als zentrale Interessenvertretung werden nicht nachlassen auch den Regulator von nötigen Entlastungen für die gesamte Branche, deutsche Investoren als auch Produktanbieter, zu überzeugen.

Hedgework: Lassen Sie uns noch auf die Regulatorik zu sprechen kommen – worauf muss sich die AI-Branche 2022 diesbezüglich einstellen?
Frank Dornseifer: Zunächst gibt es in diesem Jahr natürlich erheblichen Implementierungsaufwand im Hinblick auf die vielfältigen neuen Vorgaben des komplexen Sustainable Finance Regelwerks. Unter der Offenlegungsverordnung SFDR werden schon bald die finalen Durchführungsbestimmungen, also die sogenannten RTS, veröffentlicht, die dann umgesetzt werden müssen. Datenerhebung auf der einen Seite, Datenverarbeitung auf der anderen Seite und dann die Überführung in Templates mit der anschließenden Offenlegung sind alles andere als trivial. In Kürze wird das sogenannte EET, also das European ESG Template, zur Konsultation gestellt, mit dem die vielen Berichtspflichten konsolidiert werden sollen. Auch hier entsteht wiederum Umsetzungsaufwand. Gleiches gilt für die ESG-konforme Anlegerberatung gemäß MiFID, die ab August gilt. Auch die Taxonomieverordnung ist und bleibt eine Großbaustelle, denn diese ist weder im Hinblick auf die verschiedenen Umweltziele komplett, schon gar nicht im Hinblick aus soziale und Governance-Aspekte. Das wird uns noch über das Jahr hinaus beschäftigen.

Hedgework: Das allein klingt schon sehr mächtig.
Dornseifer: Zusätzlich treiben uns natürlich AIFMD- und ELTIF-Review um. Der AIFMD-Review wird von uns im Grunde unterstützt und die Vorschläge für Kreditfonds könnten aus unserer Sicht wichtige Impulse setzen, etwa für die Finanzierung von KMUs und Infrastruktur. Bei dem großen Interesse der Investoren an Kreditfonds ist ein gestärkter Binnenmarkt für diese, insbesondere die grenzüberschreitende Kreditvergabe, eine wichtige Weiterentwicklung. Allerdings wird es darauf ankommen, dass die tatsächliche Ausgestaltung und Umsetzung nicht am Ende konterkariert wird, wie etwa hier in Deutschland, wo eine in weiten Teilen sachfremde Anlehnung an das Bankaufsichtsrecht das Pflänzchen Kreditfonds wieder im Keim erstickte. Wir sehen zudem die Gefahr, dass zum einen Auslagerungsmöglichkeiten – gerade im Drittstaatenkontext – de facto erschwert werden, zum anderen das Liquiditätsrisikomanagement überfrachtet wird. Auch die vorgeschlagenen, immer granularer werdenden Berichtspflichten sind nicht ohne. Hier gibt es ja keine Missstände; die Aufsicht braucht wesentliche Informationen und keine überflüssigen Informationen.

Hedgework: Was erwartet uns bezüglich ELTIF?
Dornseifer: Der ELTIF-Review verdient breite Unterstützung und wir sind zuversichtlich, dass sich dieses besondere europäische Fondsformat mittelfristig durchsetzen wird. Die stärkere Differenzierung zwischen Fonds für institutionelle und für Privatanleger ist konsequent, wobei zudem die größere Flexibilität, sowohl bei den Strukturen als auch bei den zulässigen Assets, die Branche und Investoren weiterbringen. Bei diesem Gesetzgebungsprozess erwarte ich weniger bis kaum Reibungsverluste. Aber auch bei der investorenbezogenen Regulierung, also Solvency und CRR, geht es weiter und hier sind die Diskussionen zur Zeit sehr schwerfällig. Kurzum: ein ereignisreiches und abwechslungsreiches Regulierungsjahr steht bevor!

Hedgework: Welche Konsequenzen erwachsen daraus?
Dornseifer: Bei AIFMD und ELTIF werden sich die Details erst im Laufe des Jahres bzw. im nächsten Jahr abzeichnen, so dass ich diese hier zurückstelle. Gleiches gilt für den Solvency- und CRR-Review. Bei Sustainable Finance habe ich die Auswirkungen schon skizziert. Hier sind Anpassungen in der Organisation, aber auch bei vielen Prozessen – intern und extern – erforderlich. Selten dürfte es einen solch erheblichen Implementierungsaufwand gegeben haben.

Hedgework: Die Digitalisierung schreitet auch in der AI-Welt voran. Womit ist diesbezüglich in diesem Jahr zu rechnen?
Dornseifer: Hier in Deutschland gibt es jetzt die ersten Kryptowertpapiere gemäß eWpG – ein echter Meilenstein. Demnächst wird auch die Verordnung für Kryptofondsanteile verabschiedet und dann werden wir bestimmt schnell die ersten Fonds auf der Blockchain sehen. Auch das wird sehr spannend. Auf europäischer Ebene ist zudem das Digital Finance Package weit fortgeschritten. Bis Mitte des Jahres sollten die einschlägigen Regelwerke für Kryptoassets (MiCAR), zum DLT-Pilotregime usw. verabschiedet sein und dann sind wir – auch regulatorisch – mitten in der neuen digitalen Finanzwelt.

Hedgework: Stichwort Krypto-Assets – inwieweit ist das ein Thema für Branche und Verband? Und wie beurteilen Sie hier die weitere Entwicklung?
Dornseifer: Wir haben bereits im Jahr 2016 unser erstes Verbandsevent gehabe, in dem wir über die Digitalisierung in der Asset-Management-Branche diskutiert haben, auch im Kontext der Blockchain-Technologie und der Digitalisierung von Anlagegegenständen. Auch dieses zentrale Thema haben wir also besetzt und sehen hier großes Einfluss- und Chancenpotential. In unserem Investor Survey haben die über 100 teilnehmenden Investoren zwar eher verhaltenes Interesse an Kryptoassets bekundet, wir bekommen aber nun doch vereinzelt Anfragen zu Erwerbsmöglichkeiten von Kryptowerten oder entsprechenden Futures, sowohl für Spezial-AIF, aber auch unter Anlageverordnung und Solvency. Schritt für Schritt geht es also weiter.

Frank Dornseifer ist Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V., Bonn, und für die Verbandsaktivitäten Recht, Regulierung, Politik und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Er ist seit über 18 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im Investment-, Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht aktiv. Nach seinem Studium in Bonn, Dublin und Lausanne arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt in einer internationalen Anwaltssozietät in den Gebieten Gesellschafts- und Wertpapierrecht. Es folgte eine mehrjährige Tätigkeit als stellvertretender Referatsleiter bei der BaFin im Grundsatzreferat Investmentaufsicht und als Repräsentant im Investment Management Committee der Organisation der internationalen Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO, bevor er im Jahre 2007 zum BAI wechselte.
Dornseifer ist auch Autor zahlreicher Fachpublikationen zum Investment- und Gesellschaftsrecht und Herausgeber von Kommentaren zum KAGB/InvG und zur AIFM-Richtlinie. Der Finanzausschuss des Bundestages und das Europaparlament haben ihn mehrfach als Sachverständigen in Gesetzgebungsverfahren zum Kapitalmarktrecht benannt.

Philipp Bunnenberg ist seit Januar 2020 beim BAI als Referent in den Bereichen Markt, Öffentlichkeitsarbeit und Wissenschaft tätig. Er ist Volks- (B. Sc.) und Betriebswirt (M. Sc.) und absolvierte sein Studium an der Universität Münster, der Universidad de Vigo (Spanien) und der Universität Potsdam. Vor seiner Tätigkeit beim BAI arbeitete er mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzierung & Banken an der Universität Potsdam. Derzeit befindet sich Bunnenberg in der Endphase seiner Promotion über Closet Indexing und Risiken im ETF-Markt.

Der Bundesverband Alternative Investments e.V. (BAI) ist die assetklassen- und produkt-übergreifende Interessenvertretung für Alternative Investments in Deutschland und hat zum Ziel, den Bekanntheitsgrad alternativer Anlagestrategien und -klassen in der Öffentlichkeit zu verbessern. Der BAI wurde 1997 in Bonn gegründet, der Kreis der rund 260 Verbandsmitglieder setzt sich aus allen Bereichen der professionellen Alternative Investment-Branche zusammen.

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