„Don‘t panic!“ Wie Asset Manager und Berater Ansprüche von Anlegern aufgrund der Corona-Krise vermeiden können

  • Swantje Teller (li.)
  • Marcus Columbu
  • AC Tischendorf Rechtsanwälte

FRANKFURT — Das Coronavirus hat für erhebliche Turbulenzen an den Finanzmärkten und zu teils schmerzhaften Kursverlusten geführt. Nicht wenige Anleger dürften versuchen, die Schuld für Letztere auf ihre Vermögensverwalter oder Anlageberater abzuwälzen und Regress fordern. Marcus Columbu und Swantje Teller, Fachanwälte bei AC Tischendorf Rechtsanwälte, beschreiben, wie sich dagegen wappnen lässt.

1. Was genau ist das Problem?

Die aktuelle Pandemie hat in Verbindung mit den bestehenden Bewertungsrisiken seit Mitte Februar zu großen Korrekturen an den Kapitalmärkten geführt. Die Märkte für Unternehmensanleihen, Staatsanleihen und eine Reihe von Investmentfonds zeigen Anzeichen von Stress. Die ESMA hat deshalb ihre regelmäßige Risikobewertung zum 2. April 2020 außerordentlich aktualisiert („Update of Risk Assessment“) und kommt zu dem Ergebnis, dass für institutionelle und private Anleger ein längeres Risiko von Marktkorrekturen und sehr hohe Risiken im gesamten Aufgabenbereich der ESMA bestehen.1

Diese Aussichten können zu Kurzschlussreaktionen bei Anlegern führen. Der übliche Rat bei Börsenkrisen ist deswegen immer derselbe: „Don’t panic!“. Folglich raten Vermögensbetreuer ihren Kunden in Krisenzeiten normalerweise zu Geduld und Besonnenheit. Dieser Rat ist richtig, doch es gibt zahlreiche juristische Stolpersteine die Sie vermeiden sollten, damit Ihre Kunden sie nicht gegebenenfalls gegen Sie ausnutzen.

2.Was Sie jetzt tun müssen?

Zur Vermeidung von Haftungsrisiken und möglichen Klagewellen „nach Corona“ sollten sie die Portfolios Ihrer Kunden sorgfältig vor dem Hintergrund der aktuellen Kapitalmarktsituation unter Berücksichtigung unterschiedlicher künftiger Szenarien prüfen. Achten Sie dabei insbesondere auf die Einhaltung vereinbarter Anlagegrenzen, Verlustschwellen, Anlagerichtlinien und Kundenwünsche. Sofern Sie Handlungsbedarf identifizieren, handeln Sie nicht entgegen Ihres eigenen Rates: „Don’t panic!“ gilt also auch für Sie.

Wenn mehrere Handlungsoptionen im Raum stehen, treffen Sie Ihre Wahl sorgsam, dokumentieren und begründen diese ausführlich. Besprechen Sie Handlungsoptionen in besonders komplizierten Fällen mit Ihren Kunden und entscheiden gegebenenfalls gemeinsam. Achten Sie darauf, dass Sie diese Vorgänge stets nachvollziehbar dokumentieren.

Sobald Ihnen alle relevanten Informationen vorliegen, um informierte, vertretbare und begründete Entscheidungen für Depots beziehungsweise Sondervermögen zu treffen, führen Sie diese durch und richten Sie die Kommunikation gegenüber Ihren Kunden sorgfältig daran aus.

3. Welche Risiken bestehen für Sie unmittelbar?

3.1 Gegenüber Anlegern stehen Sie potentiell immer wieder denselben Argumenten gegenüber, wenn Investitionen sich im Nachhinein als verlustreich erweisen:

„Ich habe das Produkt nicht verstanden, aber blind auf den Rat meines Beraters vertraut“

„Wenn ich gewusst hätte, dass meine Anlagestrategie diese Folge haben wird, hätte ich eine andere gewählt“

„Ich habe diese Anlagestrategie nur gewählt, weil mein Berater mir mitgeteilt hat, sie müsse für eine effiziente Beratung so ausgestaltet sein“

„Mein Berater hat mir dazu geraten, dies zu tun“

„Trotz Krise hat mein Berater mich nicht sorgfältig über deren mögliche Folgen aufgeklärt“

„Mein Berater hat in der Krise nicht alle relevanten Faktoren erfasst und abgewogen, sonst wäre das nicht passiert“

Die Folge sind nicht nur langwierige und kostspielige Anlegerschutzprozesse, die meist über mehrere Jahre durchzufechten sind. Im worst case erstreiten sich Kunden Schadensersatzansprüche, wodurch Sie letztlich für deren durch die Corona-Krise ausgelösten Verluste aufkommen müssten.

Im Rahmen der Anlegerprozesse der letzten Jahre, insbesondere in Folge der Lehman-Insolvenz, hat die Rechtsprechung die folgenden Grundsätze etabliert, die Sie sich zunutze machen können:

Das Risiko, dass sich eine getroffene Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger, sofern der Erwerb und die Beobachtung der Anlage während des Haltens ordnungsgemäß und sorgfältig erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011, XI ZR 33/10). Die Darlegungs- und Beweislast für eine diesen Anforderungen nicht genügende Handhabung liegt beim Anleger. Allerdings hätten Sie, aufgrund der Ihnen hierdurch obliegenden (Gegen-)Darlegungslast, die ordnungsgemäße Leistungserbringung nachzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2006, XI ZR 320/04).

Für Asset Manager oder Berater heißt das im Gegenzug, dass sie alle Anlageentscheidungen des bzw. für den Kunden nachvollziehbar zu dokumentieren haben, selbst dann, wenn es um das Halten eines Instruments geht. Beschreiben Sie stets genau, auf welcher Entscheidungsgrundlage Sie eine Anlageentscheidung getroffen haben und inwiefern diese in die Strategie und das Risikoprofil des betreffenden Kunden passt

3.2 Selbst bei professionellen oder institutionellen Kunden könnten Schadensersatzansprüche drohen. Zwar bestehen solche Ansprüche nur unter engeren Voraussetzungen. Allerdings ist es vorstellbar, dass Kunden der Nachweis gelingt, dass Sie nicht vertretbar auf die Corona-Krise reagiert haben beziehungsweise Ihre Vorkehrungen für ein ordnungsgemäße Leistungserbringung nicht ausreichend gewesen sind. 

3.3 In jedem Fall ist es empfehlenswert, den Detailgrad der Kundenkommunikation zu verdichten – ebenso wie deren Frequenz. Damit schützen Sie nicht nur sich selbst, sondern signalisieren Ihren Kunden, dass Sie sich um deren Sorgen kümmern.

4. Welche Risiken bestehen noch?

Mittel- und langfristig bestehen überdies nicht unerhebliche regulatorische Risiken.

Insbesondere nach der Subprime-Krise in den Jahren ab 2007, nicht zuletzt, weil interne und externe Prozesse, Dokumentationsrichtlinien und das Aufklärungs- und Berichtswesen zahlreicher Marktteilnehmer nicht ausreichend gewesen sind, haben die Regulierungs- und Aufsichtsbehörden knapp 10 Jahre damit verbracht, Konsequenzen für die Finanzindustrie zu ziehen, die sich selbst heute teilweise noch in Umsetzung befinden.

Die Corona-Krise hat das Potential noch gravierendere Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu haben als alle Krisen in den vergangenen 50 Jahren. Sollte sich dieses Potential regulatorisch entsprechend auswirken, wird die Finanzindustrie im kommenden Jahrzehnt auch vor neuen regulatorischen Herausforderungen stehen

5. Was wir für Sie tun können?

Wir haben langjährige Erfahrung mit den oben genannten Themen und begleiten zahlreiche Marktteilnehmer in den Bereichen Compliance, Regulatory und Litigation. Dieses gesammelte Know-how stellen wir Ihnen auch in Zeiten von „Don‘t panic!“ gerne zur Verfügung.

Marcus Columbu ist Rechtanwalt und Partner sowie Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei AC Tischendorf und leitet die Praxisgruppe Banking, Regulatory, Capital Markets. Er berät mittlere bis große Finanzdienstleister und Asset Manager sowie einige Banken in den Bereichen Regulatory und Compliance bei Projekten und ihrem regulatorischen Tagesgeschäft. Er ist daneben ausgelagerter Chief Compliance Officer mehrerer Asset Manager und Finanzdienstleister sowie ESG-Beauftragter und zudem als Aufsichtsrat tätig.

Swantje Teller ist Rechtsanwältin bei AC Tischendorf und Teil der Praxisgruppe Banking, Regulatory, Capital Markets. Sie berät mittlere Finanzdienstleister sowie Privatbanken in den Bereichen Regulatory und Compliance sowie zu verschiedenen Haftungsfragen des Bankrechts. Daneben vertritt sie Finanzdienstleister und Banken bei der Abwehr von Schadensersatzklagen aufgrund vermeintlicher Falschberatung und Prospekthaftung. In diesem Zusammenhang bearbeitet sie gemeinsam mit Marcus Columbu die erste Musterfeststellungsklage mit finanzrechtlichem Schwerpunkt.


1 ESMA Risk Dashboard Risk update vom 2. April 2020, abrufbar über folgenden Link

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