Die Zukunft der Büroimmobilien

  • Christian Simanek
  • Wealthcap

MÜNCHEN – „Unsere Lebensrealität wandelt sich: Mit der Digitalisierung wird die räumliche Flexibilität der Wissensarbeit immer größer – das klassische Büro konkurriert als Arbeitsort mit Cafés, Restaurants, Parks oder der Sitzbank am Wasser“, sagt Christian Simanek, First Vice President bei Wealthcap. Er beschreibt, welche Herausforderungen dies an die Immobilienbranche stellt.

„Das Büro der Zukunft konkurriert mit den Wohnorten der Menschen, mit Co-Working-Spaces oder auch den Aufenthaltsflächen in Shoppingcentern. Asset-Manager, die Büroimmobilien fit für die Zukunft machen wollen, müssen die Entwicklung antizipieren. Daher hat Wealthcap das „Future Lab“, einen Corporate Thinktank, ins Leben gerufen, in dem Experten aus unterschiedlichen Disziplinen der Wirtschaft und Wissenschaft sowie aus der Gesellschaft aus ihrer Perspektive beleuchten, worauf es bei der Gestaltung von Arbeits- und Lebensräumen ankommt. Dabei wurden sechs Themenbereiche als „Action Fields“ identifiziert, die aufzeigen, wie Immobilien, Quartiere und Städte von morgen aussehen könnten.

Kreislaufwirtschaft als Muss

Das erste Handlungsfeld lautet „Circular Economy“. Im Sinne eines nachhaltigen und bewussten Einsatzes von Ressourcen geht es darum, eine Kreislaufwirtschaft in den Städten zu etablieren – mit dem erklärten Ziel „Net Zero“. Ein Ansatzpunkt ist dabei das Thema Energie: Quartiere können ihren Energiebedarf über dezentrale Versorgungssysteme sicherstellen. Das schließt mit ein, dass sich die Immobilie weg vom Energieverbraucher und hin zum Energieproduzenten bewegt – mit Photovoltaikanlagen oder auch Miniwindrädern wird die Immobilie selbst zum Akteur einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft.

Der Betrieb mit dezentral erzeugten erneuerbaren Energien jedoch reicht allein nicht aus: Es gilt den gesamten Lebenszyklus von Immobilien zu betrachten: Was passiert im Abrissfall?

Mit einem Materialpass lassen sich die verwendeten Baumaterialien transparent dokumentieren. Sie sind der erste Schritt in Richtung echter Wiederverwertung: Einzelne Bauteile wie Türen oder Fenster können in den Kreislauf zurückgegeben werden. Intakte Bauteile zu nutzen ist ein Meilenstein im Vergleich zur energieaufwendigen Neuproduktion – beispielsweise, wenn das Fensterglas von alten Fenstern noch tadellos in Ordnung ist. Im Idealfall ergibt sich so ein geschlossenes System, in dem Abfall die Ausnahme und Wiederverwertung die Regel ist.

Die Büronutzer der Zukunft sind voll und ganz „energiemündig“ und noch ESG-sensibler als heutzutage: Sie fragen vor einer Anmietungsentscheidung eher zweimal als gar nicht, wie es um Themen wie den Materialpass und die Energiebilanz steht.

Der Menschen im Zentrum

„Action Field“ Nummer 2, „Liveable ­Cities“, behandelt die bedarfsorientierte Gestaltung der Städte. Ziel ist die „15-Minutes-City“: Alles, was im Alltag wichtig ist, sollten die Bewohner innerhalb von 15 Minuten ohne Auto erreichen können. Das Quartier wird dafür zu einem Verbund aus Wohnungen, Büros, Kitas, Nahversorgern, Fitnessstudios et cetera sowie insbesondere Grünflächen; die Konnektivität ist allerorts von ausgezeichneter Qualität. Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem (Arbeits-)Raum lösen sich auf.

Auch auf anderer Ebene werden Grenzen überschritten: Über Quartier- oder Gebäude-Apps haben Bewohner die Gelegenheit, Sharing-Angebote wahrzunehmen – Stichwort Auto, Fahrrad oder E-Roller zum Teilen. Büros in Lagen, die in ihrer 15-Minuten-Umgebung ein ausreichendes Angebot für die potenziellen Nutzer bereitstellen, werden zukünftig noch klarer im Vorteil sein.

„Office as a Service“ als Prinzip

Mit den sich auflösenden Grenzen der Arbeitsorte sind Wissensarbeiter nicht mehr darauf angewiesen, von einer Firmenzentrale aus zu arbeiten. Wenn also „Work from anywhere“ gilt, verlieren frühere Büroparameter wie etwa Flächengröße weiter an Bedeutung. Stattdessen muss das Büro Anreize bieten: Das „Office as a Service“-Prinzip, wie man es beispielsweise von Co-Working-Spaces kennt, wird weiter an Bedeutung gewinnen. Man spricht auch von einer „Hotelisierung“ der Büroimmobilie: Viele der Annehmlichkeiten, die ein Hotelgast genießt, werden künftig auch in modernen Büros erwartet. Concierges und Community-Manager werden Normalität sein, wenn sich das Büro als Arbeitsort behaupten und weiterhin Mieter anziehen will.

Stete Weiterentwicklung

Das vierte „Action Field“ ist das sogenannte „Permanent Beta“. Der Begriff ist aus der Softwareentwicklung entlehnt und steht dafür, dass ein Produkt nie gänzlich ausgereift ist. Es wird vielmehr ständig verbessert und weiterentwickelt. Übertragen auf die Stadtentwicklung und die Immobilienbranche bedeutet Permanent Beta, dass auch Arbeitswelten in Bürogebäuden keinen Endzustand erreichen, sondern immer nur eine bestmögliche Beta-Lösung sind, die permanent verbessert werden will.

Flexibilität in der Architektur ist hierbei ein Schlüssel. Modularer Innenausbau wird sich vor diesem Hintergrund als Standard durchsetzen – mit mobilen Wänden, die sich beispielsweise durch Deckenschienensysteme verschieben lassen und neuen Gegebenheiten angepasst werden können.

Indem die Innenräume einer Immobilie bestmöglich an individuelle Bedarfe anpassbar sind, steigt auch die Aufenthaltsqualität der Flächen und damit deren Vermietbarkeit. Mit digitalisierten Prozessen und KI-gestützten Lösungen, die Potenziale offenlegen, lässt sich in der Entwicklung solcher Permanent-Beta-Immobilien der erforderliche Aufwand in Grenzen halten.

Virtual Reality wird Realität

„Extended Realities“ lautet das fünfte Handlungsfeld, das es in Zukunft zu beachten gilt. Versteht man das Büro als modernen Tech-Hub, könnten darin Virtual- und Augmented-Reality-Technologien die Arbeit im Büro bald schon aktiv unterstützen. Aber nicht nur in der Nutzung, auch schon in der Planung zukunftsfähiger Büros kommen neue Realitäten zum Einsatz. Ein Building-Information-Model, bei dem ein digitaler Zwilling einer Immobilie erstellt wird, ist nur eine von vielen Möglichkeiten, wie Büroerlebniswelten frühzeitig effizienter und kostensparender konzipiert und mit allen beteiligten Disziplinen und auch Bürgern und Nutzern transparent abgestimmt werden können.

Wohlbefinden und Gemeinsinn

Das sechste und letzte „Action Field“ heißt „Next City Societies“ und betont die Verantwortung der Immobilienwirtschaft mit Blick auf entstehende Lebensräume. Denn gerade großvolumige Immobilienprojekte und Quartierentwicklungen sind nur dann langfristig erfolgreich, wenn sie sich in den öffentlichen Raum integrieren. Partizipation ist eines der wesentlichen Stichworte. Erst wenn die Menschen vor Ort die Chance haben, sich in das Projekt einzubringen und eine Verbindung dazu aufzubauen, entsteht ein Ort, wo man gerne wohnt, arbeitet und lebt.

Zugleich muss auch der Asset-Manager den Anspruch haben, auf den neuen Flächen, die gerade geplant werden, selbst gern arbeiten zu wollen. Entwickler und Bewohner werden so zu gleichberechtigten Akteuren mit ähnlich hohem Anspruch: Geplant wird nicht ein Immobilienprojekt für eine möglichst schnelle Veräußerung, sondern etwas, was dem Ort selbst und der Umgebung guttut. Dauerhaft. Solche Orte finden dauerhaft Nutzer und sind letztlich auch wirtschaftlich nachhaltig erfolgreich.“

Christian Simanek ist First Vice President bei Wealthcap. Er verantwortet das Asset- sowie das Vermietungsmanagement, das Technische Management sowie die Funktionen ESG, Asset Management Data & Services im Bereich der Immobilieninvestments. Als Advisor und Business Angel begleitet der promovierte Jurist und Diplom-Immobilienwirt zudem junge, innovative Unternehmen. Frühere berufliche Stationen führten ihn unter anderem zum Talanx-Konzern und zu UBS.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM 01/2023
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