Die Märkte spielen das Stagflationsszenario

  • Dr. Eduard Baitinger
  • FERI Gruppe

FRANKFURT – Laut FERI-Experten Dr. Eduard Baitinger haben die Märkte begonnen, das Stagflationsszenario einzupreisen. Damit steige das Risiko angstgetriebener Reaktionen und womöglich abrupter Korrekturen. Gleichwohl hält er einen versöhnlichen Jahresausklang an den Märkten für möglich – sofern Wirtschaftswachstum und Konsum zulegen.


Ab hier folgt die unredigierte Analyse von Dr. Eduard Baitinger, Head of Asset Allocation in der FERI Gruppe:

„Aufgrund weltweiter Lieferengpässe und steigender Rohstoffpreise verzeichnen die Industrieländer vielfach die höchsten Preissteigerungsraten seit Jahren. Hohe Produzentenpreise deuten zudem auf eine spürbare Hintergrundinflation, die den Druck auf die bereits steigenden Verbraucherpreise weiter erhöhen könnte. Gleichzeitig hat die Wachstumsdynamik der globalen Wirtschaft abgenommen und könnte gänzlich zum Erliegen kommen, falls die Störungen in den weltweiten Lieferketten weiter andauern.
Im schlimmsten Fall könnte daraus ein Stagflationsszenario entstehen, das durch rückläufige Unternehmensgewinne und – als Reaktion auf die höheren Inflationsraten – steigende Zinsen charakterisiert ist. In diesem Fall drohen negative Konsequenzen sowohl für Aktien- als auch Anleihenmärkte. Zur Portfolioabsicherung stünden dann nur noch vereinzelte Marktsegmente wie Energieaktien, Finanzwerte und Rohstoffe zur Verfügung.

Furcht vor Stagflation nimmt zu

Die Fragilität der vergangenen Wochen zeigt, dass die Märkte in Teilen damit begonnen haben, das Stagflationsszenario einzupreisen. Da Stagflation in der jüngeren Vergangenheit jedoch praktisch keine Rolle gespielt hat, fehlt den Marktteilnehmern die Erfahrung, um angemessen auf diese Entwicklung reagieren zu können. Damit steigt in naher Zukunft das Risiko angstgetriebener Reaktionen und somit abrupter Korrekturen. Hinzu kommt, dass die Marktbreite an den globalen Börsen abgenommen hat. Bei steigendem Abverkaufsdruck hätten die Aktienmärkte deshalb wenig Widerstandskraft.

Jahresendrallye noch nicht abschreiben

Trotz der angespannten Marktlage bestehen weiterhin gute Aussichten auf eine Jahresendrallye an den Börsen. Der aktuelle Inflationsdruck und die Wachstumsschwäche sind zum erheblichen Teil Nachwirkungen der seit dem Sommer grassierenden Delta-Virusvariante. Neue Coronafälle führten etwa in China in den zurückliegenden Monaten zu Hafenschließungen, die die globalen Lieferketten und die Industrieproduktion erheblich belastet haben. Auch der Konsum litt spürbar unter der Delta-Virusvariante.
Seit dem Spätsommer hat sich die globale Covid-19-Situation allerdings merklich entspannt. Damit verbessern sich die Perspektiven für die Wiederaufnahme eines weitgehend reibungslosen Warenverkehrs und einer verstärkten Industrieproduktion noch in diesem Jahr. Sollten Wirtschaftswachstum und Konsum in den kommenden Monaten steigen, ist ein versöhnlicher Jahresausklang an den Märkten durchaus möglich.“

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