Der Value-Zyklus hat gerade erst begonnen

- Richard Pzena
- Pzena Investment Management
FRANKFURT – Value oder Growth? Diese Frage beschäftigt viele Investoren. Dank Tech-Hype lagen Growth-Aktien jahrelang vorne. Doch das ist Geschichte. Richard Pzena, Gründer von Pzena Investment Management, sieht hingegen reichlich Potenzial bei Value-Aktien – vor allem in den Schwellenländern.
„Stellen Sie sich vor, Sie haben die Wahl, in ein Portfolio aus Unternehmen zu investieren, deren Umsätze, Gewinne und Aktienkurse gestiegen sind. Oder Sie können in ein Portfolio aus Firmen investieren, deren Aktienkurse einen starken Einbruch erlitten haben, weil ihre Gewinne und Umsätze ins Stocken geraten sind. Welches Portfolio würden Sie wählen? Natürlich würden sich die meisten Anleger für die erste Option entscheiden. Vor allem auch deshalb, weil sie meist keine Unternehmen mögen, die in Schwierigkeiten sind. Investments in Firmen, die in Ungnade gefallen sind, sind unangenehm und emotional schwierig.
Grundstein für Outperformance
Wir als Value-Investoren glauben hingegen, dass sich hier Chancen verbergen, indem wir mit unserem forschungsintensiven Investmentansatz Fakten von Emotionen trennen. Unser Ziel ist es, den heutigen Wert des zukünftigen Ertragsstroms eines Unternehmens zu ermitteln – und dafür deutlich weniger zu bezahlen. Tatsächlich hat sich der Kauf eines Unternehmens zu einem Preis, der unter seinem Wert liegt, im Laufe der Zeit als renditestarke Anlagestrategie erwiesen.
In außergewöhnlichen Situationen führen menschliche Verhaltensweisen allzu oft zu unlogischen Marktbewertungen. So konnten unrentable Internetaktien während der Dotcom-Blase der Schwerkraft trotzen. In der jüngeren Vergangenheit wiederum erlebten Tech-Aktien einen kometenhaften Aufstieg, der durch billiges Geld, massive Konjunkturprogramme und den pandemiebedingten Homeoffice Trend angeheizt wurde.
Interessanterweise ist oft ein irrationaler und zynischer Markt notwendig, um extreme Kursverwerfungen zu provozieren, die dann wiederum einen starken und dauerhaften Value-Zyklus auslösen. Wir gehen davon aus, dass diese Situation eingetreten ist und Value-Aktien in Industrieländern und auch in Schwellenländern mit Volldampf und viel Spielraum durchstarten können.
Der Erfolg von Value-Investments
Nach unserer Definition befinden wir uns jetzt wieder in einem Value-Zyklus. Das Performanceprofil von Deep-Value-Investitionen ist in der Regel zyklisch und entspricht in etwa den Wirtschaftszyklen. Der Zyklus beginnt mit einer Phase der Unsicherheit, in der sich die Bewertungsspannen ausweiten. Darauf folgt eine Phase der Stabilisierung und Erholung, in der sich die Spreads einengen und Deep Value eine bessere Performance als der Markt erzielt. Der derzeitige Zyklus begann Ende 2020, als die Anleger nach dem pandemiebedingten Abschwung eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Normalität erwogen.
Um herauszufinden, wie lange Value-Zyklen im Durchschnitt dauern, haben wir die Entwicklung der US-Börse in den vergangenen 50 Jahren untersucht. Hier dauerten die Outperformance-Perioden 62 Monate und haben 138 Prozentpunkte Alpha generiert. Der aktuelle Zyklus, der im vierten Quartal 2020 begann, ist erst 16 Monate alt und hat bisher 46 Prozentpunkte an Alpha gebracht. Natürlich funktionieren die Märkte nicht nach willkürlichen Zeitplänen. Langfristig diktiert die Bewertung die Richtung und das Ausmaß der Aktienkursbewegungen sowie letztlich die Frage, ob Value oder Growth besser läuft.
Ein genauerer Blick auf die relativen Bewertungen des globalen Aktienmarkts zeigt, dass die Spanne zwischen dem billigsten und dem teuersten Quintil der Aktien auf Basis des Kurs-Buchwert-Verhältnisses derzeit 3,7 Standardabweichungen über dem Mittelwert liegt. Mit Ausnahme des Sommers 2020, als Wachstumsaktien in die Stratosphäre aufgestiegen sind, ist dies der höchste Streuungsgrad, den wir in den 47 Jahren, die unserer Analyse zugrunde liegen, beobachten konnten.
In den zwölf Jahren seit der globalen Finanzkrise stieg das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis der US-Wachstumsaktien von weniger als 29 auf mehr als 83 an. Im gleichen Zeitraum stieg die gesamte Marktkapitalisierung der Aktien im Russell 3000 Index, die für mehr als das Zehnfache ihres Umsatzes gehandelt werden, was eine absurd hohe Bewertung bedeutet, von etwa 100 Milliarden Dollar auf fast 14 Billionen Dollar.
Zum Vergleich: Der Höchststand kurz vor dem Platzen der Technologieblase lag bei 5,3 Billionen Dollar. Währenddessen blieben die Bewertungsmultiplikatoren billiger Aktien relativ konstant bei etwa dem Neunfachen ihres Gewinns. Nach unserer Auffassung kann man diese Dichotomie nur als Sprungbrett für die Outperformance von Value-Aktien bezeichnen.
Value in Emerging Markets
Der aktuelle Value-Zyklus ist global ausgerichtet und bietet Anlegern viele Gelegenheiten, ihre Portfolios mit attraktiv bewerteten Unternehmen aus verschiedenen Regionen zu diversifizieren. Das Verhältnis zwischen Value und Growth ist in den Schwellen- und den Industrieländern ähnlich überzeugend. Der EM-Index wird jedoch – vor allem aufgrund des beträchtlichen länderspezifischen Risikos – mit einem erheblichen Abschlag gegenüber Indizes für Industrieländer gehandelt.
Mehrere Faktoren – darunter die Psychologie der Anleger, die Komplexität der unterschiedlichen makroökonomischen Rahmenbedingungen und die Diskrepanz zwischen BIP- und EPS-Wachstumsraten – tragen dazu bei, dass der Value-Effekt in den Schwellenländern stark ausgeprägt ist. Diese Faktoren sind dort allgegenwärtig, und wir finden diese Situationen, die von Marktprognostikern manchmal als „nicht investierbar“ eingestuft werden, extrem spannend. Aus diesen Situationen ergeben sich Gelegenheiten, Aktien mit niedrigen Erwartungen zu attraktiven Zeitpunkten zu kaufen und damit den Grundstein für eine zukünftige Outperformance zu legen.
Unsere Studie der Indexdaten für zehn Länder über 30 Jahre hinweg ergab, dass ein Land, das zwölf Monate oder länger um mindestens 2000 Basispunkte hinter dem MSCI EM Index zurückgeblieben war, in den fünf Jahren nach diesen starken Rückgängen die Benchmark im Durchschnitt um 490 Basispunkte pro Jahr übertroffen hat. Tatsache ist, dass sich Länder in der Regel erholen und dass gute Unternehmen Wege finden, Krisen zu meistern.
Emotionale Anleger neigen dazu, kurzfristige Ereignisse überzubewerten und zukünftige Ereignisse falsch einzuschätzen. Als disziplinierte Value-Investoren legen wir intensive Recherchen zugrunde, um gute Unternehmen zu finden, die sich in einer vorübergehenden Notlage befinden.
Während Value-Aktien weltweit die Führung vor ihren (immer noch deutlich teureren) Growth-Pendants übernommen haben, glauben wir, dass der Zyklus gerade erst begonnen hat und dass es vielleicht keine bessere Region gibt als die Schwellenländer, um die sich bietenden Outperformance-Chancen zu nutzen.“
Richard Pzena ist Co-CIO von Pzena Investment Management. Der überzeugte Value-Investor hat 1996 in New York das Investmenthaus Pzena Investment Management gegründet, das Ende 2021 ein Kundenvermögen von rund 52,5 Milliarden US-Dollar verwaltete.
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 01/2022
Falls Sie sich für TiAM interessieren, klicken Sie bitte hier.