Der US-Immobilienmarkt als sicherer Hafen

  • Rafael Aregger
  • Empira Group

MÜNCHEN – „Amerikanische Mietwohnungsportfolios sind eine interessante Option für institutionelle Anleger“, sagt Rafael Aregger, Head of Investments USA der Empira Group. Der Störfaktor Corona sei verschwunden und Wachstumsregionen wie der Sun Belt hätten gute Perspektiven. Vor allem Multifamily-Anlagen würden dort mit der Aussicht auf steigende Mietzinsen locken.

„Die Corona-Pandemie hatte der Weltwirtschaft einen Dämpfer versetzt, der auch am US-Immobilienmarkt nicht spurlos vorbeiging. Investierten Anleger 2019 noch mehr als 570 Milliarden US-Dollar in amerikanische Immobilien, ging das Investitionsvolumen 2020 auf rund 400 Milliarden US-Dollar zurück, so CBRE Research. Doch das war nicht von Dauer: Bereits 2021 wurde mit 764,4 Milliarden Dollar ein neuer Rekord aufgestellt. Und für 2022 rechnet CBRE mit einem Zuwachs um fünf bis zehn Prozent an investiertem Kapital. Die Corona-Delle war also schnell überwunden.
Die USA sind nicht irgendein Immobilienmarkt, das macht allein die schiere Größe deutlich: Nimmt man das Investitionsvolumen im Vor-Corona-Jahr 2019 von 573 Milliarden US-Dollar zum Maßstab, lag das deutsche Transaktionsvolumen von 85 Milliarden US-Dollar (JLL) um fast das Siebenfache darunter.
Allerdings hat Corona Spuren hinterlassen. Die Hotelbranche und der Non-Food-Einzelhandel litten wegen der Lockdowns maßgeblich, auch der Büromarkt kühlte etwas ab, deutlich mehr Menschen arbeiten nun von ihrem Homeoffice aus. Wie sich die aktuell zu beobachtende Normalisierung auf diese Märkte langfristig auswirkt, ist noch nicht final absehbar. Das Wohnsegment allerdings war durch die Pandemie hindurch unverändert ein sicherer Hafen – nicht nur, aber vor allem auch in den USA.

Wandel am Wohnimmobilienmarkt
Amerika galt immer als Land der Hausbesitzer, doch das beginnt sich nun zu ändern. Besaßen vor der Immobilienkrise 2008 noch rund 70 Prozent aller Amerikaner ein Haus, fiel dieser Wert bis 2016 auf 63 Prozent, so das U.S. Census Bureau. Zwar schnellte der Anteil der Hausbesitzer im Krisenjahr 2020 kurzfristig wieder auf 68 Prozent hoch, doch im Jahr 2021 waren wieder nur 65 Prozent der Amerikaner Eigentümer ihrer Häuser.
Es findet ein Umdenken statt, das nicht zuletzt von der jüngeren Generation ausgeht. Amerikas demografische Struktur ist grundlegend für das Verständnis des dortigen Immobilienmarkts. Es ist ein relativ junges Land, 18,7 Prozent der Bevölkerung waren 2019 laut dem U.S. Census Bureau unter 15 Jahre alt, in Deutschland nur gut 13 Prozent.
Gerade diese jüngere Bevölkerung verändert den Wohnimmobilienmarkt nachhaltig, denn sie schätzt die erhöhte Flexibilität, die Wohnen zur Miete mit sich bringt. Es wird für immer mehr Menschen auch mit höheren Einkommen eine denkbare Alternative, unabhängig von einem eigenen Wohneigentum zu leben. Doch nicht nur die Jüngeren finden durch hohe Flexibilität Gefallen am Mieten. Amerikanische Mieter sind sehr mobil und flexibel – bei besseren Jobangeboten wechseln sie einfach ihren Wohnort und damit die Wohnung oder die Multifamily-Anlage.
Dies liegt nicht zuletzt daran, dass der US-Immobilienmarkt sehr transparent ist und Mieter sowie Vermieter sich gut über die aktuelle Situation informieren können. Diese erhöhte Bereitschaft, auf der Suche nach der besseren Bleibe schnell weiterzuziehen, führt wiederum dazu, dass Vermieter allerlei Zusatzangebote, sogenannte Amenities, in ihren Wohnanlagen anbieten, um Mieter zu halten. Diese umfassen Gemeinschaftsräume sowie Pools oder Fitnessbereiche und Services wie Haustierbetreuung, Nachbarschaftsfeste oder ähnliche Freizeitaktivitäten.

Auf der Suche nach dem richtigen Ort fürs Investieren ist neben der besonderen demografischen Situation und ihren Auswirkungen auf den Mietmarkt die richtige Lage entscheidend. Die USA sind ein sehr heterogener Markt, da es Bereiche gibt, die strukturell so unterentwickelt sind, dass sie für langfristige Investitionen unattraktiv sind, und gleichzeitig so überhitzte Bereiche, dass die Lebenshaltungskosten dort für neue Mieter unattraktiv werden.

Günstige Alternativen gesucht
Statt in Küstenmetropolen wie New York, Los Angeles oder San Francisco zu ziehen, suchen Mieter nach günstigeren, aber attraktiven Alternativen, um sich mit dem eingesparten Geld mehr an Lebensqualität – etwa durch Wohnkomplexe mit Amenities – zu ermöglichen.
Eine solche regionale Alternative ist der Sun Belt, der sich im Süden des Landes erstreckt. Besonders die Staaten Florida, Texas und Arizona erleben starkes Wachstum. Florida sah seit Pandemiebeginn einen Zuzug von 221 000 Einwohnern, in Texas waren es 173 000 und in Arizona 93 000 neue Einwohner. Kalifornien verlor hingegen insgesamt 367 000 Einwohner, New York mit 352 000 fast genauso viel.
Wohnungsvermittler Zumper beobachtet außerdem aktuell Mietrückgänge in vielen kalifornischen Städten. Städte im Sun Belt indes hatten auch während Corona jährliche Mietenanstiege im zweistelligen Bereich zu verzeichnen. In den genannten Lagen stiegen die Mieten sogar jährlich um 20 Prozent und mehr.
Besonders aussichtsreich für Investoren sind strukturell gut aufgestellte Lagen in Wachstumsregionen wie eben im Sun Belt. Und dort sind wiederum ganz grundsätzlich Multifamily-Objekte attraktiv, da sie mehrere Mieter in einem Objekt unterbringen und eine hochwertige, mit zahlreichen Amenities ausgestattete Mietererfahrung bieten können.

Interessantes Renditepotenzial
Dass gerade Multifamily-Anlagen chancenreich für Investoren sind, ergibt sich aus einer weiteren Besonderheit des US-Immobilienmarkts: der hohen Verfügbarkeit von Daten. Sie ist eine Folge des Freedom of Information Acts, einem Gesetz, das maximale Transparenz garantiert und damit auch den Immobilienmarkt für potenzielle Investoren sehr transparent macht.
Die Cap Rates für Multifamily-Wohnanlagen lagen Ende 2021 laut CBRE je nach Region zwischen 3,9 und 5,7 Prozent, im Bundesdurchschnitt bei 4,6 Prozent – und damit deutlich über den Werten von deutschen Bestandswohnungen. Dabei ist Multifamily eine relativ risikoarme Investition im Vergleich zu anderen Nutzungsarten, in Anbetracht der niedrigen Leerstände und der Zuverlässigkeit der Mieteinnahmen. So wurden 2020 trotz Corona mehr als 90 Prozent der Mieterträge pünktlich erbracht.
Für die Zukunft erwartet CBRE steigende Mietzinsen und Belegungsraten von mehr als 95 Prozent – weil es ein nachhaltiges Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage gibt und mit 300 000 neuen Wohnungen im Jahr 2022 weiterhin nicht genug Neubau entsteht, um die hohe Nachfrage nach Mietwohnungen zu sättigen.
Diese Nachfrage verteilt sich – wie eingangs geschildert – jedoch nicht gleichmäßig auf das ganze Land, und so wird besonders an den attraktiveren Standorten im Sun Belt die starke Nachfrage eher noch zunehmen. Zahlreiche Unternehmen haben zuletzt den Wert solcher Standorte erkannt und investieren dort. Große Konzerne wie Tesla, CBRE und Oracle haben sich entschieden, ihre Firmensitze dorthin zu verlegen. Die Arbeitnehmer, die allein oder mit ihren Familien hinterherziehen, werden die Nachfrage nach Multifamily-Anlagen zusätzlich verstärken.
Internationale Diversifikation – gerade mit einem renditestarken Immobilienmarkt wie dem US-amerikanischen – sollte für Investoren immer ein erstrebenswerter Faktor bei der Investmentstrategie sein. Die USA sind nicht nur ein einziger, homogener Immobilienmarkt, sondern ein Land aus vielen unterschiedlichen Teilmärkten. Umso wichtiger sind eine lokale Expertise und Marktzugänge vor Ort. An ortskundigen Partnern führt bei Investitionsentscheidungen mithin kein Weg vorbei.

Lokale Expertise gefragt
Produktpartner wie Fondsinitiatoren, die über entsprechendes Wissen über die aktuelle Lage im Sun Belt verfügen, können institutionelle Investoren bei ihrer Investitionsentscheidung mit passenden Produkten begleiten. Wichtig ist, dass auch diese am US-Markt präsent sind – und idealerweise selbst vor Ort über ein dichtes Netzwerk aus lokal verankerten Partnern verfügen, beispielsweise aus lokalen Maklern oder Projektpartnern.

Rafael Aregger, Head of Investments USA, Empira Group: Der Autor ist als Head of Investments USA bei der Empira Gruppe zuständig für die Investitionsstrategie in den USA und seit August 2021 vom Standort Miami aus tätig. Zu seinem Track Record zählt das Management von diversifizierten Investmentportfolios über insgesamt 6,5 Milliarden US-Dollar. Vorherige Stationen seiner beruflichen Laufbahn waren J. P. Morgan, Partners Group und Swiss Prime Site.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2022
Falls Sie sich für TiAM interessieren, klicken Sie bitte hier.

Zurückzum Seitenanfang