Der Markt spielt Direct Lending in die Hände

  • Annika Milz
  • Fidelity

FRANKFURT – „Unserer Überzeugung nach dürften sich die nächsten Jahre als eine der besten Phasen für Direct Lending erweisen“, sagt Fidelity-Managerin Annika Milz. Sie würden von höheren Margen, besseren Strukturierungen und besserer Dokumentation profitieren – und böten die Chance auf attraktive risikobereinigte Renditen.

Annika Milz, Co-Head Institutionelle Kunden Europa bei Fidelity International:
„Ganz im Stillen vollzieht sich eine kleine (R)Evolution: Direct Lending läuft den Banken in einigen Segmenten zunehmend den Rang ab. Das eröffnet Anlegern Chancen auf attraktive risikobereinigte Renditen.

Der Private-Credit-Markt hat an Bedeutung gewonnen. Denn er kann Kapital und Finanzierungen auch dort bereitstellen, wo es die öffentlichen Märkte derzeit nicht können. Anfang des Jahres 2022 waren Banken noch recht aggressiv als Wettbewerber aufgetreten und hatten aktiv neue Kreditrisiken gezeichnet. Seit April 2022 kämpft der Markt für Kreditarrangements nun aber mit anhaltend hoher Volatilität. Zugleich haben sich die Konditionen, die die verbliebenen arrangierenden Banken anbieten, verschlechtert. Dies hat Private-Equity-Firmen verstärkt auf den Private-Credit-Markt gelockt.

Der Markt spielt dem Direct Lending in die Hände

Mit einer stabilen Investorenbasis und besseren Position in der Kapitalstruktur war der Private-Lending-Markt zuletzt weniger schwankungsanfällig. Viele Akteure haben hier zudem ihr Pulver trocken gehalten. Das Umfeld steigender Zinsen ermöglicht jetzt höhere Renditechancen im Direct-Lending-Bereich. Viele andere Anlageklassen erleben derzeit das Gegenteil – besonders die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere.

Das Umfeld steigender Zinssätze geht jedoch nicht spurlos am Direct-Lending-Geschäft vorbei. Der Druck auf die Kreditwürdigkeit mancher Unternehmen dürfte sich erhöhen. Nicht alle Unternehmen werden steigende Inputkosten weitergeben können, andere könnten unter zurückgehender Nachfrage leiden. Das wird auch Druck auf die Direct-Lending-Portfolios ausüben, wenngleich die Anlageklasse stark defensiv bleiben wird.  

Direct Lending Konditionen sind attraktiv wie selten zuvor

Angesichts des weniger intensiven Wettbewerbs sind die Konditionen im Direct Lending derzeit besser als in den meisten früheren Marktphasen. Um dies nutzen zu können, brauchen Direct Lender ausreichende Ressourcen für die Strukturierung der Schulden, eine gründliche Due-Diligence-Prüfung und ein umfassendes Research.

Auf dieser Basis können sie Fremdfinanzierungen auch mit geringeren Hebeln strukturieren. Dies bietet die Chance auf attraktive risikobereinigte Renditen. Kreditgeber können Pakete mit den passenden Covenants schnüren, um sich auf Phasen vorzubereiten, in denen die Wertentwicklung nicht den Erwartungen entspricht. Berücksichtigt man, was aktuell in den marktüblichen Konditionen bereits eingepreist ist, müssten die Ausfallraten schon auf ein Vielfaches des Niveaus während der globalen Finanzkrise steigen, um Kapitalverluste zu erleiden. Wenn man davon ausgeht, dass Direct Lending im Allgemeinen besser abschneidet als die breiteren Konsortialmärkte und wenn man stärkere Kreditstrukturen schafft, um dem Umfeld Rechnung zu tragen: Dann halte ich die Assetklasse im aktuellen Klima für eine sehr gute Möglichkeit zur defensiven Positionierung der Anleger.

Mittleres Marktsegment könnte besonders attraktiv sein

Wir halten Direct Lending insgesamt weiterhin für sehr attraktiv. Die attraktivsten risikobereinigten Renditen lassen sich unserer Meinung nach im Marktsegment mittelgroßer Unternehmen erzielen, mit einem EBITDA zwischen 5 und 35 Millionen Euro. Hier konkurrieren Banken deutlich weniger um Kreditmandate. Sie ziehen sich zurück und brauchen länger, um Kapital bereitzustellen. Das macht das Segment für private Wettbewerber attraktiv, die eine paneuropäische Strategie zur Kreditvergabe anbieten können. Zudem sind in diesem Marktsegment weniger Direct Lender unterwegs. Daher ist das Verhältnis von Angebot und Nachfrage hier am günstigsten.

Hilfreich ist in diesem Marktsegment die Erfahrung unseres Nachhaltigkeitsteams, das auf den öffentlichen Märkten etwa 4000 Unternehmen abdeckt. Wir versuchen Kreditnehmer zu motivieren, einen nachhaltigen Wandel voranzutreiben und unterstützen sie dabei. Im mittleren Marktsegment sehen wir besonders große Möglichkeiten für eine solche wirkungsvolle Einflussnahme. Zudem sind Eigenmittelquoten, Dokumentation und Preisgestaltung hier oft besser als bei größeren Unternehmen.

Sind die USA wirklich attraktiver als Europa?

Es wird derzeit viel darüber gesprochen, dass sich die USA als widerstandsfähiger gegenüber einer bevorstehenden Rezession erweisen könnten als Europa. Unserer Analyse nach bietet Europa derzeit aber ein höheres Renditeniveau für Private Lending als die USA. Die durchschnittlichen Zinsmargen liegen höher, die Eigenkapitalpolster sind größer und die Verschuldungsgrade geringfügig geringer. Im Direct-Lending-Markt werden in Europa zudem in der Regel defensivere Branchensegmente bevorzugt.

Direct Lending bietet Anlegern Chancen auf langfristig stabile Renditen und den Vorteil variabler Zinssätze. Außerdem stehen schwierigere Zeiten für die Fundamentaldaten der Unternehmen bevor. Eine vorrangig besicherte Position in der Kapitalstruktur ist für die Anleger in solchen Phasen eine hervorragende Positionierung.

Buy-and-Hold-Umfeld bringt veränderte Herausforderungen für Kreditmanager

Die Ausfallraten auf den europäischen Direct-Lending-Märkten waren in der Vergangenheit niedrig, Probleme mit Schuldnern die Ausnahme. Investoren und Manager wurden also nicht wirklich auf die Probe gestellt. Unserer Erfahrung nach hat man sich in dieser Phase sehr auf die Umsetzung konzentriert und zu wenig Wert auf solide Investitionen gelegt. Wir sind überzeugt, dass langfristig erfolgreiche Manager in dem Segment eine gründliche Due-Diligence-Prüfung durchführen können müssen. Zudem müssen sie Finanzmodelle einer Vielzahl von Stresstests unterziehen können. Damit sind nicht nur verschiedene Zinsszenarien gemeint. Es geht auch um mögliche Störungen der Nachfrage, was unserer Meinung nach im Jahr 2023 ein Thema werden dürfte.

Unser erfahrenes Team hat bereits mehrere Zyklen erlebt und umfasst auch erfahrene Experten für ausfallgefährdete Kredite und Sanierungen. Es ist wichtig, Workout-Erfahrungen auch bei der Vergabe neuer Kredite zu nutzen und verschiedene mögliche Szenarien zu durchdenken. Unsere Analysten in den Niederlassungen in Asien, Europa, Australien und Nordamerika decken rund 97 Prozent des Universums der börsennotierten Unternehmen ab. Das verschafft uns einen enormen Einblick bei Fragen zu Due-Diligence, Lieferketten und anderen wichtigen Faktoren.

ESG und Private Markets: Kreditgeber können positiven Einfluss ausüben

Auf öffentlichen Märkten gibt es schon seit Jahren ESG-Strategien. Sie sind insgesamt weiter fortgeschritten als auf Private Markets. Bei Fidelity bevorzugen wir grundsätzlich Engagement-Strategien gegenüber dem Ausschluss-Prinzip: Anstatt Unternehmen den Zugang zu Kapital zu verwehren, möchten wir unser Kapital nutzen, um Veränderungen voranzutreiben.

Wir arbeiten dazu mit den Kreditnehmern zusammen und verfolgen ESG-orientierte Veränderungen, die sie während der Kreditlaufzeit umsetzen. Wir belohnen Portfolio-Unternehmen für das Erreichen ihrer Ziele: Wenn bestimmte Meilensteine erreicht werden, reduzieren wir die Margen für Darlehen. Andernfalls versuchen wir, die Margen nach oben zu korrigieren. So wollen wir die Unternehmen dazu motivieren, sich auf ESG-Felder zu konzentrieren.  

Dabei geht es nicht nur um den Nutzen für die Gesellschaft. Die Risiken und Chancen, die wir im Zusammenhang mit ESG bewerten, sind auch wichtig für die Beurteilung der allgemeinen Kreditwürdigkeit. Nachhaltige Unternehmen sind in der Regel krisenresilienter und zudem attraktiver, wenn Private-Equity-Häuser einen Verkauf oder eine Refinanzierung anstreben. Ausfallrisiken sind nach unseren Analysen geringer, wenn ein Unternehmen einen angemessenen ESG-Plan verfolgt.

Die Jahre ab 2023 könnten zu den stärksten für Direct Lending gehören

In den vergangenen Quartalen haben Direct-Lending-Transaktionen zugenommen. Ein Teil des trockenen Pulvers aus Vorjahren ist daher unerwartet schnell verbraucht worden. Bei Fusionen und Übernahmen gab es in der ersten Jahreshälfte recht viele Aktivitäten; die Aktivität verlangsamt sich jetzt jedoch. Die volatilen Aktienmärkte schrecken Unternehmen ab, die sich selbst zum Verkauf stellen wollten. Und die starken und aktiven Unternehmen fragen weniger Fremdkapital nach, wenn sie nicht müssen.

Private-Equity-Fonds haben viel Geld eingesammelt, das sie 2023 und 2024 einsetzen wollen. Dabei könnte Direct Lending eine große Rolle spielen. Unserer Überzeugung nach dürften sich die nächsten Jahre als eine der besten Phasen für Direct Lending erweisen. Sie werden von höheren Margen, besseren Strukturierungen und besserer Dokumentation profitieren. Vor diesem Hintergrund sollten die risikobereinigten Renditen steigen.“

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