Das neue Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) – Was ändert sich für Wertpapierfirmen?

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  • Marcus Columbu
  • Swantje Teller (li.)
  • act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

FRANKFURT – Am 26. Juni 2021 tritt das Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) in Kraft, das die EU-Richtlinie über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (IFD) in deutsches Recht umsetzt. Marcus Columbu und Swantje Teller, Rechtsanwälte bei act AC Tischendorf, beleuchten, was auf Finanzmarktakteure zukommt und worauf insbesondere zu achten ist.

I. Was genau ist das Thema?

1.1 Am 26. Juni 2021 tritt das neue Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) in Kraft, das die EU-Richtlinie über die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten (IFD) in deutsches Recht umsetzt. Flankierend gilt die EU-Verordnung über die Aufsichtsanforderungen an Wertpapierinstitute, die Investment Firm Regulation (IFR). Das Ziel dieser Gesetzgebung ist es, den unterschiedlichen Geschäftsmodellen und den damit verbundenen Risiken von Banken und Wertpapierfirmen gerecht zu werden.

Künftig werden nach dem WpIG drei Klassen von Wertpapierfirmen unterschieden, nämlich große, mittlere und kleine Wertpapierinstitute („WPI“), für die unterschiedliche Regelungen und Anforderungen gelten. Diese reichen von zahlreichen Erleichterungen bis hin zur Beachtung von strengen Regelungen und einer Überwachung.

Das WpIG ist dann für Sie relevant, wenn Ihre Wertpapierfirma im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nummer 4 der RL (EU) 2014/65 (MiFID 2) einzustufen ist (also im Wesentlichen Tätigkeiten gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG anbietet).

1.2 Durch das WpIG wird die Regulierung und Beaufsichtigung von Wertpapierfirmen aus dem Kreditwesengesetz (KWG) sowie weitgehend aus der EU-Kapitaladäquanzverordnung (CRR) herausgetrennt und in ein eigenes, abgeschlossenes Aufsichtsregime überführt. Betroffen sind im Wesentlichen Institute, die über eine Erlaubnis gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG (und nicht gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 KWG) verfügen (sogenannte MiFID-2 Institute) und die nicht als Klasse 1 Wertpapierfirmen eingestuft werden.

Konkret werden die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Wertpapierinstitute der Klasse 2 (mittlere Wertpapierinstitute) und Klasse 3 (kleine Wertpapierinstitute) nicht mehr im KWG, sondern im WpIG nach folgenden Kriterien geregelt:

(1) Zusätzliche Genehmigung für Wertpapier-Nebendienstleistungen und Nebengeschäfte, § 15 Abs.2 WpIG

(2) Risiken, Eigenmittel, Liquiditäts- und Eigenmittelanforderungen sowie Melde- und Offenlegungspflichten (jetzt in der IFR),

(3) Geschäftsorganisation, Risikomanagement, Vergütungspolitk (nur mittlere WPI) sowie die Anforderungen an die Geschäftsleitung und die Aufsichtsorgane (jetzt in der IFD, d.h. im WpIG für Deutschland). Gleiches gilt für die Befugnisse und Instrumente der Aufsichtsbehörden und die konsolidierte Aufsicht (WpIG).

(4) Anzeigepflichten von § 24 KWG nach §§ 64 WpIG (alle WPI), § 65 WpIG (große WPI), § 66 WpIG (kleine und mittlere WPI) und 67, 68 WpIG

(5) Geschäftsorganisation nun in §§ 40-45 WpIG (vormals § 25a f. KWG)

(6) Vergütungssystem nun in § 46 WpIG (vormals § 25d KWG). Der Entwurf der Wertpapierinstituts-Vergütungsverordnung befindet sich derzeit in der Konsultation

(7) Solvenzaufsicht nun in §§ 38, 39 WpIG (vormals §§ 10 bis 12a KWG, im Wesentlichen aber CRR-Verordnung)

(8) MiFID II-Erlaubnistatbestände im WpIG (§ 2 Abs.2 WpIG) und nicht mehr im KWG (vormals § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG) – keine wesentlichen Veränderungen, aber Erlaubnispflicht von Wertpapiernebendienstleistungen

(9) Erlaubnispflicht (von §32 KWG in § 15 WpIG verschoben - beachte Genehmigungsfiktion für erteilte Zulassungen bis zum 26. Juni 2021, § 86 Abs.1 WpIG) – keine wesentlichen Veränderungen

(10) Inhaberkontrollverfahren von § 2c KWG nach §§ 24-27 WpIG – keine wesentlichen Veränderungen

(11) Bestimmungen zu vertraglich gebundenen Vermittlern von § 25e KWG in § 28 WpIG – keine wesentlichen Veränderungen

(12) Anforderungen an Geschäftsleiter und Verwaltungs-/Aufsichtsorgane nun in §§ 20-23 WpIG für kleine und mittlere WPI, für große WPI gelten weiterhin die §§ 25c, 25d, 36 KWG (zus. Absichtserklärung nach § 65 Abs.1 Nr.1 WpIG) – keine wesentlichen Veränderungen

(13) EU-Passporting von § 24a KWG nach §§ 70-72 WpIG bzw. § 53b KWG nach §§ 73-75 WpIG – keine wesentlichen Veränderungen

(14) Geldwäscherechtliche Pflichten nun in §§ 33 bis 37 WpIG (vormals § 25g bis 25m KWG) – keine wesentlichen Veränderungen

II. Schritt 1: Welche Klassifizierung trifft auf mich zu?

1.1.1 Die erste Klasse, die sog. großen WPI, unterliegen unverändert den bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen (fallen also weiterhin unter das KWG, etc.). Daher ist das WpIG für diese Gruppe nicht relevant. Hingegen entfaltet das WpIG seine Wirkung für mittlere WPI (Klasse 2) sowie für kleine WPI (Klasse 3).

Ihr WPI ist als große Wertpapierfirma einzustufen, wenn Sie Emissionsgeschäft oder Eigenhandel betreiben und über eine Bilanzsumme (alleine oder in der Gruppe) von EUR 15 Mrd. oder mehr verfügen. Wertpapierfirmen mit einer Bilanzsumme von EUR 5 Mrd. fallen ebenfalls darunter, wenn sie von der BaFin als systemrelevant eingestuft werden.

1.1.2 Mittlere WPI, wenn eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen erffüllt sind (Überschreitung der in Art. 12 IFR genannten Schwellenwerte für kleine WPI):

(1) Bilanzsumme ab EUR 100 Mio.,

(2) Brutto-Gesamteinkünfte ab EUR 30 Mio.,

(3) Summe verwalteter Assets ab EUR 1,2 Mrd. (Art. 17 IFR)

(4) Kundenaufträge (Art. 20 IFR) pro Tag ab EUR 100 Mio. (Kassa) oder ab EUR 1 Mrd. (Derivate) beträgt.

Sofern Wertpapierinstitute Eigenhandel betreiben, sind sie grundsätzlich als mittelgroß einzustufen. Ferner sind WPI automatisch als mittlere WPI einzustufen, wenn sie Kundengelder halten (Art. 18 IFR), Vermögenswerte verwahren oder verwalten (Art. 19 IFR), Handelsgeschäfte betreiben (Art.33 IFR), Clearingaktivitäten betreiben (Art. 22,23 IFR) und ein Handelsgegenparteiausfallrisiko haben (Art. 26 IFR).

1.1.3 Kleine WPI sind solche, die ausschließlich Aktivitäten im Sinne des Art. 12 IFR betreiben beziehungsweise die dort genannten Schwellenwerte nicht überschreiten und die keine Verflechtung begründen.

Empfehlung: Falls Sie nur knapp in Klasse 1 oder 2 fallen, sollten Sie prüfen, ob Sie durch ohnehin geplante Anpassungen ihres Geschäftsmodells in die niedrigere Klasse kommen können. Wir unterstützen Sie dabei gerne.

III. Schritt 2: Welche Änderungen gilt es zu beachten?

Durch die Einführung der IFR und des WpIG ergeben sich Änderungen für mittlere und kleine WPI. Insbesondere müssen die mittleren Wertpapierinstitute überarbeitete Bestimmungen zu Kapital- und Liquiditätsanforderungen (unten Ziffer 1), Internal Governance (unten Ziffer 2), Offenlegungs- und Meldepflichten (unten Ziffer 3) sowie Anforderungen an die Vergütung (unten Ziffer 4) umsetzen.

1. Anforderungen an das Anfangskapital und Liquiditätsanforderungen

1.1 Das WpIG regelt in § 17 die Anforderungen an das Anfangskapital. Dieses muss eine Wertpapierfirma dauerhaft vorhalten, um eine Erlaubnis erhalten bzw. behalten zu können. Weiterhin sollten Sie beachten, dass die vorgesehenen Eigenmittelanforderungen nach der Größe der Wertpapierinstitute unterschieden werden. Ein Kernelement der Neuerungen ist die Berechnungsmethode der Höhe der vorzuhaltenden Eigenmittel. Diese orientiert sich mit der neuen Regelung stärker an der Tätigkeit der Wertpapierfirmen. Bestimmungen zur Berechnung der Eigenmittel finden Sie in den Art. 9 ff IFR.

1.1.1 Die laufenden Kapitalanforderungen sind für kleine WPI im Wesentlichen unverändert, d.h. Vorhalten wenigstens ihres Mindestkapitals (Art. 11 Abs. 1 buchst. b), Art. 14 IFR, § 38 WpIG) beziehungsweise (sofern höher), Ausrichtung an den fixen Gemeinkosten (Art. 11 Abs. 1 buchst. a), Art. 13 IFR, § 38 WpIG).

1.1.2 Für mittlere WPI gelten andere Anforderungen gemäß den Art. 13 ff. IFR und 38 ff. WpIG. Aus diesen Bestimmungen ergeben sich unterschiedliche Faktoren, von denen der jeweils höchste maßgeblich für die laufenden Kapitalanforderungen ist. Diese unterschiedlichen Faktoren sind unterteilt in die Mindestkapitalanforderungen (vgl. Ziffer 1.1), den Liquiditätsanforderungen, die sich aus den fixen Gemeinkosten ergeben (fixed overhead requirements, vgl. Ziffer 1.2) und den K-Faktor-Anforderungen (Art. 15 bis 32 IFR), die sich aus den erbrachten regulierten Dienstleistungen und den Risiken für Kunden, Märkte und Institute ergeben. Im Folgenden finden Sie eine Übersicht der K-Faktoren:

K-Faktoren K-Faktor Kapitalanforderungen für
Kundenrisiken K-AUM das verwaltete Vermögen
  K-COH bearbeitete Kundenaufträge
  K-ASA verwahrte und verwaltete Vermögenswerte
  K-CMH gehaltene Kundengelder
Marktrisiken K-NPR das Nettopositionsrisiko des Handelsbuchs
  K-CMG geleistete Marginzahlungen
Institutsrisiken K-TCD Handelsgegenparteiausfallrisiken im Handelsbuch
  K-DTF den täglichen Handelsstrom
  K-Con das Konzentrationsrisiko

1.2 Die Art. 43 bis 45 IFR und die §§ 39, 52 WpIG treffen Regelungen über die Liquiditätsanforderungen. Danach haben mittlere WPI mindestens 1/3 der fixen Gemeinkosten als liquide Aktiva vorzuhalten (vgl. Art. 13 Abs. 1 IFR). Einzelheiten der zu berücksichtigenden Positionen sowie zu Herausrechnung und Herabsetzung der vorzuhaltenden liquiden Aktiva ergeben sich aus den genannten Bestimmungen. Ferner müssen mittlere WPI laufend ihre Risikotragfähigkeit sicherstellen und entsprechende Verfahren zu deren Sicherstellung implementieren (Proportionalitätsprinzip). Bei kleinen WPI kann die BaFin entsprechendes anordnen, sofern und soweit sie dies als angemessen einstuft.

1.3 Empfehlung: stellen Sie sicher, dass Ihre Berechnungsmethode passt und sichern Sie sich insbesondere ab, indem Sie stets den höchsten Faktor (Mindestkapitalanforderungen, Liquiditätsfaktoren an den fixen Gemeinkosten ausgerichtet, K-Faktoren) ansetzen.

2. Anforderungen an die Risiko- und Geschäftsorganisation

Die besonderen Anforderungen an die Risiko- und Geschäftsorganisation ergeben sich aus Art. 35 ff IFR und § 41 WpIG. Ferner aus den EBA (Draft) Guidelines on internal governance under Directive (EU) 2019/2037 (IFD), die sich allerdings nur an mittlere WPI und WPI im Gruppen-konsolidierungskreis richten.

2.1 Als kleines WPI muss Ihre Risiko- und Geschäftsorganisation zweckdienlich und der Art, dem Umfang und der Komplexität (Proportionaliätsgrundsatz) der Ihrem Geschäftsmodell innewohnenden Risiken und Ihren Geschäften angemessen sein. Sie müssen klare und transparente Organisationsstrukturen mit ebensolche Berichtslinien vorhalten und Verfahren zur Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation von Risiken implementieren. Ferner müssen Sie sicher stellen, angemessene Kontrollmechanismen, einschließlich entsprechender Rules & Procedures umzusetzen.

Auslagerungen haben Sie hinsichtlich der Regelungsdichte, dem Monitoring und der Risikosteuerung am Proportionalitätsgrundsatz auszurichten. Insgesamt gibt es hier wenige Änderungen zum bisherigen Stand, gegebenenfalls aber dann wenn (falls) MaRisk/MaComp/BA-IT für kleine und mittlere WPI angepasst werden.

2.2 Als mittleres WPI unterliegen Sie den Regelungen zum Konzentrationsrisiko in den Art. 35 ff IFR. Demnach sind Sie verpflichtet, die Konzentrationsrisiken fortlaufend zu überwachen (und daher zu berechnen). Beachten Sie die Obergrenzen (Art. 37 IFR) und Meldepflichten (Art. 38 IFR) ebenso wie die Bestimmungen in den Art. 39 ff. IFR zur Berechnung detaillierte Bestimmungen.

Auch Bestimmungen zu Liquiditätsanforderungen, insbesondere für mittlere WPI, die aber auch auf kleine WPI Anwendung finden können, haben Eingang in die IFR (Art. 43 ff. IFR) gefunden.

Mittlere WPI haben einen Risikoausschuss und einen Vergütungskontrollausschuss einzurichten, wenn Ihr WPI über bilanzielle Vermögenswerte von mehr als EUR 100 Mio. oder mehr als EUR 300 Mio. außerbilanzielle Vermögenswerte verfügt oder die BaFin deren Einrichtung anordnet.

Empfehlung: Überprüfen Sie ihr Risikomonitoring und Ihre Prozesse im Meldewesen, um die neuen Pflichten in jedem Fall zu erfüllen.

2.3 Die EBA Guidelines on internal governance under IFD (EBA/CP/2020/27), die sich am Proportionalitätsgrundsatz orientieren, beinhalten Regelungen zu den Geschäftsleitern und Aufsichtsorganen der mittleren WPI, Vorgaben zu den internen Kontrollfunktionen und den dazu implementierten internen Bestimmungen (Rules & Procedures), Vorgaben zu gruppenweiten Bestimmungen, Code of Conduct, Conflict of Interest Policy, Bestimmungen zum Schutz von Hinweisgebern, etc. Die EBA legt dabei besonderen Wert auf klare, transparente und gut dokumentierte Bestimmungen und nimmt die Geschäftsleiter ausdrücklich in die Pflicht, diese zu kennen. Insgesamt haben sich die Bestimmungen an Recht und Ordnung an den Werten des mittleren WPI und an dessen Risiko- und Geschäftskultur auszurichten. Im Wesentlichen trifft die EBA hier keine gänzlich neuen Vorgaben. Mittlere WPI sind aber gut beraten, die neuen Richtlinien im Detail zu studieren und erforderlichenfalls Anpassungen ihrer bestehenden Organisationsrichtlinien vorzunehmen.

Hinsichtlich der Risikokultur der mittleren WPI betont die EBA beispielsweise, dass diese angemessen und solide ausgestaltet sein soll und konsequent durchzusetzen ist. Mittlere WPI sollen ihre Risiken institutsweit und ganzheitlich bewerten und ihre Risikokultur transparent kommunizieren sowie schriftlich nachvollziehbar festhalten. Vor dem Hintergrund der bisher vorliegenden Bestimmungen ist davon auszugehen, dass diese Vorgabe bei einigen mittleren WPI Anpassungen ihrer Organisationsrichtlinien und Unternehmenskommunikation nach sich zieht. In diesem Zusammenhang macht die EBA auch Vorgaben zum Internen Kontroll- und zum Risikomanagementsystem. Auch diese Vorgaben sind prinzipiell nicht neu, im Detail aber durchaus beachtenswert, abhängig vom individuellen mittleren WPI.

Besondere Schwerpunkte setzt die EBA auf angemessene Bestimmungen zu Mitarbeitergeschäften und Interessenskonflikten. Mitarbeitergeschäfte sind nachvollziehbar zu dokumentieren und haben einen Freigabeprozess zu durchlaufen. Wo Interessenkonflikte nicht vermieden werden können (was jedoch das Ziel jedes mittleren WPI sei sollte), hat es angemessene Bestimmungen zum Umgang mit Interessenkonflikten vorzuhalten. Auch aus diesen EBA Vorgaben ergeben sich Besonderheiten, die bisher noch nicht alle mittleren WPI angemessen umgesetzt haben dürften.

Die Bestimmungen zum Schutz von Hinweisgebern richten sich bereits nach der ab dem 16. Dezember 2021 verbindlichen Richtlinie (EU) 2019/1937 zum Schutz von Hinweisgebern. Mittlere WPI sind gut beraten, sich bereits jetzt mit der Implementierung und Umsetzung der hierfür erforderlichen Prozesse zu beschäftigen (vgl. § 13 WpIG).

Die Vorgaben der EBA zum Business Continuity Management und allgemein zur Transparenz sind nicht neu und daher eher als Vervollständigung anzusehen. Schließlich gibt die EBA noch Vorgaben dazu, welche Aspekte bei der Ausarbeitung der internen Richtlinien zu beachten sind. Wir empfehlen, den in Annex I der EBA Guidelines hinterlegten Katalog durchzusehen und auf vollständige Berücksichtigung zu überprüfen. Sollte ein mittleres WPI nachbessern müssen, fällt es positiv ins Gewicht, alle Aspekte berücksichtigt und dokumentiert zu haben.

Empfehlung: Die Umsetzungspflichten der EBA Guidelines und der damit zusammenhängenden Bestimmungen der IFR und des WpIG sind stark am Proportionalitätsgrundsatz ausgerichtet. Dies bietet einen relativ großzügigen Spielraum zur Umsetzung dieser Vorgaben, sofern Sie entsprechend nachvollziehbare Begründungen vorhalten, die sich auf die bei Ihnen umgesetzte Prozesse und Maßnahmen beziehen. Wir stellen immer wieder fest, dass Institute hier Spielraum nach unten haben, der mit der richtigen Begründung nutzbar wird und sich teilweise erheblich auf die Organisations- und Kostenstruktur Ihres WPI auswirkt.

3. Anzeigepflichten und Offenlegung

Bei Anzeige- und Meldepflichten ergeben sich, abgesehen von ad-hoc Meldungen, im Wesentlichen zwei Intervalle:

3.1 Mindestens jährlich sind Risikomanagementziele und -politik, Unternehmensführung, Diversity, Eigenmittel und Eigenmittelanforderungen sowie zur Vergütung der Mitarbeiter und zu Anlagestrategie (Art. 46 bis 52 IFR) offenzulegen.

3.2 Meldepflichten (Art. 54, 55 IFR): Eigenmittel, Kapital/K-Faktoren, Bilanz, GuV und Geschäftsaktivitäten sind bei mittleren WPI quartalsweise, bei kleinen und nicht verflochtenen WPI jährlich zu melden. Ferner sind Angaben zu Konzentrationsrisiken von Gegenparteien (nach Typ) abzugeben und die Einhaltung der Liquiditätsanforderungen zu melden.

Empfehlung: Überprüfen Sie, ob Sie Ihre Prozesse im Meldewesen richtig angepasst haben. Unzutreffende oder fehlende Meldungen lösen unnötige Anfragen der Aufsicht aus.

4. Vergütungspolitik

Für kleine WPI gelten die alten Bestimmungen nicht mehr (mit Ausnahme der Bestimmungen in der MaComp). Ferner sind keine der Vorgaben des WpIG zu Vergütungssystemen auf kleine WPI anwendbar (vgl. § 38 Abs. 1 WpIG). Ob dies vor dem Hintergrund der bereits in der Konsultation befindlichen Wertpapier-Institutsvergütungsverordnung so bleibt, wird sich wohl spätestens Anfang Juni 2021 zeigen.

Für mittlere WPI hingegen gelten neue Vergütungs-Regularien (Art. 26 ff. IFD und §§ 44, 46 WpIG) und die EBA Guidelines on sound remuneration policies under IFD (EBA/CP/2020/26). Diese beinhaltet erweiterte Governance-Regelungen und spezifische Risk Taker-Anforderungen (Ermittlung, Auszahlung der variablen Vergütung und Offenlegung).

Die EBA betont im Rahmen der neuen Vergütungsleitlinien (EBA/CP/2020/26), dass die Vergütungspolitik mit einem soliden und wirksamen Risikomanagement vereinbar sein soll und betont hierbei Geschlechterneutralität.

Im Hinblick auf die neuen Vergütungsgrundsätze ergeben sich auf den ersten Blick systemisch wenig Neuerungen. Die Regelungsbereiche der Bestimmungen decken sich im Wesentlichen mit den bereits bekannten Bestimmungen. Beachtenswert sind besonders die Vorgaben der Schwellenwerte von EUR 100 Mio. und EUR 300 Mio., die sich aus dem Proportionalitätsgrundsatz ergeben und nach denen sich die Intensität und Extensität der Regelungsdichte ergibt.

Auch für den Bereich der Vergütungspolitik ihres WPI empfehlen wir Ihnen daher, sich noch einmal mit den eventuell relevanten Abweichungen vertraut zu machen, um Nachbesserungen zu vermeiden. Bei der Vergütungspolitik ist hierbei besondere Sorgfalt geboten, da sie vor dem Hintergrund arbeitsrechtlicher Restriktionen beziehungsweise Dienstverträgen mit fester Laufzeit grundsätzlich kaum nachbesserungsfähig ist. Auseinandersetzungen mit der Aufsicht in diesem Bereich hätten daher besondere Tragweite. Vor diesem Hintergrund gibt es besondere Übergangsvorschriften zur Anpassung des Vergütungssystems bis zum 31. Dezember 2021 beziehungsweise 30. Juni 2022.

Dennoch ist eine intensive Lektüre der EBA Guidelines on sound remuneration policies under IFD (EBA/CP/2020/26) empfehlenswert. Eine Anpassung Ihres Vergütungssystems könnte vor deren Hintergrund, in Verbindung mit den Bestimmungen der Art. 26 ff. IFD und §§ 44, 46 WpIG erforderlich sein. Zwar steht eine neue Wertpapier-Institutsvergütungsverordnung (noch) aus. Die bestehenden Vorgaben sind aber dennoch beachtenswert.

Empfehlung: auch bei der Konzeption von Vergütungssystemen treten erfahrungsgemäß immer wieder Unklarheiten auf. Das ist vor dem Hintergrund arbeitsrechtlicher, nicht dispositiver Regelungen besonders ärgerlich. Daher empfehlen wir stets, hierauf ein besonderes Augenmerk zu legen. Wir unterstützen Sie hierbei gerne sowohl bei aufsichtsrechtlichen als auch bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen.

Ferner empfehlen wir, den Entwurf der Wertpapier-Institutsvergütungsverordnung zu prüfen und nach der Konsultationsphase Ende Mai / Anfang Juni gegebenenfalls weitere Anpassungen vorzunehmen. Aus diesem Grund sollten Sie Ihr Vergütungssystem derzeit noch nicht finalisieren.

5. Praxishinweis:

Finanzdienstleister sind umfassend von den regulatorischen Neuerungen betroffen, die in weniger als zwei Monaten bereits in Kraft treten. Die verbleibende Zeit bis dahin sollten Sie nutzen, um sich umfassend auf die neuen Regelungen und Anforderungen einzustellen und diese rechtzeitig umzusetzen, was zu umfassenden Umstrukturierungsmaßnahmen beinhalten.

Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung als Berater von Finanzdienstleistern, Asset Managern und Banken sowie aus zahlreichen Gerichtsverfahren im Bereich der Anlegerhaftung, aber auch vor dem Hintergrund unserer Expertise als ausgelagerte Compliance-Beauftragte kennen wir den Markt genau.

Daher können wir Sie effizient unterstützen, Ihre internen und externen Prozesse praxisnah und gerichtsfest zu gestalten.

Marcus Columbu ist Rechtanwalt und Partner sowie Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und leitet die Praxisgruppe Banking, Regulatory, Capital Markets. Er berät mittlere bis große Finanzdienstleister und Asset Manager sowie einige Banken in den Bereichen Regulatory und Compliance bei Projekten und ihrem regulatorischen Tagesgeschäft. Er ist daneben ausgelagerter Chief Compliance Officer mehrerer Asset Manager und Finanzdienstleister sowie ESG-Beauftragter und zudem als Aufsichtsrat tätig.

Swantje Teller ist Rechtsanwältin bei act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und Mitglied der Praxisgruppe Banking, Regulatory, Capital Markets. Sie berät mittlere Finanzdienstleister sowie Privatbanken in den Bereichen Regulatory und Compliance sowie zu verschiedenen Haftungsfragen des Bankrechts. Daneben vertritt sie Finanzdienstleister und Banken bei der Abwehr von Schadensersatzklagen aufgrund vermeintlicher Falschberatung und Prospekthaftung.

act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB
Als eine der ersten Ausgründungen aus einer Großkanzlei auf dem deutschen Markt im Jahr 2000 gilt die act AC Tischendorf Rechtsanwälte Partnerschaft mbB als eine der Top-Wirtschaftskanzleien in Deutschland. Sie hat ihren Sitz in Frankfurt am Main, der Finanzmetropole Deutschlands und Drehscheibe für das internationale Geschäft. In Fachveröffentlichungen (Legal 500, JUVE, Best Lawyers etc.) wird act AC Tischendorf in den Kernbereichen M&A/Corporate-, Restrukturierung/Insolvenz und Arbeitsrecht unter den Top-Kanzleien aufgeführt. Mit ihrem Kanzleiverbund act legal verfügt die Kanzlei zudem über Büros in allen relevanten Wirtschaftsregionen Europas und steuert so auch grenzüberschreitende Projekte aus einer Hand.

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