COVID-19 erzwingt neue Immobilienbewertung

  • Gabriel Khodzitski
  • PREA GmbH

FRANKFURT – Versicherer, Family Offices und andere Akteure an den Immobilienmärkten treibt derzeit vor allem eine Frage um: Wie beeinflusst die Corona-Krise die eigenen Investments? Gabriel Khodzitski von der PREA GmbH, rät zu Clustering-Algorithmen und Big-Data-Ansätze, die bei der Risikoanalyse und Wertprognose helfen.


Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:

„Alle Zeichen deuten darauf hin, dass auch nach Ende der Kontakt- und Aufenthaltsbeschränkungen einigen deutschen Wirtschaftszweigen eine ökonomische Durststrecke droht“, erklärt Gabriel Khodzitski, Founder & CEO der PREA GmbH. „Doch wie wirkt sich das auf die Immobilienbranche aus? Einerseits herrscht im Hinblick auf die Immobilienmärkte eine tendenzielle Verunsicherung, die von den düsteren Wirtschaftsprognosen getrieben wird. Dies kann jedoch durch wissenschaftliche Analysen nicht bestätigt werden, immer stärker kristallisiert sich heraus, dass Immobilieninvestments langfristig sogar profitieren dürften, da eine Ausweichbewegung weg von der Aktie und vom festverzinslichen Wertpapier hin zum Immobilienprodukt sehr wahrscheinlich ist. Andererseits besteht die begründete Sorge, dass einige Bestandsmieter in die Insolvenz rutschen könnten.

Trotz der positiven Ausgangslage für Investoren greifen daher klassische Modelle zur Preisermittlung und Risikobestimmung nur sehr begrenzt: Was nützt es einem Investor, Comparables einer ähnlichen Immobilie heranzuziehen, die vor acht Wochen verkauft wurde – bei der nun aber womöglich einige Bestandsmieter trotz Mietstundungen und Wirtschaftshilfen vor dem Ruin stehen?

Comparables sind in Deutschland, insbesondere in der heutigen Marktsituation, überbewertete Benchmarks. Eine richtige Risikoanalyse und Prognose kann nur durch Clustering-Algorithmen erfolgen. Dabei werden ähnliche Strukturen in Ballungsgebieten ausgewertet und mit der analysierten Mikrolage verglichen. Die Erkenntnisse, die hier gewonnen werden, sind wertvoller als Comparables.

Umso bedeutsamer wird vor diesem Hintergrund die Analyse alternativer Daten. Dabei geht es sowohl um die Rahmenbedingungen des Standorts als auch der einzelnen Mieter. Beim Standort sind dies unter anderem individuelle, auf analytischer Basis erhobene und mit anderen Mikrolagen vergleichbare Informationen: Verkehrslage und Anbindung, soziale Infrastruktur, Demografie, Stadtentwicklung, politische Verhältnisse, Infrastrukturausbau und die Entwicklung des Jobangebots. Bei den Mietern handelt es sich um Angaben über deren Jahresabschlüsse, den Fremdkapitalanteil und eine Einschätzung darüber, wie stark krisengefährdet das Geschäftsfeld ist.

Letztlich geht es um Wahrscheinlichkeitsrechnung: Kann die durchschnittliche Miete, die am Markt bezahlt wird, unter diesen Umständen noch beglichen werden? Zudem geht es um die Frage, was an der Immobilie verändert werden müsste, um den Cashflow für die Zukunft zu optimieren. Nutzungsarten, die wir heute als Spezialimmobilie bezeichnen, könnten morgen bereits mehr als nur ein Trend sein.

Künstliche Intelligenz ist der Schlüssel
Schlüsseltechnologien wie künstliche Intelligenz, Machine Learning und die Auswertung von Big Data sind bereits fest im Diskurs der Immobilienbranche verankert. Leider wird nach wie vor häufiger darüber geredet, als dass diese Technologien tatsächlich zur Anwendung kommen. Denn während die klassischen Immobilienkennzahlen weitgehend mit Manpower und Excel hergeleitet werden können, ist das mit alternativen Daten nicht mehr möglich. Schließlich müssen Milliarden von Datensätzen auf wissenschaftlicher Basis ausgewertet und miteinander in Relation gebracht werden – und das bei Rahmenbedingungen, bei denen alles vom Zeitfaktor abhängt. Das können nur leistungsfähige Computer und selbst lernende Maschinen auf Basis wissenschaftlich-analytischer Methoden. Excel verfügt nicht über die notwendige Leistungskapazität.

Kurioserweise sind einige der Big-Data-Anwendungen, die die Bundesregierung sowie Forschungsinstitute zurzeit einsetzen – oder über deren Einsatz zumindest diskutiert wird –, und die Methoden zur alternativen Datenermittlung relativ ähnlich. Die massive Analyse anonymisierter Handystandortdaten kann beispielsweise nicht nur darüber Aufschluss geben, ob die Menschen wirklich weniger mobil sind. Genauso ist es möglich, Passantenfrequenzen und Laufwege an einem bestimmten Standort zu analysieren und daher zu ermitteln, ob die eigene Immobilie auch in Krisenzeiten weiterhin Passanten anziehen könnte.

Aber auch abseits vom gegenwärtigen Shutdown geben alternative Daten wie Passantenaufkommen und Verkehrsdichte Auskunft über die Popularität von Bezirken und Straßen. Auf diese Weise lässt sich etwa abwägen, ob ein weiteres Restaurant in der untersuchten Gegend Zulauf finden könnte oder der Bedarf bereits gedeckt ist und stattdessen vielleicht ein Einzelhändler im Erdgeschoss angesiedelt werden sollte. Neben Handydaten sind dafür Satellitenbilder und anonymisierte Bewegungsmuster auf Basis von Kameraaufnahmen als wichtige und völlig legale Quelle denkbar.

Auf lange Sicht können durch diese analytische Vorgehensweise auch potenzielle neue Kiezbildungen identifiziert werden, die mit Blick auf die Zukunft ein sicheres Investment darstellen. Man denke nur an den Berliner Kollwitzplatz, der sicherlich auch in Jahrzehnten noch beliebt sein wird. Hierzu haben sich mittels wissenschaftlicher Herangehensweise Indikatoren herauskristallisieren lassen, die essenziell sind für zukünftige Kiezbildungen. Andererseits könnten weitere Plätze und Lagen, die zurzeit nur begrenzt angesteuert werden, durch eine Aufwertung des lokalen Angebots besser etabliert werden. Wenn ein Immobilieninvestor dieses Potenzial rechtzeitig erkennen und an diesen Lagen zukaufen kann, profitiert er gleich doppelt: Seine Immobilie dürfte kontinuierliche Wertzuwächse verzeichnen, während die Mieter gleichzeitig die Lage weiter aufwerten und somit den Aufwärtstrend des Kiezes noch beschleunigen.

Mit Blick auf die Folgen der Coronaviruspandemie geht es im Moment neben dem Identifizieren von Opportunitäten jedoch vor allem darum, das eigene Portfolio krisensicherer zu gestalten. Auch dort zeigen Big-Data-Analysen, ob eine Bereinigung des Portfolios um gewisse Standorte oder Immobilientypen sinnvoll ist.

Was bleibt von Covid-19?
Aktuell verhalten sich die Akteure an den Immobilienmärkten sehr unterschiedlich. Zwar gibt es eine Vielzahl an Investoren, die ihr Geschäft noch so betreiben wie vor dem Shutdown. Andere haben jedoch einen Strategiewechsel vollzogen. Damit verbunden ist ein Transaktionsdruck, der aktuell den verzögerten Prozessen im Bereich der Due-Diligence-Prüfung oder auch auf den Baustellen entgegensteht. Daher ist es umso wichtiger, jetzt die Methoden zur alternativen Datenermittlung einzusetzen und zu verfeinern.

Um die Chancen zu nutzen, die sich in dieser Phase für Investments ergeben, und darüber hinaus auch Immobilienprojekte exakt nach Bedarf zu entwickeln, brauchen wir für die Zukunft ein viel präziseres Wissen über die Art und Weise, wie öffentliche Räume und Immobilien genutzt werden. Die eigentliche Gefahr für alle, die weiterhin mit den klassischen Methoden vorliebnehmen, ist, dass die Ausnahmesituation in den Köpfen der Menschen zumindest teilweise haften bleibt und dass das Arbeitsleben und das öffentliche Zusammenleben neu organisiert werden.
Die Folge: Immobilien müssen in Zukunft anders entwickelt und Vermietungskonzepte anders gestaltet werden. Dabei geht es nicht nur darum, den Gastronomie- oder den Co-Working-Space innerhalb der Immobilie zu hinterfragen, sondern, dass infolge des Social Distancing die Gesellschaft wahrscheinlich zum ersten Mal im wahrsten Sinne des Worts digitalisiert wird. Wobei nichts so sehr von der Digitalisierung beeinflusst wird wie das Verhältnis des Menschen zu den reellen und virtuellen Räumen, die er nutzt.“

Gabriel Khodzitski ist Founder & CEO der PREA GmbH. Der Autor verantwortet das operative Geschäft der PREA GmbH – eines digitalen Investitionsberaters in der Immobilienbranche – insbesondere im Bereich Investments, Transaction und Projektentwicklung. Während seiner zehnjährigen Karriere war er verantwortlich für mehr als 6000 bezahlbare Neubauwohnungen und 8000 neue Arbeitsplätze in Berlin.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 02/2020
Falls Sie sich für TiAM interessieren, klicken Sie bitte hier.

Zurückzum Seitenanfang