Core-Investoren bevorzugen grüne Immobilien

  • Marion Paroli
  • Wealthcap

FRANKFURT – Der Klimawandel legt keine Pause ein. Nachhaltige Strategien gewinnen deshalb bei Investoren immer mehr an Bedeutung – auch in der Immobilienbranche. Doch der Weg zu mehr Energieeffizienz und weniger CO2-Emissionen ist steinig und lang. Erste Initiativen machen jetzt Hoffnung, sagt Wealthcap-Managerin Marion Paroli.


Ab hier folgt die unredigierte Analyse von Wealthcap-Managerin Marion Paroli:

Ist der Ruf der Immobilienbranche als Nachhaltigkeitsnachzügler gerechtfertigt? Eigentlich ja. Zwar sind die Fortschritte in den vergangenen Jahrzehnten bei der Energieeffizienz nicht von der Hand zu weisen, gerade im Neubau, durch Dämmung, moderne Heizungssysteme und vieles mehr. Der technische Fortschritt, finanzielle Anreize sowie gesetzliche Vorgaben sind nicht wirkungslos verpufft. Dennoch gibt es in puncto Nachhaltigkeit bei Immobilien noch viel Luft nach oben.
Von zwei Seiten steigen stetig die Anforderungen: Auf der einen Seite sind es die Mieter, denen Nachhaltigkeitskriterien immer wichtiger werden. Das gilt insbesondere für den Bürosektor, und dort vor allem für zahlungskräftige Mieter von Core-Immobilien in guten Lagen. Unternehmen, die sich selbst hohen Ansprüchen in Sachen ESG (Environment, Social, Governance) verpflichtet sehen, übertragen dies immer öfter auch auf die von ihnen genutzten Immobilien.
Auf der anderen Seite haben Investoren immer höhere Ansprüche bezüglich ökologischer oder sozialer Nachhaltigkeit: Erstens aus ökonomischen Gründen, weil sie die Vermietbarkeit an jene zahlungskräftigen Mieter sicherstellen wollen. Zweitens spüren professionelle Investoren die wachsende Nachfrage bei ihren Endkunden nach nachhaltigen Anlageprodukten. Drittens steigen die regulatorischen Anforderungen kontinuierlich, und viertens dürften in vielen Fällen durchaus auch intrinsische oder Reputationsmotive eine Rolle spielen.
Doch was genau ist eigentlich ein nachhaltiges, „grünes“ Immobilieninvestment? Wie genau sind ESG-Faktoren hierbei definiert? In der Praxis sind unzählige Maßnahmen und Kriterien denkbar und umsetzbar. Doch eine allgemeingültige Definition und einheitliche, verbindliche Branchenstandards gibt es nicht, schon gar nicht auf internationaler Ebene. Das macht es für Investoren schwierig bis unmöglich, eine Vergleichbarkeit zwischen Produkten, Anbietern oder sogar Assetklassen herzustellen.
Effektiver Umwelt- und Klimaschutz lässt sich bisweilen nur schwer von weniger aussagekräftigen Labels unterscheiden. Ohne eine Wertung vorzunehmen: Die Ansätze sind sehr heterogen und reichen von Best-Practice-Ansätzen über CO2-Ausgleichsinstrumente und Klimaschutzprojekte, Ausgleichskriterien bis hin zum sogenannten Impact Investing. Das bedeutet: Nicht jedem Fondsanleger ist es möglich, sich im Detail ein Urteil über die einzelnen Objekte zu bilden.

Aktionsplan der EU

Doch genau an solchen Nachhaltigkeits- und ESG-Standards wird gerade auf mehreren Ebenen intensiv gearbeitet. Da sind zum Beispiel die Bestrebungen zu nachhaltigen und klimafreundlichen Kapitalanlagen im Rahmen des Sustainable Finance Action Plan der EU, die freilich den gesamten Finanzierungs- und Kapitalanlagekosmos betreffen, nicht nur den Bereich Immobilien.
Die insbesondere für Investmentprodukte wie Immobilienfonds relevantesten Einzelmaßnahmen sind die neue EU-Offenlegungsverordnung (seit 10. März 2021) und die mit ihr verzahnte EU-Taxonomie-Verordnung (ab 1. Januar 2022 für Klimaschutz- und ab 1. Januar 2023 für alle anderen Umweltmaßnahmen), welche die erforderlichen ESG-Kriterien ziemlich genau definieren.

Herausfordernde Vorgaben

Ist damit nun das Problem gelöst? Nicht wirklich, denn der Teufel steckt wie immer im Detail. Die Offenlegungsverordnung definiert ESG-Kriterien aufseiten der Produktanbieter beziehungsweise Emittenten bezüglich deren Strategie, Risikomanagement und Vergütungsstrukturen sowie aufseiten der jeweiligen Produkte. Doch wie kann dies bei Fonds und den konkreten Fondsportfolios funktionieren?
Bei liquiden Assets mag das unproblematisch sein, doch die einzelnen Fondsobjekte eines Immobilienfonds entsprechend zu bewerten, ist angesichts der Heterogenität und Individualität dieser Assetklasse eine besondere Herausforderung.
Aktuell genutzte Lösungen sind die in der Immobilienwirtschaft mehr und mehr verbreiteten Nachhaltigkeitszertifikate sowie die Urteile spezialisierter Ratingagenturen. Beides sind absolut kompetente, sinnvolle und geschätzte Instrumente. Nur der (internationale) Standard, die Vergleichbarkeit und letztlich die Verbindlichkeit sind damit noch nicht gewährleistet.
Um die von der EU wie auch von nationalen Behörden geforderten ESG-Investmentkriterien speziell für Immobilieninvestments umzusetzen, sind gerade für die Investoren Antworten und Hilfestellungen aus der Immobilienwirtschaft selbst gefragt.
Eine Initiative in diese Richtung ist der ESG Circle of Real Estate, kurz ECORE. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von rund 40 Asset- und Investment-Managern – darunter Wealthcap –, Immobilienunternehmen sowie Verbänden aus Deutschland und Österreich.
Ziel der Initiative ist die Schaffung eines allgemein verbindlichen und vergleichbaren ESG-Scorings für Immobilien und Portfolios. Kürzlich startete die Pilotphase mit der testweisen Bewertung von zunächst 500 Objekten.
Sollte sich das Scoring etablieren, könnte es – gegebenenfalls zusammen mit anderen Initiativen in Europa – die Keimzelle für ein europaweites Scoring darstellen, das wiederum die Basis für die ESG-Bewertung von Immobilienfonds und ähnlichen Anlagevehikeln in Immobilien und somit ein wichtiger Baustein einer europaweiten Green-Finance-Strategie sein könnte.

Asset-Manager gefordert

Ein wichtiges Kriterium bei der Gesamtbeurteilung: Nicht nur die unmittelbaren Objekteigenschaften wie Energieeffizienz, Baumaterialien oder Flächeneffizienz müssen bei der Bewertung eine Rolle spielen, sondern auch die Leistungen des Asset-Managements. Das reicht vom Mietvertragsmanagement (Green Leases) über das Waste-Management sowie die Messung nebst stetigem Monitoring der Verbräuche (etwa über Smart Meter) und des CO2-Fußabdrucks bis hin zu Aufbau und Unterhalt von Photovoltaikanlagen und Ladestationen für Elektroautos, um nur einige Beispiele zu nennen. Hinzu kommt eine effiziente und intelligente Belegung der Flächen – denn Leerstände und ineffizient genutzte Flächen widersprechen ebenfalls jeglichem Nachhaltigkeitsgedanken.

Grund zur Zuversicht

Die Herausforderungen sind also sehr komplex, wobei die Verantwortung aller Beteiligten – Investoren, Asset-Manager, Mieter und auch Regulatoren – gefragt ist. Dabei haben wir derzeit viel Grund zur Zuversicht: Die Akteure zeigen mehr und mehr, dass sie sich dieser Verantwortung bewusst sind und konkrete Maßnahmen ergreifen. Nun kommt es also darauf an, diese Maßnahmen und Anstrengungen noch besser und enger zu verzahnen. Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg zu exakt definierten „grünen“ oder sogar CO2-neutralen Immobilien­investments.

Marion Paroli ist Head of ESG Real Estate, Wealthcap. Die Diplomarchitektin ist seit fünf Jahren bei der HVB-Tochter Wealthcap beschäftigt, seit Mai 2020 als Head of ESG Real Estate. Von 2012 bis 2016 war sie bei der Konzernmutter UniCredit im Strategic Space Management Real Estate tätig, zuletzt als Abteilungsleiterin – zuvor unter anderem beim IWF und bei Nokia.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 01/2021
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