Comeback der Small-Cap-Prämie

  • Christian Bußmann
  • Marcard, Stein & Co

FRANKFURT – Viele Gründe sprechen dafür, dass Small Caps langfristig höhere Renditen erzielen als Large Caps. Zuletzt war die Prämie der Nebenwerte allerdings nicht mehr zu erkennen. Doch nun deutet immer mehr darauf hin, dass die gewohnte Situation bald zurückkehrt, wie Christian Bußmann von Marcard, Stein & Co beschreibt.

Ab hier folgt die Marktanalyse von Christian Bußmann, Investment Officer bei Marcard, Stein & Co:

„Die Fakten sind deutlich: Gemessen am globalen Aktienindex MSCI All Country World (ACWI) konnten Small Caps seit der Jahrtausendwende eine deutliche Outperformance gegenüber Large Caps erzielen. Die kumulierte Outperformance liegt bei über 68 Prozent. Auch wenn man einbezieht, dass die Performance der Small-Cap-Indizes deshalb überdurchschnittlich gut ist, weil sie den „Survivorship-Bias“ beinhalten, also nur die erfolgreichen Unternehmen abbilden, bleibt eine satte Small-Cap-Prämie in diesem Zeitraum.

In den vergangenen Jahren schien diese Prämie jedoch nicht mehr zu existieren. In den letzten zehn Jahren lag die Rendite der Small Caps rund neun Prozent unter den Big Caps. Nun stellt sich die Frage, ob die Small-Cap-Prämie für immer verschwunden ist. Aus unserer Sicht keineswegs! Diese Prämie ist, wie alle Risikoprämien am Aktienmarkt, eine langfristig zu erwartende Prämie.

Gute Gründe für Small-Cap-Prämie

Kurz- bis mittelfristig schwanken diese Prämien, und das müssen sie auch. Würden sie nicht schwanken, wären sie eine sichere Einnahmequelle und damit keine Risikoprämie mehr. Risikoprämien sind also per Definition kurz- bis mittelfristig volatil und nur im langfristigen Durchschnitt vereinnahmbar. Tatsächlich sprechen diverse Gründe dafür, dass sich mit den Aktien von Nebenwerten auf lange Sicht höhere Renditen erzielen lassen als mit den Aktien von Unternehmen, die eine hohe Marktkapitalisierung aufweisen.

Beispielsweise sind die Geschäftsmodelle kleinerer Unternehmen in der Regel risikoreicher und zyklischer als die großer Unternehmen, von denen einige „too big to fail“ sind. Außerdem ist die Liquidität von Small-Cap-Aktien geringer als die von Large-Cap-Aktien. Und nicht zuletzt stehen Small- und Mid-Cap-Unternehmen weniger im Fokus von Analysten und Investoren. Dies alles steht dafür, dass Small-Cap-Aktien mit einem Risikoabschlag gehandelt werden, den andererseits Anleger langfristig als Risikoprämie vereinnahmen können.

Schwacher Start ins neue Jahr

Auch im laufenden Jahr sind Small Caps bislang hinter der Wertentwicklung der Large Caps zurückgeblieben. Die Gründe dafür liegen zum einen im generellen Risiko, dem Small Caps ausgesetzt sind. So reagieren diese sensibler auf steigende Zinsen und auf eine schwache Konjunktur. Kleinere Unternehmen haben einen eingeschränkten Zugang zum Kapitalmarkt und daher in der Regel höhere Kapitalkosten. Überdies fällt es kleineren Unternehmen in Zeiten steigender Inflation aufgrund ihrer geringeren Marktmacht zudem meist schwerer, gestiegene Kosten auf die Verkaufspreise zu überwälzen.

Im aktuellen Marktumfeld mit sich eintrübenden Frühindikatoren im Industriesektor, weiter steigenden Zinsen und erhöhten Rezessionsrisiken ist das Verschwinden der Small-Cap-Prämie daher nicht überraschend. In den USA kommt die regionale US-Bankenkrise hinzu. In einer Studie von Goldman Sachs wird geschätzt, dass kleine US-Unternehmen fast 70 Prozent der Gewerbe- und Industriekredite von Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 250 Milliarden US-Dollar erhalten.

Generative KI stützt Large Caps

Ein weiterer Grund für die derzeitige Underperformance der Small Caps ist die jüngste Euphorie über die Generative Künstliche Intelligenz (GKI), die einer der Haupttreiber der Aktienmarktrallye seit Jahresbeginn ist – von der GKI-Rallye profitieren vor allem Large Caps.
Doch obwohl das aktuelle Umfeld für Small Caps kurzfristig herausfordernd ist, gibt es gute Gründe, weshalb die Small-Cap-Prämie über kurz oder lang ein Comeback erleben wird. So wird die Begeisterung über die GKI allmählich wieder abebben, und auch der konjunkturelle Gegenwind, der aktuell zumindest in Europa eher noch zunimmt, wird mit der Zeit wieder nachlassen.

Die Inflationsraten bewegen sich bereits in die richtige Richtung, sodass die Mehrheit der Marktteilnehmer davon ausgeht, dass die Notenbanken im Laufe des kommenden Jahres die Leitzinsen senken werden. Beides dürfte sich positiv auf die relative Wertentwicklung von Small Caps auswirken. Auch der Trend zur Deglobalisierung kommt Small Caps zugute. Sie dürften davon profitieren, dass die Resilienz der Lieferketten erhöht wird und Small Caps dadurch Marktanteile bei der Produktion von Vorleistungen in den entwickelten Volkswirtschaften zurückgewinnen können.

Small Caps attraktiv bewertet

Ein genauerer Blick auf die Aktienmärkte zeigt zudem, dass die relative Bewertung von Small Caps im Vergleich zu Large Caps attraktiv ist. Betrachtet man das Verhältnis von Kursen zu erwarteten Gewinnen per Zwölf-Monats-Forward-KGV über die letzten zehn Jahre, so fällt auf, dass der relative Abstand zum Mittelwert im Small-Cap-Bereich sehr hoch ist. Angesichts der Underperformance gegenüber dem Large-Cap-Segment in diesem Zeitraum ist dies nicht überraschend, das Ausmaß ist jedoch sehr deutlich. Vor allem ist dies kein regionales, sondern ein weltweites Phänomen.

Chancenreiche Beimischung

Einschränkend ist festzuhalten, dass zwar die Argumente für ein Comeback der Small-Cap-Prämie überzeugend sind, die Anleger in diesem Segment aber dennoch vor allem eines brauchen: Geduld. Kurzfristig dürfte das Umfeld für Small Caps schwierig bleiben.
Die wichtigste Erkenntnis beim Investieren in Risikofaktoren ist denn auch, dass sich solche Prämien immer nur langfristig vereinnahmen lassen. Der oft gemachte Versuch, Investments in Risikofaktoren exakt zu timen, birgt die große Gefahr, im entscheidenden Moment nicht dabei zu sein.

Fazit: Da die Gründe für eine langfristige Outperformance von Small Caps nach wie vor gültig sind, ist Anlegern zu raten, an bestehenden Small-Cap-Investments festhalten. Gleichwohl sollten Small Caps immer nur eine Beimischung im Portfolio sein. Das Kerninvestment sind und bleiben Large Caps.

Christian Bußmann ist seit Februar 2021 bei Marcard, Stein & Co. tätig, zunächst als Portfoliomanager, inzwischen als Investment Officer. Er hält einen Master of Science in Finance, Accounting & Management an der Leuphana Universität Lüneburg mit Auslandssemester an der Seoul National University sowie einen Bachelor of Arts in BWL an der Hochschule Fresenius Hamburg mit Auslandssemester an der Shanghai University.

Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM 03/2023
Falls Sie sich für TiAM interessieren, klicken Sie bitte hier.

Zurückzum Seitenanfang