China: Corona, Konsum, Kredit

  • Jennifer James
  • Janus Henderson Investors

FRANKFURT – Jennifer James, Emerging-Market-Spezialistin bei Janus Henderson Investors, ist der Frage nachgegangen, wie die von der chinesischen Regierung ergriffenen Maßnahmen bei Corona, Konsum und Kredit die kurzfristige Entwicklung Chinas beeinflussen werden und beschreibt mögliche interne wie externe Auswirkungen.


Ab hier folgt die unredigierte Analyse von Jennifer James, Emerging Market Credit Portfoliomanagerin bei Janus Henderson Investors:

„Die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Bewältigung der drei großen Problembereiche – Corona, Konsum und Kredit – erklären die derzeitige Situation Chinas und werden wahrscheinlich den kurzfristigen Kurs des Landes bestimmen. Längerfristig versucht China, seine Wirtschaft durch Innovationen voranzutreiben und den Spagat zwischen Gewinn und dem Schutz des Wohlergehens seiner Bevölkerung zu bewältigen. Der Umfang und die Herausforderung, die mit der Entwicklung einer so großen Volkswirtschaft einhergehen, sind gewaltig. Kein anderes Land hat die Fähigkeit oder den Ehrgeiz, das zu tun, was China tut. Diese Anstrengungen können jedoch unbeabsichtigte Folgen nach sich ziehen. In der Tat haben die zeitgleichen politischen Schocks in verschiedenen Sektoren, wahrscheinlich zu einer Beschleunigung einer ansonsten natürlichen Konjunkturabschwächung geführt, das Konsumklima verschlechtert und zur jüngsten Marktinstabilität beigetragen.

Corona und die Null-Toleranz-Strategie
China verfolgt gegenüber Corona eine Null-Toleranz-Strategie. Nach dem Auftreten von Fällen wurden ganze Großstadtgebiete abgeriegelt. Es wurde erklärt, dass eine Impfquote von 80 bis 85% erreicht werden muss, bevor diese Strategie überdacht würde. Auch das verarbeitende Gewerbe blieb von diesem Vorgehen nicht verschont, und dem Industriezentrum Guangdong wurden strenge Auflagen gemacht.
Eine solche Vorgehensweise, der die Wirtschaftstätigkeit sofort abwürgen kann, um sie dann wie einen Lichtschalter wieder einzuschalten, sobald die Fallzahlen zurückgehen, ist disruptiv. Denn es ist oft einfacher, die Wirtschaftstätigkeit einzustellen, als sie wieder in Gang zu bringen. Die weltweit steigenden Frachtkosten sind ein Indiz für die Überlastung, die durch Chinas Corona-Intoleranz verursacht wurde, zu der auch die Schließung von Ningbo-Zhoushan, des drittgrößten Hafens der Welt, wegen eines positiven Falls gehört.

Konsum blieb hinter Erwartungen zurück
Der chinesische Einzelhandelskonsum bleibt schwach. Er ist weit hinter den Erwartungen, dass er sich mit der Aufhebung der Restriktionen verbessern würde, zurückgeblieben. Es gibt kaum Anzeichen für eine Erholung, und das Wachstum der Einzelhandelsumsätze in China nach Corona bleibt deutlich unter der Wachstumsrate von 8% vor der Pandemie, die im Dezember 2019 verzeichnet wurde.
Der schwache Konsum könnte darauf zurückzuführen sein, dass die größte Belastung durch die wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona von denjenigen getragen wird, die am anfälligsten dafür sind. Geringverdiener machen 40% der Bevölkerung aus, und die Arbeitsmarktdaten deuten darauf hin, dass ihr Einkommen nicht im gleichen Maße gestiegen ist wie das der einträglicheren Berufe wie Technologie und Finanzdienstleistungen.

Gleichzeitig stiegen die Sparquoten der privaten Haushalte infolge der Lockdowns. Sie wurden aber von den Sparern nicht genutzt, um einen konsumorientierten Aufschwung herbeizuführen, als die Wirtschaft wieder ansprang. Dies könnte die Störung und Unsicherheit widerspiegeln, die sich aus dem Null-Corona-Ansatz ergeben, bei dem plötzliche Beschränkungen die Planung von Freizeitausgaben erschweren. Außerdem könnte es darauf hindeuten, dass die Verbraucher hinsichtlich ihrer künftigen Beschäftigungsperspektiven vorsichtig sind.

Kredit und der Immobiliensektor
Ein weiterer Faktor, der die Kauflust der Verbraucher beeinträchtigen könnte, ist das harte Durchgreifen der Regierung im Immobiliensektor. Die Regierung hat erklärt, dass sie nicht möchte, dass der Wohnungsmarkt zu einem Spekulationsmarkt wird. Immobilien sind in China von gesellschaftlicher Bedeutung und machen 23,3% des BIP aus. Die Maßnahmen zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes beginnen zu greifen. Allerdings scheinen sie über das Ziel hinausgeschossen zu sein und diesen Wachstumsmotor zu bremsen.

Ein Teil des Risikos, das sich aus einer Abschwächung des Immobiliensektors in Verbindung mit einer strengeren Schuldenpolitik der Regierung ergibt, hat sich bereits in den Schwierigkeiten von Evergrande, dem großen chinesischen Immobilienentwickler, gezeigt. Das Systemrisiko, das von der Evergrande-Saga ausgeht, dürfte gering sein, da die Banken nur ein begrenztes direktes Exposure in immobilienbezogenen Krediten haben und China die Folgen einer übermäßigen Belastung wahrscheinlich in Grenzen halten wird. Dennoch dürfte die Unterstützung eher auf Hauskäufer als auf die Rettung von Unternehmen an sich abzielen, sodass die Aktien- und Credit-Märkte möglicherweise einige Verluste auffangen müssen. Die Reaktion ist auf den Credit-Märkten zu beobachten: Die Credit-Spreads in China weiten sich aus. Bislang ist die Ausbreitung und ihre Ausweitung über China hinaus begrenzt, da sich die Spreads für Hochzins- und Investment-Grade-Anleihen der Schwellenländer kaum verändert haben.

Bemühungen, die hohe Verschuldung im Immobiliensektor in den Griff zu bekommen, sind Teil der allgemeinen Maßnahmen zur Begrenzung des Kreditwachstums. Zur Unterstützung der Strategie der Kreditverknappung wurden wichtige politische Maßnahmen ergriffen, darunter:

  • Die People's Bank of China (PBoC) schränkt die Vergabe von Immobilienkrediten ein (einschließlich Treuhand- und Anleihefinanzierung für Bauträger und Hypotheken für Verbraucher).
  • Das Finanzministerium (MoF) verschärft die Auflagen für lokale staatliche Finanzierungsgesellschaften (LGFV) und die Emission von Anleihen. Der Staatsrat duldete auch den Ausfall von LGFVs.
  • Die chinesische Aufsichtsbehörde für das Bank- und Versicherungswesen (CBIRC) verschärft den Umgang mit Treuhand- und Schattenfinanzierungen und strebt für 2021 eine Reduzierung um 1 Billion CNY an.

China hat jahrzehntelang ein beachtliches schuldenfinanziertes Wachstum erlebt. Die steigende Verschuldung in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steht in einem positiven Verhältnis zum chinesischen Pro-Kopf-BIP. Das Risiko für die Welt besteht darin, dass Chinas Absicht, die Verschuldung abzubauen, zu einem langsameren Binnenwachstum führt, was wiederum Auswirkungen auf das globale Wachstum hat.“

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