Chancen für inflationsgeschützte Anleihen?

  • Holger Brauer
  • Nomura

FRANKFURT – Mit inflationsgeschützten Anleihen können sich Anleger gegen mögliche Politikfehler absichern – ohne nennenswerte Zusatzkosten, wie Nomura-Manager Holger Brauer betont. Ein solcher Politikfehler drohe etwa, wenn es den Notenbanken nach Anspringen der Teuerung nicht gelinge, rechtzeitig und beherzt gegenzusteuern.


Ab hier folgt die unredigierte Mitteilung des Emittenten:

Nach einer ersten Schätzung von Eurostat lag die Inflationsrate in der Eurozone im Mai mit 0,1 Prozent nur noch knapp über der Nulllinie. Dennoch – oder gerade deshalb – ist Holger Brauer, Executive Director und Senior Portfolio Manager bei Nomura Asset Management, der Überzeugung, dass jetzt die richtige Zeit ist für inflationsgeschützte Anleihen, zumal Absicherung gegen Inflation an den Kapitalmärkten derzeit quasi gratis zu bekommen sei.

Brauer: „Mit den sogenannten Linkern erhalten Investoren einen Coupon, der nur minimal niedriger ist als der für die vergleichbare „normale“ Anleihe. Im Gegenzug gibt es aber am Ende der Laufzeit einen Rückzahlungsbetrag, der an einen Verbraucherpreisindex gekoppelt ist. Damit sichern sich Anleger ohne nennenswerte Zusatzkosten gegen mögliche Politikfehler ab.“

Ein solcher Politikfehler drohe etwa, wenn es den Notenbanken nach Anspringen der Teuerung nicht gelinge, rechtzeitig und beherzt gegenzusteuern.

Brauer: „Soziale Wohltaten wieder zurückzuschrauben, war schon immer schwer. Und auch die Zentralbanken betreiben seit Langem eine Art "asymmetrische Geldpolitik", indem sie die Märkte immer stützten, wenn sie abstürzten, sie aber nicht dämpften, wenn sie anfällig für Blasen waren. Es ist also zu vermuten, dass sie ein Überschießen ihrer Inflationsziele tolerieren würden – zum einen, um die vielen Jahre zu niedriger Teuerungsraten zu kompensieren, und zum anderen, um die Staatsverschuldung über eine steigende Inflation real zu reduzieren.“
Auch wenn im Moment die disinflationären Effekte tatsächlich überwiegen und das Inflationsziel von „nahe, aber unter 2 Prozent“ weit entfernt scheint, hält der Anleihen-experte von Nomura angesichts der ungebremsten Ausweitung der Geldmenge und der dramatisch ansteigenden Staatsverschuldung steigende Preise auf mittlere Sicht für unvermeidlich.

Brauer: „Der Verweis auf die Finanzkrise und die damals ausgebliebene Inflation überzeugen nicht. Erstens sind die Vermögenspreise seither sehr wohl gestiegen, und das in teils horrendem Ausmaß. Und zweitens ist die Situation heute anders: Damals blieb das Notenbankgeld mangels Kreditnachfrage in den Überschussreserven der Banken („De-Leveraging“). Jetzt pumpen die Banken über die Programme der KfW richtig Geld in die Unternehmen, und Selbständige erhalten in Form von Zuschüssen eine Art „Helikoptergeld“. Die Verschuldung der Unternehmen steigt, ohne dass die zusätzlichen Kredite das Produktionspotenzial erhöhen.

Sobald die Wirtschaft wieder anläuft, werden die Transferleistungen auch in den Konsum wandern. Schließlich werden die staatlichen Maßnahmen dafür gesorgt haben, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit nicht stark ausfallen wird. Dann wird sich die Nachfrage viel schneller erholen als das Angebot. Denn es wird dauern, bis die Verwerfungen in den globalen Lieferketten behoben sind und wieder voll produziert wird. Dienstleister werden versuchen, durch höhere Preise die Verluste des Frühjahrs und Frühsommers auszugleichen. Überhaupt bekommen die Unternehmen mehr Preissetzungsmacht, wenn einige ihrer Konkurrenten die Schließung nicht überstanden haben. Zusammen mit der jetzt schon zu beobachtenden Erholung der Ölpreise wird dies unweigerlich zu einem Anstieg der Gesamtinflation führen.

Verstärkt wird der zu erwartende Inflationsschub noch vom Trend zur De-Globalisierung. Schon vor der Krise stiegen die Löhne in China, schrumpfte der Preisvorteil von Produktionsverlagerungen und störten protektionistische Tendenzen den Welthandel. Jetzt sehen wir, dass Staaten weltweit die Regeln verschärfen, unter denen ausländische Unternehmen Firmen im Heimatmarkt übernehmen dürfen. Die geplante Novellierung des deutschen Außenwirtschaftsgesetzes gibt einen ersten Vorgeschmack darauf. Am Ende wird die protektionistische Politik zu einer Verlangsamung des Welthandels sowie zu Produktivitäts- und Wachstumsverlusten führen – und zu höheren Preisen.“

Schon bei einem Preisanstieg im Euroraum von 6,2 Prozent bis zum Jahr 2030 profitieren Anleger von einer Bindung der Anleihen an den harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Denn die sogenannte Break-Even-Rate liegt angesichts rekordniedriger Inflationserwartungen annualisiert bei 0,6 Prozent (Stand 04.06.2020). Die niedrigen Inflationserwartungen für die kommenden fünf bis zehn Jahre sind auch der Grund dafür, dass sich die Kurse deutscher „Linker“ seit Jahresanfang schlechter entwickelten als die Kurse ihrer nominalen Pendants.

Brauer verweist aber auf eine ähnliche Phase an den Kapitalmärkten im Jahr 2015. Auch damals sei die Weltwirtschaft ins Stottern geraten und der Ölpreis abgestürzt. Der Referenzkorb der inflationsgebundenen Anleihen aus dem Euroraum erzielte in jenem Jahr eine Rendite von lediglich 0,8 Prozent. Schon im Folgejahr erzielten dieselben Anleihen jedoch eine Rendite von 3,8 Prozent und 2019, als der Ölpreis sich deutlich erholte, waren es 6,6 Prozent.

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