„Big Data ist das Gold des 21. Jahrhunderts“

- Jacques-Aurélien Marcireau
- Edmond de Rothschild
FRANKFURT — Der Edmond de Rothschild Big Data Fund will von der wachsenden Bedeutung von Daten im Wirtschaftsleben profitieren. Das Team geht dafür bewusst abseits ausgetretener Pfade und investiert in Infrastrukturanbieter ebenso wie in Datennutzer. Im Interview erklärt Fondsmanager Jacques-Aurélien Marcireau die Chancen des Big-Data-Segments.
Sie widmen sich mit Ihrem EdR Fund Big Data einem relativ eng umgrenzten Anlagethema. Weshalb diese Konzentration?
Jacques-Aurélien Marcireau: Ich gebe zu, auf den ersten Blick, wenn Sie bei Big Data ausschließlich an ein Subsegment der Technologiebranche denken, wirkt unser Ansatz konzentriert. Tatsächlich bin ich davon überzeugt, dass Big Data ein ziemlich breites Thema ist, da es viele Unternehmen und Sektoren erreicht. Viele Unternehmen aus klassischen Branchen sitzen auf einer Goldmine, ohne diesen wertvollen Rohstoff zu fördern. Ich spreche dabei von Daten als der Währung des 21. Jahrhunderts.
Daten sind an verschiedensten Stellen zu finden. Wie grenzen Sie Ihr Anlageuniversum ein?
Marcireau: Mindestens die Hälfte der Aktien unseres Fonds sind Technologieunternehmen, die sich auf Big-Data-Lösungen konzentrieren — Rechenleistung, Dateninfrastruktur, Speicherung, Datenanalyse. Die andere Hälfte des Fonds umfasst Unternehmen aus traditionellen Sektoren, die eine spezifische Big-Data-Strategie als Kern- und Instrumentalteil ihrer Entwicklung und Geschäftstransformation umsetzen. Wir versuchen gezielt, Unternehmen und Sektoren zu identifizieren, die von Big Data in den nächsten drei bis fünf Jahren profitieren werden. Auf diese Weise reduzieren wir unser Investmentuniversum auf eine effektive Größe.
Können Sie ein Beispiel für einen Sektor nennen, der auf Sicht von fünf Jahren eine bedeutende Verwendung für Big Data findet?
Marcireau: Das interessanteste Beispiel für uns ist die ungenutzte Durchdringung von Big Data im Gesundheitswesen. Wir sehen große Chancen in Bereichen wie prädiktive Medizin, Genomsequenzierung, personalisierte Behandlungen und öffentliche Gesundheit. Der Einsatz von Big Data im Gesundheitswesen hat das Potenzial, im Vergleich zu dem, was es heute ist, um das Fünf- oder Zehnfache zu wachsen. Der Fonds ist derzeit mit rund zehn Prozent in Gesundheitsunternehmen investiert und wir gehen davon aus, dass dieser Anteil in einigen Jahren viel größer sein wird.
In welchen Bereichen finden Sie heute größere Chancen?
Marcireau: Der Fonds profitiert davon, dass sich viele Unternehmen zunehmend ihrer Datenschatzkiste bewusst werden. Aus diesem Grund sind Speicherlösungen bereits heute begehrt und die Nachfrage dürfte weiter steigen. Deshalb spielen Anbieter von Speicherlösungen eine so wichtige Rolle und es gilt auch, in die Big-Data-Infrastruktur zu investieren. Ein weiteres Beispiel in diesem Zusammenhang ist der Versicherungssektor: Die Risikobewertung ist das Kerngeschäft der Versicherungsunternehmen und diese wird mit der Bereitstellung von Big-Data-Lösungen in Zukunft einfacher und genauer werden.
Worauf kommt es bei Ihren Investmentzielen konkret an?
Marcireau: Unser Ziel ist es, technologische und fundamentale Chancen mit einer attraktiven Bewertung in Einklang zu bringen. Ein Unternehmen, das keine technologische Perspektive hat und unsere grundlegenden Kriterien nicht erfüllt, ist für uns nicht interessant, selbst wenn es mit einem Discount gegenüber Mitbewerbern gehandelt wird. Ebenso ziehen wir es vor, uns von überbewerteten Positionen zu trennen, auch wenn sie zum Thema Fonds passen. Ein wichtiger Differenzierungsaspekt unseres Prozesses ist die Aufrechterhaltung eines ausgewogenen und umsichtigen Ansatzes, da eines der größten Risiken darin besteht, Wachstum überzubezahlen.
Für welche Investoren bietet sich der EdR Fund Big Data an?
Marcireau: Unser Fonds wurde für Privatkunden wie auch professionelle Investoren aufgelegt. Ziel ist es, durch eine diversifizierte und ausgewogene Portfoliostruktur Zugang zu einer handverlesenen Auswahl von Unternehmen zu ermöglichen. Viele unserer Kunden werden empfindlich auf Kursrückschläge und Risiken im Allgemeinen reagieren. Unser Ziel ist zwar, von der Wachstumschance des säkularen Big-Data-Themas zu profitieren, aber wir pflegen ein diversifiziertes Portfolio in allen Bereichen, Sektoren, Marktkapitalisierungen und Regionen. Unsere Risikodisziplin ist ein wichtiger Differenzierungsfaktor. Sie hat es dem Fonds ermöglicht, weniger empfindlich auf Marktrückschläge zu reagieren als seine Vergleichsgruppe.
Gibt es bei Ihrem Fonds eine Mindestanlagesumme?
Marcireau: Nein. Wir sind ein UCITS-Fonds, der allen Investoren offensteht. Selbstverständlich haben wir auch einige größere Kunden — das zeigt schon unser Fondsvolumen in Höhe von 530 Millionen Euro.
Gibt es anders gefragt eine Grenze, ab der Sie kein neues Kapital mehr annehmen können?
Marcireau: Es handelt es sich um ein globales Aktienportfolio, das in eine breite Palette von Marktkapitalisierungen von Large bis Small Caps investiert. Das Portfolio ist daher hochliquide. Angesichts der Vielfalt der Möglichkeiten, die sich aus der Annahme und Verbreitung des Big-Data-Themas ergeben, erwarten wir in naher Zukunft keine Kapazitätsprobleme, da sich das Universum des Fonds tatsächlich ausdehnt. Vor diesem Hintergrund behandeln wir Kapazitätsprobleme ernsthaft und überwachen aktiv das Anlageuniversum der Fonds. Sollte es dazu kommen, dass die Fondsgröße uns in unseren Anlagechancen beeinträchtigt, dann würden wir einen Soft-Closing-Prozess einleiten, um unsere bestehenden Investoren zu schützen. Davon sind wir aber noch weit entfernt.
Sie haben Small Caps erwähnt. Welche Rolle spielen die für Ihr Portfolio?
Marcireau: Zunächst sind softwarebasierte Datenanalysen ein fruchtbarer Boden für kleinere Unternehmen und eine Möglichkeit, diversifiziert in einen sehr wachstumsstarken und innovativen Sektor zu investieren. Grundsätzlich analysieren wir Unternehmen aber zunächst unabhängig von ihrer Marktkapitalisierung, bei der Portfoliokonstruktion streben wir aber an, ein Gleichgewicht zu finden, um eine Überkonzentration auf ein bestimmtes Segment auf dem Markt oder auf eine Art von Unternehmen zu vermeiden. Wenn man sich die zehn größten Positionen anschaut, sind die meisten von ihnen Large Caps, aber wir besitzen auch kleinere Unternehmen, welche die Big-Data-Wachstumschancen auf einzigartige Weise durch ihre innovativen und agilen Geschäftsmodelle nutzen konnten. Diese Unternehmen sind das Salz in der Suppe für die Strategie. Obwohl Small Caps nur rund 20 Prozent des Fonds ausmachen, war ihr Beitrag zur Performance im Lauf der Jahre doch recht bedeutend.
Bei früherer Gelegenheit erwähnten Sie, dass Sie von den sogenannten GAFA-Unternehmen wenig halten. Weshalb das?
Marcireau: Das stimmt so nur zum Teil. Wir haben eine Position bei Alphabet und einen sehr kleinen Anteil an Facebook. Wir sind der Meinung, dass die Positionierung und Aktienauswahl des Fonds einen echten Mehrwert generiert und eine echte und attraktive Alternative zu reinen GAFA-Aktien bietet. Ziel des Fonds ist es, über das GAFA-Paradigma hinaus zu investieren.
Wie sind Sie personell aufgestellt, um die hierfür notwendige Recherche zu leisten?
Marcireau: Unser Team besteht aus drei Portfoliomanagern und 20 Aktienspezialisten beziehungsweise Analysten, die auf Regionen und globale Sektoren ausgerichtet sind. Wir haben auch Zugang zu externen Spezialisten wie ehemalige Vorstände von Techunternehmen, die Experten auf ihrem Gebiet sind und maßgeblich an der Bewertung neuer Entwicklungen beteiligt sind. Interne Forschung und externe Outputs sind eng in unseren Aktienauswahlprozess integriert, der es uns ermöglicht, effektiv auf neue Branchenentwicklungen zu reagieren.
Welche Rolle spielt der direkte Kontakt zu Unternehmen für Sie?
Marcireau: Eine sehr bedeutende. Wir sind in Paris beheimatet und pflegen von dort aus den direkten Kontakt zu Entscheidern und Unternehmen. Da wir uns oft in den USA oder Asien aufhalten, ist die Standortfrage auch nicht so wichtig. Ich persönlich verbringe einen Monat des Jahres auf Reisen. Dazu gehört beispielsweise, auf einer Dienstreise nach Asien eine ganze Reihe potenzieller Kandidaten zu besuchen.
Wie gelingt es, beispielsweise in China einen guten Draht zu Entscheidern herzustellen?
Marcireau: Das ist in der Tat eine berechtigte Frage. Wir können mit Kontakten arbeiten, die bereits ein oder zwei Türen für uns geöffnet haben. Darüber hinaus sind wir durch die starke Marke Edmond de Rothschild als langfristige und aktive Investoren anerkannt. Das reicht für einen unvoreingenommenen Erstkontakt. Alles Weitere geschieht im persönlichen Gespräch.
Verraten Sie uns einen Ihrer weniger bekannten Favoriten, den Sie aufgrund Ihres Analyseprozesses entdeckt haben?
Marcireau: Wir hatten bereits früh die Aktie des Datacenter-Betreibers Interxion im Portfolio. Das ist ein europäisches Unternehmen, das seinerzeit nur in den USA börsennotiert war und unter dem Radar vieler Anleger gehandelt wurde. Aufgrund der strategischen Bedeutung haben wir frühzeitig zugegriffen. Immer wenn es um niedrige Latenzen geht, ist Interxion ein gefragtes Unternehmen. Heute unterstützt Interxion mehr als 1500 Unternehmen und betreibt 40 Rechenzentren in aller Welt.
Dem aktuellen Factsheet lässt sich entnehmen, dass Sie verschiedene Titel nachgekauft haben, die einerseits im Kurs gestiegen, andererseits gefallen sind. Weshalb dies?
Marcireau: Wir pflegen einen sehr aktiven Managementstil. Das heißt, wenn eine Aktie unser ursprünglich gesetztes Kursziel erreicht, ohne zusätzlichen Katalysator, sprich wenn der Investment-Case identisch bleibt, dann würden wir Gewinne mitnehmen. Umgekehrt würden wir unsere Beteiligung stärken, wenn es einen ungerechtfertigten Preisrückgang bei einer Aktie gibt, der Investment-Case aber intakt ist. Und im dritten Fall kann es sein, dass der Kurs einer Aktie steigt und sich zugleich die Aussichten verbessern. Auch dann erhöhen wir gegebenenfalls unsere Position. Dies ist Teil unserer Kauf-Verkaufs-Disziplin und ermöglicht es uns, einen langfristigen Fokus zu behalten und gleichzeitig aktiv beim Aufbau und Verkauf von Positionen zu bleiben.
Abschließend gefragt: Big Data ist heute ein großes Thema. Was passiert aber, wenn Investoren das Interesse an Big Data verlieren? Können Sie dann auch auf andere Sektoren umschwenken?
Marcireau: Big Data wird oft als Marketingbegriff verwendet und solche Marketingbegriffe kommen und gehen von Natur aus häufig. Jenseits des Marketings glauben wir aber, dass das Big-Data-Thema langfristig Bestand haben wird und als das neue Gold des 21. Jahrhunderts betrachtet werden kann. Es gibt eine echte Datenwirtschaft in vielen Sektoren und Wertschöpfungsketten, die aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verschwinden wird. Deshalb mache ich mir keine Sorgen. Die Flexibilität unseres Ansatzes wird es uns ermöglichen, den Fonds immer in Bereichen zu positionieren, in denen Daten einen Mehrwert generieren.
Das Interview führte Ronny Kohl
Hinweis: Dieser Beitrag ist zuerst erschienen in TiAM – Trends im Asset Management 04/2019
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